Stute decken lassen: Wie, wann und von wem?

Natursprung oder Künstliche Besamung? Diese Frage spielt in der modernen Pferdezucht bei vielen Rassen nur mehr eine untergeordnete Rolle, da sich die Künstliche Besamung weitgehend durchgesetzt hat. Die Vorteile liegen auf der Hand: Keine Deckinfektionen, keine Deckverletzungen. Und wenn sich der Züchter bei der künstlichen Besamung noch für Kühl- oder Gefriersamen entschieden hat kommen noch einige hinzu, wie: kein Transportproblem und Bedeckung der Stute im heimischen Stall. Auch können die Hengste gleichzeitig im Sport genutzt werden und ihren Vaterpflichten nachkommen. Niemand muss seine wertvolle Zuchtstute über große Entfernungen zum Hengst und wieder nach Hause karren, um den favorisierten Hengst nutzen zu können. Auch Vatertiere aus fernen Ländern können weltweit zum Einsatz kommen.

Der Hengstbesitzer profitiert wohl am meisten von der künstlichen Besamung, denn er kann das teure Produkt „Ejakulat“ bei größtmöglicher Schonung maximal ausnutzen. Sein Kundenstamm ist nicht auf einen engen Umkreis beschränkt und es lassen sich problemlos Gefrier-Samenvorräte für Zeiten anlegen, in denen der Hengst züchterisch nicht mehr genutzt werden kann oder gar verstorben ist.

Methoden der künstlichen Besamung

Je nachdem, wie mit dem Ejakulat nach dem Absamen des Hengstes verfahren wird, können drei Methoden unterschieden werden:

Die am meisten verbreitete Methode arbeitet mit aufbereitetem Frischsamen. Nach der Entnahme wird das Ejakulat über mehrere Schritte aufbereitet und abschließend in Spritzen abgefüllt und gekühlt. Mit diesem aufbereiteten und mit Verdünner „gesteckten“ Samen werden meist die Stuten, die auf der Hengststation zur Besamung aufgestallt sind, besamt. Manche Stuten vertragen die bei der Aufbereitung eingesetzten Verdünner nicht, bei ihnen kommt Nativsamen zum Einsatz, also unbehandeltes und unverdünntes Ejakulat.

Für Stuten, die weiter weg oder zu Hause beim Besitzer durch den Tierarzt besamt werden sollen, wird der aufbereitete Samen in 0,5 ml Pailletten abgefüllt und gekühlt. Dann darf die Kühlkette für diesen „gekühlten Samen“ nicht mehr unterbrochen werden, nur so bleiben die darin enthaltenen Spermien bis zu 48 Stunden frisch und fruchtbar. Moderne Transportsysteme sorgen dafür, dass der Samen meist über Nacht geliefert wird und die Stute innerhalb von 24 bis 36 Stunden nach dem Absamen des Hengstes besamt werden kann.

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Wird der Samen eingelagert, über lange Strecken transportiert und muss dabei rechtzeitig beim Züchter sein geht dies nur mit Gefrier-Samen. Nach der Entnahme und Aufbereitung wird der Samen tiefgekühlt und schließlich bei -197 Grad in flüssigem Stickstoff gelagert. Er kann nun über weite Strecken transportiert und über lange Zeiträume aufbewahrt werden. So praktisch und innovativ diese Methode im Grunde ist, sie kann nicht uneingeschränkt zum Einsatz kommen, da sich nicht jeder Hengst eignet. Ist die Rate an befruchtungsfähigen Spermien nach dem Auftauen zu gering, sinkt die Fertilitätsrate auf ein unakzeptabel niedriges Niveau. Rindersamen eignet sich anscheinend weitaus besser als das Ejakulat von Pferden für diese Methode, doch wird weiter intensiv daran geforscht. Bei Hengsten mit erwiesener Eignung dagegen bietet diese Methode viele Vorteile.

Nachteile und potentielle Probleme

Nicht von der Hand zu weisen sind allerdings auch die potentiellen Nachteile der künstlichen Besamung: Modehengste werden stark frequentiert, was langfristig zu Lasten eines breit angelegten Genpools in der Gesamtpopulation geht und immer die Gefahr in sich birgt, dass schwer zu erkennende oder sich erst spät äußernde genetische Defekte – etwa die Veranlagung zur Entwicklung bestimmter Erkrankungen – rasch unbemerkt ausbreiten und später kaum mehr durch Zuchtausschluss eingedämmt werden können. Dass die Fruchtbarkeitsrate bei der künstlichen Besamung je nach Methode schlechter als bei einem Natursprung sein muss, ist heute nicht mehr so zwingend wie noch vor Jahren.

Natursprung wieder aktuell

Was früher in der Pferdezucht Gang und Gäbe war ist wieder im Kommen. Bei manchen Pferderassen – beispielsweise auch beim Englischen Vollblut – stellt sich die Frage „Natur oder Künstlich“ nicht, da hier ausschließlich ein Natursprung auf der Hengststation erlaubt ist. Doch auch bei anderen Rassen wird wieder im stärkeren Umfang die Bedeckung an der Hand oder sogar die Bedeckung durch Weidehengste eingesetzt.

Bei der Weidebedeckung wird einer Herde von Stuten – auch mit Fohlen bei Fuß – für einen gewissen Zeitraum ein Hengst beigestellt. Der Züchter wird zunächst alle für diesen Hengst vorgesehenen Stuten zusammenstellen und nach einigen Tagen, wenn die Damen sich einig geworden sind, den Hengst in die Herde bringen. Die Gruppe verbleibt nun über einige Wochen stabil, möglichst solange, dass alle Stute zwei Rossen durchlaufen haben. Die ständige Anwesenheit eines Hengstes in der Herde bringt den Hormonhaushalt in der Stute erst richtig in Fahrt, zum Höhepunkt der Rosse deckt der Hengst mehrfach und Faktoren wie Sonnenlicht, Bewegung, natürliche Ernährung tragen sicherlich ebenfalls mit dazu bei, dass die Abfohlrate beim Weidesprung generell hoch ist. Die Gefahr von Deckverletzungen wird oft stark überschätzt, ist aber nicht auszuschließen.

Bedeckung an der Hand

Hengst und Stute können auch unter kontrollierten Bedingungen zusammenkommen. Bei der Bedeckung an der Hand wird die Stute in unmittelbarer Nähe zum Hengst aufgestallt und diesem mehrmals zugeführt. Hengst und Stute sind dabei nicht frei, sondern werden mit entsprechenden Halftern oder Gebissen ausgestattet und von Hilfspersonen geführt. Die Stute wird dabei oft so fixiert, dass eine Gegenwehr etwa aufgrund eines ungeeigneten Zeitpunktes nicht möglich ist.

 

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