Laut Duden ist eine Zivilisationskrankheit eine, „durch die mit der Zivilisation verbundene Lebensweise hervorgerufene Krankheit“. Der ebenfalls benutzte Begriff der „Wohlstandskrankheit“ trifft es noch etwas deutlicher. Ursache dieser Erkrankungen ist meist eine Überversorgung mit (ungeeignetem) Futter, mit der auch eine höhere Belastung mit Schadstoffen einhergeht und ein Mangel an Bewegung. Dieses Ungleichgewicht und die erhöhte Entgiftungsrate führt zu einer unausgeglichenen Stoffwechselbilanz, die vor allem in den letzten Jahrzehnten zu einem erheblichen Anstieg von Erkrankungen wie Allergien, Rehe, Sommerekzem, KPU (Kryptopyrrolurie) und vielen weiteren geführt hat.
Vom Steppenbewohner zum Arbeitstier bis hin zum „Stallhocker“
Das Pferd war ursprünglich ein im Herdenverband lebender Steppenbewohner, der am Tag viele Kilometer auf Futter- und Wassersuche zurücklegte. Da das Pferd ein Fluchttier ist, bietet eine weite, offene Landschaft die besten Überlebensbedingungen. Das Futter war, je nach Jahreszeit, sehr karg, generell raufaserreich und kohlenhydratarm. Der Magen ist auf eine dauernde Futteraufnahme mit faserreichem und energiearmem Futter ausgelegt. Nach der Domestizierung wurden Pferde als Zug-, Last- und Reittiere eingesetzt und mussten hohe Leistung erbringen.
Schaut man sich das Leben von Pferden heute an, stellt man fest, dass leider noch immer viele Pferde einzeln in Boxen leben und nur eine bestimmte Zeit Auslauf haben bzw. bewegt werden. Feste Futterzeiten mit Kraftfuttergaben und portioniertes Raufutter runden den Alltag ab.
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Somit zeigen sich hier bereits Auslöser der Zivilisationskrankheiten; zu wenig Bewegung in Kombination mit eingeschränktem Zugang zu Raufutter aber Gabe von kohlenhydrat- und energiereichem Kraftfuttern oder Getreide und gepressten Mineralfuttern. Viele Futter sind heutzutage mit Pestiziden, Chemikalien und Schwermetallen belastet, enthalten aber gleichzeitig immer weniger Vitalstoffe. Somit stimmt die Bilanz nicht und der gesamte Stoffwechsel wird überlastet und muss immer mehr den Körper entgiften. Dies führt, je nach Belastung, früher oder später zu den sogenannten Stoffwechselproblemen. Besonders Pferde, die nicht so gut entgiften können, zeigen frühzeitiger Symptome einer der vielfältigen Stoffwechselerkrankungen.
Probleme beim Entgiften
Eine Haltungs- und Fütterungsform mit generellem Auslauf und ständigem Zugang zu Raufutter bei gleichzeitig angemessener Fütterung von energiearmen Zusatzfutter wäre die artgerechte Basis. An Futter, Wasser oder Luft kann der Pferdehalter aber nicht wirklich etwas ändern, da zum einem die Umweltbelastungen ein globales Problem darstellen, zum anderen zwar die Futtermittelhersteller Inhaltsstoffe ausweisen, aber diese oft den gleichen Umweltbedingungen unterliegen. Deshalb muss auf die Qualität des Futters besonders geachtet werden; Raufutter muss z.B. frei von toxischen Pflanzen, z.B. Jakobs-Kreuzkraut, schimmelfrei und ungespritzt sein; Müslimischungen oder andere Zusatzfutter sollte man unbedingt auf ihre Notwendigkeit und Zusammensetzung prüfen. So sollten z.B. keine genetisch veränderten Bestandteile enthalten sein.
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Ist es dem Pferdeorganismus nicht mehr möglich, die aufgenommenen Umweltgifte abzubauen, entgiftet sich der Stoffwechsel nach außen und es zeigen sich Symptome, die sich in Schädigungen des Immunsystems, Leber, Niere, Magen, Darm oder der Haut zeigen.
Als typische Krankheitsbilder werden in Folge dessen z.B. Equines Metabolisches Syndrom, Equines Cushing Syndrom, Equines Fibromyalgie Syndrom, KPU (Kryptopyrrolurie), Ekzemer, Magengeschwüre, Hufrehe, Allergien oder EMS diagnostiziert, um hier nur einige zu nennen.
Wie kann man vorbeugen?
Im Prinzip kann man es auf einen relativ einfachen Ansatz in der Haltung beschränken: Back to Basic! Die Natur sollte uns als Vorbild dienen. Dies bedeutet, dass unsere Pferde sich den ganzen Tag bewegen können, wie sie es auf Futter- und Wassersuche auch tun würden. Natürlich ist es nicht möglich, dass die Pferde auf riesengroßen Arealen unterwegs sind, aber es sollten Bewegungsanreize geschaffen werden, z.B. mit unterschiedlichen Bereichen zum Fressen oder Saufen. Auch Sportpferde, die meist in Boxen gehalten werden, sollte neben dem täglichen Training zusätzlich viel Bewegungsfreiheit genießen dürfen.
Der zweite wichtige Aspekt ist die Fütterung. Statt Wiesen mit eisweißreichen Hochleistungsgräsern sollten kräuterreiche Weiden möglichst mit Baumbewuchs vorhanden sein. Das keine Giftpflanzen vorhanden sind und keine Toxide verwendet werden, sollte selbstverständlich sein. Eine gute Weidepflege, evtl. auch mit Kalken der Weiden legt hier die Basis.
Darüber hinaus muss Raufutter zur freien Verfügung stehen und man sollte sehr genau prüfen, ob und wenn ja, welche Kraft- und Zusatzfuttermittel wirklich notwendig sind. Auch die Gabe von Leckerchen, Brot etc. sollte in Maßen erfolgen.
Neben diesen Haltungsmaßnahmen, sollte die Gabe von Wurmkuren und Medikamenten nur nach der Notwendigkeit und in Absprache mit einem Tierarzt und nicht prophylaktisch erfolgen.
Das sagt die Tierärztin
Frau Dr. Tina Maria Ritter bringt es im Folgenden auf den Punkt: „Wer vier bis sechsmal im Jahr entwurmt, fördert nur die Resistenzen bei den Würmern und belastet die Pferde. Besser ist, in regelmäßigen Abständen Kotproben zu nehmen dann gezielt zu entwurmen, wenn es nötig ist. Genauso kann man mit Impfungen verfahren. Bis auf Herpes lässt sich von allen gängigen Impfungen ein Titer (Konzentration von Wirkstoffen) im Blut nachweisen. Tetanus-Schutz besteht nach einer Impfung 6 bis 12 Jahre lang. Auch Influenza und Tollwut müssen nicht jedes Jahr aufgefrischt werden. Der Pferdehalter sollte außerdem unbedingt aufpassen, dass zwischen Entwurmung und Impfung mindestens 4 bis 6 Wochen liegen. Sonst bildet das Pferd keine Antikörper gegen die Impfung.“
Letztendlich bildet ein gutes Immun- und Entgiftungssystem den besten Schutz gegen Zivilisationskrankheiten und dies wird durch korrekte Haltung, Bewegung und Fütterung erreicht. Und beim letzteren ist Weniger manchmal wirklich mehr!