Die richtigen Gamaschen für jeden Zweck

Gamaschen am PferdefuZwischen einer einfachen Neoprengamasche und einer hochwertigen Leder-Lammfell-Ausstattung fürs Pferdebein liegen unter Umständen 200 Euro. Wie tief Sie beim Kauf in die Tasche greifen müssen, hängt nicht nur von Ihrem Bankkonto ab. Am wichtigsten ist, zu wissen, wo und in welcher Höhe Ihr Pferd sich gelegentlich anschlägt. Genau dort müssen an der Gamasche dann Verstärkungen sein. Meist treten Pferde sich von innen gegen die Fesselgelenke. Tritt sich Ihres in die Ballen, so braucht es (zusätzlich) Sprungglocken, die sich nicht drehen, um Scheuerstellen zu vermeiden.

Arianne Zander von der Waldhausen GmbH & Co KG, rät reinen Geländereitern grundsätzlich zu einer Gamasche mit Hartschale, die weder durch Geländeschwierigkeiten, noch durch einen Tritt so leicht zerstört wird. „Sie bieten im Gelände den besten Schutz, weil auch der Fesselkopf integriert ist.“ Manche Geländefans greifen aber lieber zu Sprung- oder Neoprengamaschen mit speziellen Verstärkungen im Bereich des Fesselkopfs. Für den Außenbereich gibt es außerdem zahlreiche Modelle aus besonders reißfestem, wasserundurchlässigem Textilgewebe.

„Sonntags-Beinkleider“

Mit Lammfell- oder Ledergamaschen ist ein Geländereiter weniger gut bedient. Diese hochwertigen, aber auch hochpreisigen Naturmaterialien sollten nicht durch Matsch und Pfützen geritten werden. Viele Reiter wechseln deshalb zwischen Leder- und Neoprengamaschen, um die teuren „Sonntags-Beinkleider“ zu schonen.

Michael Kaefer von der Werner Christ GmbH allerdings rät auch Geländereitern nicht von seinen Lammfellgamaschen ab: „Sie können ein Vielfaches ihres Eigengewichts an Wasser aufnehmen ohne zu rutschen“, versichert er. Vom funktionellen und medizinischen Aspekt abgesehen, liegt Lammfell auch voll im Trend. Außerdem ist es eine echte Alternative für alle Pferde mit Neoprenallergie.

Überlegen Sie sich vor dem Kauf auch, wie viel Arbeit Sie in die Pflege Ihrer Ausrüstung stecken möchten. Während sich die meisten Hartschalen- und Neoprengamaschen zur Reinigung einfach mit einem Schlauch abspritzen lassen, braucht Leder wesentlich intensivere Pflege.

Bei Neoprengamaschen gelten unterschiedliche Pflegehinweise. Diese reichen von „nicht mit einer Bürste abschrubben“ (bei flauschigem Obermaterial) bis hin zu „bei 30 Grad in der Maschine waschen“. Informieren Sie sich genau über die jeweiligen Herstellerempfehlungen. Klettverschlüsse sollten beim Waschen immer geschlossen werden, um zu vermeiden, dass sie Flusen aufnehmen. Bei einem Verschlusssystem mit Rückführschlaufe kann während des Waschvorgangs eine Socke über die Gamaschen gezogen werden. Lammfell darf ebenfalls bei 30 Grad in die Waschmaschine. Wichtig ist jedoch, ein spezielles Fellwaschmittel verwenden. „Mit einem normalen Waschpulver geht das Fell kaputt“, warnt Michael Kaefer.

Schützen oder stützen?

Viel diskutiert wird in Fachkreisen die Frage, ob Gamaschen das Pferdebein nicht nur schützen, sondern auch stützen. Arianne Zander sieht den tieferen Sinn von Gamaschen jedoch eher im Schutz vor äußeren Einwirkungen. „Eine starke Stützfunktion der Gamasche steht nicht im Vordergrund, damit die Sehnenfunktion nicht beeinträchtigt wird“, sagt sie.

Laut Vera Tesche, kaufmännische Angestellte bei der Gera ferro-plast Radeke GmbH, ist eine Stützfunktion dann vorhanden, wenn der Fesselkopf komplett mit eingeschlossen ist. Dann seien auch der Bandapparat und die Sehnen gestützt. Um die Wahrheit ans Licht zu bringen, nahm der Biomechaniker Dr. Parvis Falaturi im Auftrag einer Pferdezeitschrift Messungen bei drei Pferden vor. Eines war bandagiert, eines trug Gamaschen, eines war völlig „nackt“ am Bein.

„Bei unseren Messungen haben wir festgestellt, dass es keine große Stützfunktion gibt. Zumindest kann nicht nennenswert Gewicht abgefangen werden. Sehne und Bein werden durch Bandagen und bestimmte Gamaschen etwas aneinandergedrückt. Das hat sicherlich eine stabilisierende Funktion für das Röhrbein und kann Linderung verschaffen, wenn ein Pferd ein Sehnenproblem hat.“ Damit werde aber nicht die Gewichtskraft des Pferdes aufgefangen. Das heißt, die normale Druckbelastung, die auf das Pferdebein wirkt, wird nicht verringert.

