Horn wird von der Haut gebildet, ist ein sogenanntes Hautanhangsgebilde und besteht im Wesentlichen aus Keratin, ein Sammelbegriff für nicht wasserlösliche Fasereiweiße. Je nachdem, wie fest das Endprodukt sein soll, werden diese Fasern untereinander über die Aminosäure L-Cystin quer vernetzt.
Bestes Beispiel für diese Vielseitigkeit sind die Hufe unserer Pferde. Hier überzieht eine feste Hornkapsel, die aus unterschiedlichen Varianten von Horn gebildet wurde, das Hufbein und die dazu gehörenden Strukturen. Teile der Hornkapsel sind sehr fest und kaum wasseraufnahmefähig (Harthorn), andere Bereiche weicher, wasseraufnahme- und quellfähig (Weichhorn). Das Hufhorn wird von der Lederhaut produziert, und zwar im Durchschnitt zwischen 6 und 9 Millimeter monatlich beim ausgewachsenen Pferd.
Und er bewegt sich doch!
Während die ringförmige Hornwand glatt und gleichmäßig ist, offenbart ein Blick auf die Sohlenfläche eine aufwändigere Konstruktion. Mutter Natur hat in die Sohle eine Dehnungsfalte eingebaut – den Strahl mit seinen drei Furchen. Wer genauer hinsieht, erkennt auch eine deutliche Wölbung der Sohlenfläche nach innen. Es lässt sich bei jedem Auffußen feststellen, dass sich der Huf in der Trachtengegend etwas weitet, sich Sohle, Strahl und Ballen in Richtung Untergrund absenken. Gleichzeitig wird der obere, vordere Bereich der Wand leicht gestaucht, während sich im Bereich der Zehe so gut wie nichts tut. Wird der Huf wieder entlastet, federn alle Teile in ihre ursprüngliche Lage zurück. Dieses Phänomen nennt man „Hufmechanismus“. Auf hartem Boden weitet sich der Huf stärker als bei weichem Untergrund. Man weiß heute, dass der Hufmechanismus einen Pumpeffekt hat und dafür sorgt, dass die Durchblutung aller Strukturen im Bereich des ansonsten recht starr konstruierten Hufes gewährleistet ist.
[relatedposts type=’manu‘ ids=’5461,5518,5671′]
Gesundes Pferd, gesunder Huf
Zahlreiche Faktoren nehmen Einfluss auf die Hufgesundheit, vor allem ererbte Anlagen, das Alter des Pferdes, Aufzucht, Haltungsbedingungen, Bewegungsintensität und Ernährung, aber natürlich auch die Maßnahmen von Hufpflege, Hufbeschlag oder Hufkorrektur.
Vor allem Biotin, das Vitamin H, wird gerne bei schlechter Hornqualität oder mangelnder Hornneubildung gefüttert. Biotin spielt bei der Neubildung von Hufhorn eine wichtige Rolle, doch kann im Umkehrschluss nicht gefolgert werden, dass mangelnde Neubildung stets auf einem Biotinmangel beruht. Unsere Pferde sind nicht alleine über die Fütterung meist ausreichend mit Biotin versorgt, sondern haben in den Darmbakterien eine zusätzliche, wenn auch mengenmäßig schlecht einschätzbare Biotinquelle.
Ähnliches gilt für andere Stoffe, die bei der Bildung neuen Horns benötigt werden: Ist kein Mangel für Probleme bei der Hornbildung ursächlich verantwortlich, bessert eine zusätzliche Gabe dieser Stoffe über die Ration die Situation oft nicht! Bei Problemen mit der Hufgesundheit lohnt trotzdem immer ein kritischer Blick auf die Gesamtration. Eine Optimierung der Fütterung sowie die – meist zeitlich begrenzte – Zufütterung eines Biotin-Zusatzfuttermittels (Biotin, essentielle Aminosäuren, Zink, B-Vitamine) oder Bierhefeproduktes kann dann Hilfe bringen.
Gute Pflege
Ob und welche Pflege man dem Huf von außen zukommen lassen sollte, ist selbst unter Fachleuten umstritten. Als relativ sicher gilt: Reines Lorbeeröl kann, mit einer weichen Zahnbürste über lange Zeit täglich auf den Kronrand aufgetragen und einmassiert, das Hufwachstum beschleunigen. Huffett versiegelt den Huf und kann ihn deshalb langfristig austrocknen. Soll Huffett aufgetragen werden, ist der Huf unbedingt vorher gründlich zu durchfeuchten. Hufteer kann durch Aufquellen oder infolge mangelhafter Neubildung empfindlich gewordene Sohlen härten. Er darf nur nach gründlicher Reinigung des Hufes aufgetragen werden! Viele einschlägige Produkte verhelfen zwar dem Huf zu einem schöneren, glänzenden Aussehen, haben aber keine Wirkung auf die Hufgesundheit und können deshalb oft ohne nachteilige Folgen für Huf und Pferd weggelassen werden.
