Neulich in der Reithalle: Ein so genannter „Profitrainer“ schnallt Schlaufzügel über Umlenkrollen in die Kandarenanzüge seines Pferdes. Gegen drei Hebelfunktionen auf einmal ist das auszubildende Tier machtlos. Nach zehn Minuten atmet es Hallenboden und der Besitzer ist zufrieden mit seinem Ausbilder. Der könne halt jedem Pferd „den Kopf runterreiten“, heißt es.
Die Zuschauer sind berechtigterweise empört. Schlaufzügel, Kandare und Umlenkrollen sind nicht nur verpönt, nach neusten Untersuchungen würde 82% sie auf dem Turnier und über 40% sogar generell verbieten. Dennoch will auch der Otto-Normal-Reiter seinen Dreijährigen so schnell wie möglich in die Form pressen, die auf Illustrationen in Pferdebüchern zu sehen ist. Seine Lösung: Hilfszügel dran und dann Riegeln, riegeln, riegeln. In genau dem Moment, wo seriöse Ausbilder „Treiben, treiben, treiben“, raten würden – natürlich in Verbindung mit einer steten aber feinen Handeinwirkung.
Reiten Sie schon oder riegeln Sie noch?
Wie Riegeln funktioniert? Ganz einfach: Rechts am Zügel ziehen, links am Zügel ziehen. Diese Prozedur endlos wederholen. „Ein Pferd das nicht durchs Genick tritt, gibt dadurch für einen Moment nach und vermittelt dem Reiter den Eindruck eines gewissen Scheinerfolgs“, erklärt der Reitmeister und Ehrenvorsitzender der Bundesvereinigung der Berufsreiter im Deutschen Reiter- und Fahrerverband e.V., Günther Festerling. „Aber ein so ausgebildetes Pferd ist nicht rittig und lernt nicht gleichmäßig sicher an das Gebiss heranzutreten. Dies aber ist die absolute Voraussetzung für eine korrekte weitere Ausbildung des Pferdes.“
Das reell ausgebildete Pferd dehnt sich ganz automatisch in die Vorwärts-Abwärts-Haltung hinein indem es an die Reiterhand herantritt. Das geriegelte Pferd lernt im Gegensatz dazu, der Hand nachzugeben. Eine klassische Anlehnung, die im energisch abfußenden Hinterbein beginnt und über den schwingenden Rücken bis ins tätige Pferdemaul hinein wirkt, ist so nicht möglich. Aber den Kopf runternehmen tut das Pferd trotzdem. Festerling bezeichnet diese Form der Reiterei als „reine Scharlatanerie.“ Auch das „Losspielen im Genick“ oder die „spielenden Hände“ möchte er nicht sehen. Das alles seien Vorstufen zum Riegeln oder lediglich eine feinere Ausdrucksweise für denselben Fehler. Allerdings räumt er ein: „Natürlich kann es vorkommen, dass der Reiter seine Hände kurz bewegen muss, weil das Pferd sich fest macht.“ Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Wo ein guter Ausbilder seine Hände kurz bewegt, da sägt der Möchtegern-Profi mit aller Kraft von rechts nach links.
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Weil es keine allgemeingültige Regel geben kann, wer wann mit wie viel Einsatz seine Hände bewegen darf, vertritt die Deutsche Reiterliche Vereinigung in ihren Richtlinien klar die Position: Hände still! Auf die Frage, was die Reiterhand nun definitiv tun darf, antwortet Richtlinien-Co-Autor Festerling in diesem Sinne: „Es gibt fünf Zügelhilfen: Nachgebende, annehmende, durchhaltende, verwahrende und seitwärts weisende.“.
Wer hat die Lizenz zum Riegeln?
Einmal ließ sich ein von der FEI einberufener Ausschuss dazu hinreißen, von der Schwarz-Weiß-Malerei abzuweichen und bezüglich der umstrittenen Rollkur zu behaupten, „dass es bei Anwendung durch sachkundige, qualifizierte Trainer keinen wissenschaftlichen Nachweis gibt, dass diese Ausbildungsmethode einen Missbrauch von Pferden darstellt.“ Ein böser Faux-pas in den Augen vieler Reiter. Denn wer erhält nun die Lizenz zum Rollen oder zum Riegeln? Wer hat genug Gefühl, um mit diesen Dingen umzugehen?
„Früher“, erzählt Günther Festerling, „ritten die Schüler längere Zeit auf ausgebundenen Pferden an der Longe. Ihre Hände waren noch gar nicht im Spiel. Fielen dann die Ausbinder weg, so verbrachte der Reitlehrer viel Zeit damit, das Gefühl des Schülers zu schulen. Wann muss man die Hand stehen lassen? Wann muss man nachgeben? Es ist ein langer Weg, Fühlen zu lernen!“
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Verhaltensstörungen als Folge
Festerling kennt Pferde, die im Takt zur Reiterhand ständig mit dem Kopf nach rechts und links wippen weil sie in ihrer Ausbildung nichts anderes erlebt haben als Riegeln. Dadurch entziehen sie sich der unangenehmen Einwirkung der sägenden Reiterhand. Was dabei im Pferd vorgeht, beschreibt er ganz pragmatisch: „Stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten eine Eisenstange im Maul und das macht jemand bei Ihnen – ständig hin und her ziehen!“ Dabei ist die Ausgleichsbewegung des Kopfes noch gar nicht die heftigste Nebenwirkung des Riegelns. Zieht der Reiter mit Gewalt und Kraft, so setzen sich viele Pferde durch heftiges Kopfschlagen zur Wehr, das schlimmstenfalls in eine Verhaltensstörung ausarten kann.
Wegen des enormen Zeit- und Finanzdrucks arbeiten immer wieder auch Profis mit unlauteren Mitteln. Festerling stellt aber klar: „Ein korrekter Ausbilder riegelt nicht. Und ein reell ausgebildetes Pferd muss auch nicht geriegelt werden. Schwarze Schafe gibt es natürlich überall.“