Sie sind blind und taub. Und dennoch: Innerhalb von Sekundenbruchteilen können Zecken einen vorbeilaufenden Wirt erkennen und sich an ihm festhalten. Durch das so genannte Haller’sche Organ zwischen ihren Vorderbeinen registrieren sie mechanische, thermische und chemische Reize. Als Mensch oder Pferd verrät man sich also durch die Erschütterungen beim Gehen, die Körperwärme und den Geruch.
Die Blutsauger sitzen auf Gräsern oder niedrigen Pflanzen bis etwa 1,70 m Höhe. Streift eine Maus, ein Jogger oder ein Reiter an Ihnen, so lassen sie sich mitnehmen. Zecken sind weder Sprinter noch Bungeejumper. Sie springen ihre Opfer also nicht an und lassen sich auch nicht von Bäumen herunterfallen. Dafür haben sie Geduld. Bis zu drei Jahre können sie ohne Blutmahlzeit aushalten. Für gewöhnlich aber speisen sie einmal im Jahr. Von der Larve über die Nymphe zum erwachsenen Tier – um eine weitere Entwicklungsstufe zu schaffen, muss Blut fließen, wie in einem Vampirfilm.
Weiden am Waldrand sind mehr betroffen
„Zecken benötigen eine feuchte Umgebung mit reichlich Kleinsäugern als Wirten, wie zum Beispiel Mäuse“, sagt Dr. Jochen Süss, Direktor und Professor am Friedrich-Loeffler-Institut in Jena. „Eine Weide gehört nicht unbedingt dazu. Feldstudien haben aber gezeigt, dass sich die Zeckenpopulation um ein vielfaches erhöht, wenn die Weide am Wald liegt. Hier gibt es bestimmte Pflanzen, von deren Samen wiederum Mäuse leben – da ist viel mehr Betrieb. So eine Lage macht einen Riesenunterschied.“
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Klein an Größe, aber intelligente Biss-Strategie
Einmal auf dem Wirt angelangt, kriecht die Zecke manchmal stundenlang über Haut oder Fell, bis sie eine geeignete, möglichst dunkle, feuchte Stelle mit dünner Haut zum Saugen findet. Wer je einem Hengst eine Zecke vom Hodensack entfernt hat, weiß, was gemeint ist. Dunkel, um nicht gesehen zu werden, feucht, um selbst nicht auszutrockenen. An Orten mit wenig Luftfeuchtigkeit, zum Beispiel in einer Wohnung, sterben Zecken schnell ab.
Mit ihren Kieferklauen ritzen sie die Haut ein und schieben einen mit Widerhaken besetzten Stechapparat in die Wunde. Ähnlich wie blutsaugende Insekten geben auch Zecken, parasitische Milben der Klasse Spinnentiere, dabei Speichel ab. Der enthält gerinnungs-, schmerz- und entzündungshemmende Stoffe. Deshalb tut ein Zeckenstich nicht weh. Außerdem enthält der Speichel eine Art Klebstoff, der die Mundwerkzeuge praktisch einbetoniert.
Die Gefahr: Borreliose und FSME
Gefürchtet sind die hässlichen Spinnentiere vor allem, weil sie zwei Infektionskrankheiten übertragen: die bakterielle Lyme-Borreliose und die virale Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), die zu einer Erkrankung des Gehirns oder der Hirnhäute führen kann – und zwar sowohl bei Menschen als auch bei Tieren.
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Gegen Lyme-Borreliose gibt es nur im Hundebereich eine Impfung, deren Wirksamkeit zudem stark angezweifelt wird. Pferde und Menschen können nicht geimpft werden. Stattdessen erfolgt bei einer tatsächlichen Infektion eine Behandlung mit Antibiotika.
Bei FSME verhält es sich genau umgekehrt: Es gibt keine Therapie der akuten Krankheit bei Mensch oder Tier, dafür aber eine Impfung für Menschen. „Theoretisch könnte man auch Pferde impfen“, sagt Dr. Süss. „Aber FSME ist bei Pferden extrem selten. Zumindest gibt es kaum wirklich gesicherte Fälle. Übrigens Hunde erkranken wesentlich öfter und schwerer. In Österreich lassen einige Hundehalter deshalb ihre Tiere mit dem Humanimpfstoff impfen.“
Die Zecke braucht zwischen 6 und 48 Stunden Zeit, um genügend Borrelien für eine Infektion zu übertragen. FSME wird laut Robert-Koch-Institut deutlich schneller übertragen. Deshalb ist es wichtig, in der Haupt-Zeckenzeit zwischen März und Oktober sich und die Pferde regelmäßig nach den Parasiten abzusuchen und diese zu entfernen (siehe unten).
Den absoluten Zeckenschutz für Reiter und Pferd gibt es nicht
Aber wie verhindert man nun, dass Zecken überhaupt zubeißen? Leider gibt es dafür keine 100-prozentige Lösung. Noch ist das Wundermittel nicht auf dem Markt, das Reiter und Pferd geruchs-, temperatur- und erschütterungsfrei durch den Wald streifen lässt. Menschen schützen sich am besten durch hochgeschlossene Kleidung. Ziehen Sie lange Strümpfe über ihre Hosenbeine (gut machbar bei Reithosen!), damit möglichst wenig Haut angreifbar ist. Auf hellen Stoffen sehen Sie umherlaufende Zecken schneller als auf dunklen. Wer sich ganz professionell schützen will, kann sich Zeckenblocker-Kleidung für draußen kaufen, die mit einem Repellent überzogen ist. Dabei bitte auf Tests unabhängiger Institute zu Hautverträglichkeit und Wirksamkeit achten.
So entfernen Sie eine Zecke bei Reiter und Pferd
Packen Sie die Zecke mit einer gebogenen Stahlpinzette oder mit den Fingernägeln dicht über der Haut. Ziehen Sie sie vorsichtig nach oben heraus. Ein leichtes Drehen darf sein – ob rechts- oder linksherum ist egal. Benutzen Sie niemals Klebstoff oder Öl, um die Zecke zu ersticken – in einer solchen Stresssituation gibt sie vermehrt Speichel ab und das Infektionsrisiko steigt. Lassen Sie anschließend keine Gnade mit den Blutsaugern walten, sondern töten Sie sie durch Verbrennen oder Ertränken in der Toilette. Zerdrücken ist prinzipiell auch möglich, häufig erwischt man dabei aber nur den vollgesogenen Unterleib.