Klassischer und moderner Hufschutz
Im Idealfall entsteht ein Gleichgewicht zwischen Hornneubildung und Abnutzung. Ließe man Mutter Natur freien Lauf, würde sich diese Balance vermutlich in der Mehrzahl aller Fälle von selbst einstellen. Allerdings sind Faktoren wie die Nutzung des Pferdes, extrem hartes oder schmirgelndes Geläuf oder ungünstige Haltungsbedingungen nicht vorgesehen – alles, was den Abrieb verstärkt oder die Hornneubildung reduziert, führt dazu, dass wir die Hufe unserer Pferde schützen müssen.
Wer den klassischen Beschlag mit Hufeisen ablehnt, hat heute die Wahl zwischen zahlreichen alternativen Formen des Hufschutzes. Es stehen inzwischen Materialien und Formen zur Verfügung, die in Haltbarkeit und Nutzungsmöglichkeit dem Eisen entsprechen. So vorteilhaft die innovativen Hufschutzarten sind, so schwierig gestaltet sich oft die Suche nach dem passenden Schmied oder Hufpfleger. Alternative Beschläge sind leider nicht einfacher anzupassen und anzubringen als konventionelle Beschläge. Ganz im Gegenteil: sie verlangen nach einem Fachmann, der damit Erfahrung und für jedes Pferd eine individuelle Lösung parat hat, wie etwa die Huftechniker der Gesellschaft für Huf- und Klauenpflege. Auch traditionell arbeitende Schmiede sind heute immer häufiger bereit, sich mit dieser Materie zu beschäftigen und ihren Kunden alternative Beschläge anzubieten.
Reine Kunststoffbeschläge kommen der Natur wohl am nächsten, können aber nicht immer eingesetzt werden. Bei sehr schlechter Hornqualität, Stellungsfehlern oder anfälliger Huflederhaut kommen therapeutische Varianten dieses Hufschutzes zur Anwendung. Sind die Voraussetzungen günstig, führt der Einsatz reiner Kunststoffbeschläge meist zu einem verbesserten Hornwachstum und zu einem guten Schutz der Sohle auch auf steinigen Wegen.
Eine interessante Kombination der Werkstoffe Eisen und Kunststoff verschafft den Kombi-Beschlägen die Stabilität des Metalls und die Dämpfungseigenschaften des Kunststoffs, was sie insbesondere für arthrosekranke Pferde geeignet erscheinen lässt.
Immer dann, wenn sich ein Aufnageln verbietet, schlägt die Stunde des geklebten Hufschutzes. Bei korrekter Verarbeitung halten geklebte Hufschuhe zwar bombenfest, doch bedarf es dazu einiger Vorbereitungen: Sauber, trocken und vor allem fettfrei muss es zugehen, schon ein wenig Mähnenspray in der Nachbarbox macht alle Bemühungen zunichte!
Eine ausgesprochen praktische Sache sind Hufschuhe, die das Pferd immer nur dann anzieht, wenn es nötig ist – bei der Belastung nämlich. So kann der Vierbeiner barfuss laufen, was den meisten Hufen gut bekommt und erhält nur dann einen Hufschutz, wenn gearbeitet wird. Bei vielen Pferden reicht das völlig aus, da sich ohne Belastung Hornabrieb und Hornwachstum meist die Waage halten.
Eine Innovation, die auch beim traditionell denkenden Hufschmied nur wenige Berührungsängste auslösen dürfte, sind moderne dämpfende Einlagen, die zwischen Huf und Eisen genagelt werden. Sie fangen einen Großteil der schädlichen Schwingungen auf und schonen zudem die Trachten, so dass die Hufachse längerfristig ideal gehalten werden kann.
Barhuf oder nicht?
Pferde mit gesunden, wohlgeformten Hufen, bei denen Intensität und Art der Nutzung es erlaubt, dürfen und sollten barhuf gehen. Hier ist besondere Sorgfalt notwendig: Tägliche Kontrolle und Reinigung der Hufe, tägliches Entfernen aller Steinchen, die sich bevorzugt in die weiße Linie eintreten.
Der Untergrund spielt eine wesentliche Rolle bei der Frage, ob ein Pferd barhuf gehen kann oder nicht. Während sich bei Jungpferden und Zuchtstuten hier in der Regel keine Probleme ergeben, kommt es bei Reitpferden aufgrund der Nutzung oft zu einem Ungleichgewicht zwischen Neubildung und Abrieb. Nicht immer kann die Neubildung durch geeignete Maßnahmen so stark angeregt werden, dass wirklich jedes Pferd barhufig gehen kann. Hier ist Augenmaß gefragt! Häufig wird auch der Abrieb durch scheinbar weiche, aber doch schmirgelnde Untergründe in Halle oder Reitbahn oder bei bewegungsfreudigen Pferden im Offenstall stark unterschätzt. Wer sein Pferd über Monate klamm gehen lässt, weil es durch die dünne Sohle jedes Steinchen fühlt, wer eine Huflederhautentzündung riskiert oder verursacht, verstößt gegen das Tierschutzgesetz – auch wenn sich irgendwann eine neue Balance zwischen Abrieb und Neubildung herstellen sollte, was längst nicht so selbstverständlich ist, wie dies oft dargestellt wird.