„Durchparieren zum Schritt!“. Diese Anweisung zur Parade hört der lernende Reiter schon in seinen ersten Stunden auf dem Pferd. Wie er das machen soll, wird meist so erklärt: „Einsitzen, Kreuz anspannen, Zügel annehmen.“
Das sind gleich drei Angriffspunkte auf einmal. Auf das Kommando „Einsitzen“ lehnt der lernende Reiter seinen Oberkörper nach hinten und gerät so hinter den Schwerpunkt des Pferdes. Dadurch blockiert er in der Wirbelsäule, kann nicht mehr locker mitschwingen und wird es niemals schaffen, eine Parade zu geben. Macht er sich auf die Anweisung „Kreuz anspannen“ nun auch noch dauerhaft im Rücken fest, so wird sein Pferd höchstenfalls schneller werden, weil es sich durch den hart im Sattel auf und nieder plumpsenden Reiter gestört fühlt. Da kommt gerade die letzte Anweisung recht: „Zügel annehmen!“ Am Ende wird der Vierbeiner also durch reine Muskelkraft in die niedrigere Gangart gezogen und fügt sich spätestens nach einigen Metern Stechtrab mit aufgesperrtem Maul und rollenden Augen wegen des Schmerzes in seinem Maul.
Paraden haben viele Zwecke
Wer als Anfänger nicht lernt, korrekte Paraden zu geben, wird nach zehn Jahren noch genauso reiten und im Dressurviereck keine gute Figur machen. Denn Paraden dienen nicht nur zum Anhalten oder langsamer machen. „Sie haben den Zweck, das Pferd in eine kürze Gangart zu versetzen, Takt und Haltung des Pferdes während des Ganges zu verbessern, verloren gegangene Haltung wieder zugewinnen, dem Drücken auf das Mundstück und dem Eilen im Gange zu begegnen“, stand schon 1921 in der Heeresdienstvorschrift. Gemeint sind so genannte „halbe Paraden.“ Im Gegensatz zu den ganzen Paraden bringen sie ein Pferd nicht zum Stillstand. „Halbe Paraden erfolgen, um Übergänge von einer höheren in eine niedrigere Gangart zu reiten, das Gangmaß innerhalb einer Gangart zu verkürzen bzw. zu regulieren, das Pferd vor einer neuen Übung oder Lektion aufmerksam zu machen, Versammlung und Haltung während der Bewegung zu verbessern bzw. zu erhalten“, fasst der ehemalige kanadische Nationaltrainer und Honorartrainer der DOKR, Johann Hinnemann, zusammen.
So weit die Theorie. Doch was muss nun der Reiter wirklich tun, um eine halbe oder ganze Parade zu reiten? „Die korrekte Hilfengebung für eine halbe Parade, erfolgt durch kurzes, vermehrtes Einschließen des Pferdes zwischen den Gewichts-, Schenkel und Zügelhilfen, worauf immer die nachgebende Zügelhilfe folgt“, sagt Hinnemann. „Die ganze Parade wird durch mehrere halbe Paraden eingeleitet. Die halben Paraden werden so oft wiederholt, bis sie ihren Zweck erfüllt haben, nämlich zum Halten zu kommen, wobei auch beim Halten das Pferd vor den treibenden Hilfen sein muss.“
Nachgeben, um langsamer zu werden?
Damit ist schon einmal klar, dass der Reiter weder in Rücklage geraten, noch an den Zügeln ziehen darf. Ein Anfänger und so mancher Fortgeschrittene kratzt sich nun wahrscheinlich fragend am Kopf: Wieso wird das Pferd langsamer wenn ich am Ende mit den Zügeln nachgebe? Das liegt daran, dass ein korrekt an den Hilfen stehendes Pferd durch die treibende Einwirkung willig ans Gebiss heran tritt und vermehrt mit den Hinterbeinen untertritt. In diesem Moment ist es bestrebt, seinen Rahmen zu erweitern (also länger zu werden). Würde der Reiter nun tatsächlich vom Arbeitstrab auf einen Mittel- oder starken Trab übergehen, so müsste er bei einer – natürlich rein hypothetisch betrachteten – Rahmenerweiterung von fünf Zentimetern ebenso viele Zentimeter mit der Hand nachgeben. Möchte er aber keine Verstärkung reiten, sondern eine Parade, so reicht es aus, nur drei Zentimeter weit nachzugeben. Damit hat er bei einer hypothetischen Rahmenerweiterung von fünf Zentimetern eigentlich zwei Zentimeter verkürzt.