Die amerikanische Firma Proffessional’s Choice ließ im Jahr 1998 einige ihrer Gamaschen an der Oklahoma State University USA durchchecken. Sieben hochgradige Proffessoren kamen zu einem anderen Schluss als Dr. Falaturi: „Die Professional’s Choice Gamaschen SMB I, SMB LT und SMB II verringerten sie Kraftübertragung ins Pferdebein um 20 bis 30%.“, ist das Fazit der Studie.

Englischpferde mit Western-Gamaschen

Dieses Ergebnis führte auch in Deutschland dazu, dass immer mehr klassische Reiter den Western-Beinschutz aus schlagabsorbierendem Linestone kauften. Die Western-Imports GmbH, die den Deutschland-Vertrieb für Professional’s Choice koordiniert, verkauft mittlerweile rund die Hälfte aller Gamaschen an Englischreiter. „Viele davon sind Dressurreiter, die die Gamaschen zum Training einsetzen. Springreiter weniger, die wollen ja immer etwas, das vorne offen ist.“, sagt Sonja Müller von Western Imports. Nur eines störte die klassichen Reiter an den SMBs: Sie waren ihnen nicht elegant genug. „Viele beschwerten sich, die Gamaschen würden aussehen, wie ein Gipsfuß“, erzählt Sonja Müller. „Deshalb gibt es jetzt ein neues Modell, die ‚Elite-Boots’. Sie sehen insgesamt eleganter und weniger plump aus.“

Nur im farblichen Bereich unterscheiden sich klassische Käufer und Western-Käufer stark: Die einen wollen es dezent, die anderen so knallig wie möglich.

Gamaschen als Therapieinstrumente

Kühl- und Wärmegamaschen können bei der Therapie verschiedener gesundheitlicher Probleme helfen. Kälte verengt die Gefäße und vermindert die Durchblutung. Dadurch können sich weniger Entzündungszellen in dem betroffenen Gewebe ablagern. Die Entzündung wird gehemmt, der Schmerz gelindert. Kühlgamaschen machen daher bei trainingsbedingten Überbelastungen, Sehnen-, oder Gelenkreizungen, Ödemen und Sehnenscheidenentzündungen Sinn.

Wärme hingegen führt zu einer Erweiterung der Blutgefäße. Die verbesserte Durchblutung wirkt schmerzlindernd und heilend, insbesondere bei Durchblutungsstörungen, Prellungen, Verstauchungen, Arthrose und Problemen des Nervensystems.

Die Werner Christ GmbH hat warme Lammfellgamaschen mit Magnetfeldern ausgestattet, um die Durchblutung weiter zu fördern. „Die Gamaschen sind mit kreisförmig angeordneten Zirkularmagneten ausgestattet. Diese versetzen die Ionen im Blut zusätzlich in Bewegung“, erklärt Michael Kaefer. Zum Abklingen von akuten Beschwerden werden die Gamaschen in einem Turnus von je 12 Stunden angelegt. Eine Verbesserung des Krankheitsbildes trete oft schon nach kurzer Zeit ein.

Die Biologic GmbH & Co. KG kombiniert Kälte mit Kompression, was ein Anschwellen des betroffenen Gewebes zusätzlich verhindert. Die Cool+Press® Kombi Gamasche wirkt über ein eingelegtes Kältepad, das jedoch die Haut des Pferdes nicht berührt. Es kann bis zu -18 Grad heruntergekühlt werden. Gleichzeitig sorgt eine pulsierende Kompression für einen Sog-Effekt, der Ödeme und Schwellungen deutlich schneller abklingen lässt. Die Anwendung sollte nicht länger als 20 Minuten dauern, da sonst das Gewebe geschädigt werden könnte. „Das Hauptklientel für dieses Komplettset sind sportorientierte Turnierreiter“, sagt Andreas Knappheide vom Vertrieb der Biologic GmbH & Co. KG. „Nun haben wir aber auch ein günstigeres Einsteigerset ohne Kompression herausgebracht, das sich an die breite Öffentlichkeit wendet.“ Dieses Set könne jederzeit zum „Komplettset“ mit Kompressionsmöglichkeit aufgerüstet werden.

Oder doch Bandagen?

Was früher eine reine Dressurreiter-Angelegenheit war, schwappt seit einiger Zeit auch in den Westernbereich über: In der Showarena sind Bandagen immer mehr im Kommen. Doch was ist nun besser für’s Pferd? Biomechaniker Dr. Parvis Falaturi kann beiden Systemen etwas abgewinnen: „Bei Gamaschen ist es im Gegensatz zu Bandagen nicht so problematisch, wenn man mal fester anzieht. Die meisten Modelle haben da eine hohe Fehlertoleranz. Nur zu große Gamaschen stören das Pferd.“ Die Vorteile von Gamaschen gegenüber Bandagen sind also einfaches Handling und guter mechanischer Schutz.

Er selbst mag Bandagen vor allem deshalb gerne, weil ein geübter Reiter den Druck beim Festziehen regulieren kann. „Manche Kollegen schwören auch darauf, wie gut Bandagen den Fesselkopf unterstützen.“ Dafür bieten sie jedoch keinen deutlichen Schutz beim Anschlagen. Falsch angebracht können sie locker werden und aufgehen, was zu schweren Stürzen des Pferdes führen kann. Im Gelände können sie sich im Gestrüpp verfangen und ebenfalls lösen. Deshalb empfiehlt Dr. Falaturi zum Ausreiten nur Gamaschen.

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