So besteht die Parade also am Ende aus einem sehr gefühlvollen Spiel aus Treiben, Zügel aufnehmen und anschließendem Nachgeben. Alles andere ist tumbes Zügelzupfen. Durch solche Fehler in der Reiterhand ist laut Johann Hinnemann „kein Zusammenwirken der Hilfen gewährleistet, das Pferd wird daran gehindert, willig an das Gebiss heranzutreten und damit die Hinterbeine in Richtung des Schwerpunkt zu gebrauchen. Das fehlende Verhältnis der Hilfen zueinander wird sich in geringem Raumgriff und stumpfen Gang äußern“.
Der Reitmeister wehrt sich genauso gegen das Parieren eines Pferdes an nur einem Zügel, was häufig eingesetzt wird, um eine Abstellung des Halses zu fordern, oder „das Genick loszuspielen“. Laut Hinnemann gibt es halbe Paraden an nur einem Zügel nicht. „Es gibt nur ein Stellen durch eine annehmende Zügelhilfe am inneren Zügel, die durch Eindrehen des Handgelenkes erfolgt. Der äußere Zügel führt und begrenzt das Pferd dabei“, stellt er klar.
Was bedeutet „Kreuz anspannen“?
Das nächste große Thema, mit dem nicht nur Anfänger kämpfen, ist das sagenumwobene „Anspannen des Kreuzes“, vielfach interpretiert als „Luft anhalten und den Rücken verkrampfen.“ Tatsächlich ist das „Kreuz anspannen“ aber laut dem Bewegungstherapeuthen Eckart Meyners nichts anderes als „das Kippen des Beckens, das einen festen Ring mit dem Kreuzbein bildet.“ Dieser Kippvorgang funktioniere nur, wenn das Gelenk zwischen dem Kreuzbein und dem fünften Lendenwirbel frei ist. Und frei ist es nur, wenn der Reiter aufrecht sitzt und nicht im Oberkörper nach hinten fällt. Kurzgefasst funktioniert „Kreuz anspannen“ in der Lehre des Dozenten für Sportpädagogik so: Bauchmuskeln anspannen, Gesäßmuskulatur anspannen, tiefe Rückenmuskulatur loslassen. Wichtig sei, so Meyners, dass der Reiter sein Kreuz immer nur kurz anspannt. „Eine längere Einhaltung dieses Kippvorgangs lässt ihn durch sein festgestelltes Becken nicht mehr mit den Bewegungen des Pferdes mitschwingen“, schreibt er in seinem Buch „Das Bewegungsgefühl des Reiters“.
Laut Johann Hinnemann ist es außerdem wichtig, dass die innere Oberschenkelmuskulatur während des „Kreuz Anspannens“ entspannt bleibt, „um weiterhin einen tiefen, losgelassenen Sitz zu gewährleisten.“
Hinnemann hat gemeinsam mit seinen Auszubildenden ausgearbeitet, mit welcher Intensität die korrekte Parade auf einem gut gerittenen Pferd gegeben wird. Dabei kam folgende Anleitung heraus: „Die vortreibende Schenkelhilfe sollte aus dem flach anliegenden Schenkel ohne Muskelkraft erfolgen. Die annehmende Zügelhilfe soll durch ein Eindrehen des Handgelenkes gegeben werden, so dass auch hier keine Muskelkraft benötigt wird. Zügelhilfen müssen immer aus dem Handgelenk erfolgen, nicht aus dem ganzen Arm. Der Reiter muss im gesamten Körper eine positive Spannkraft halten.“
Die Voraussetzung, um das Gefühl für dieses Zusammenspiel zu bekommen, ist zunächst das theoretische Verständnis für die Abläufe und anschließend ein absolut durchlässiges Schulpferd. „So kann der Reiter die Abstimmung seiner Hilfen gefühlvoll abwägen und bekommt bei korrekter Ausführung sofort ein positives Ergebnis.“
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