Der Schlüssel zur Futtermittel-Geheimsprache und der Grund für die seltsame Ausdruckweise heißt: Weender Futtermittelanalyse. Es handelt sich dabei um ein 1860 entwickeltes standardisiertes Verfahren, nach dem sämtliche Tierfutter bestimmten Analyseschritten unterzogen werden. Im Ergebnis werden dann die Inhaltsstoffe bestimmten Stoffgruppen, sogenannten Fraktionen, zugeordnet. Dieses Verfahren dient bei allen Analysen als Basis, wodurch unterschiedliche Futtermittel gut miteinander verglichen werden können.
Die unberührte Probe des Futtermittels ist die Frischmasse. Diese Frischmasse wird in einem speziellen Ofen bei 103 Grad erwärmt und damit getrocknet. Übrig bleibt die Trockenmasse, auch Trockensubstanz genannt. Der beim Erhitzen entwichene Anteil des Futtermittels wird Rohwasser genannt. Er enthält neben „echtem“ Wasser auch andere, bei dieser Temperatur flüchtige Stoffe, wie etwa Alkohole oder Ammoniak.
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Ein weiterer Schritt führt zur Trennung des Futtermittels in zwei Hauptgruppen: Organische und anorganische Masse. Dazu wird die Probe in einem Muffelofen bei über 500 Grad verascht. Durch diese hohe Temperatur verbrennt das gesamte organische Material. Übrig bleibt die Rohasche. Sie besteht aus Mineralstoffen und Spurenelementen, aber auch aus Verunreinigungen (Sand, Erde).
Der Anteil der Probe, der sich aus der organischen Masse mit Fettlösungsmitteln herauslösen lässt, wird Rohfett genannt. Darin enthalten sind Fette sowie fettähnliche Stoffe wie etwa fettlösliche Vitamine oder Wachse. Interessant ist diese Fraktion vor allem wegen ihrer Bedeutung als Energielieferant, denn Fett ist ein wichtiger Brennstoff.
In einem weiteren Analyseschritt wird der Stickstoffgehalt der Probe ermittelt, aus dem sich der Rohproteingehalt eines Futtermittels mit hoher Genauigkeit bestimmen lässt. In dieser Fraktion finden wir Proteine, aber auch stickstoffhaltige Stoffe. Eiweiße sind wichtige Baustoffe etwa für Muskeln und innere Organe, können aber auch als Brennstoffe verwendet werden.
Abschließend wird noch der Rohfasergehalt ermittelt. Diese Fraktion enthält vor allem die Baustoffe der Pflanzen, also Cellulose, aber auch Lignin (= Holzstoff) oder Pektine (Schleimstoffe). Die letzte Fraktion wird rechnerisch ermittelt: Trockenmasse minus Rohprotein minus Rohfett minus Rohfaser ergibt die Stickstofffreien Extraktstoffe (NfE). Ein Begriff, hinter dem sich Inhaltsstoffe wie lösliche Zucker, Stärke und andere verbergen. Die NFe sind wichtige Brennstoffe im Pferdeorganismus.
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Roh – Wieso?
In den Fraktionen sind nicht chemisch ähnliche Stoffgruppen zusammengefasst, sondern die bei den Analyseschritten gleich reagierenden Bestandteile. Siehe Rohwasser: Chemisch gesehen bestehen zwischen Wasser und Alkoholen erhebliche Unterschiede, gemeinsam ist aber die physikalische Eigenschaft, bei der angelegten Temperatur flüchtig zu sein. Deshalb „roh“, nicht als Gegenteil von „gekocht“ oder „gar“, sondern eher in der Bedeutung von „grob“.
Um die Sache noch ein wenig komplizierter zu machen, finden wir weitere Begriffe: So ist unter „verdauliches Rohprotein“ (verd. RP) der für das Pferd verdauliche, also tatsächlich auch nutzbare Anteil der Rohprotein-Fraktion zu verstehen. Für uns Pferdehalter eine wichtige, weil genauere Angabe als einfach nur Rohprotein. Ebenso sagen uns Begriffe wie Rohfett oder NfE nicht viel, obwohl wir wissen, dass sich dahinter die Hauptenergielieferanten für das Pferd verbergen. Besser einschätzbar ist die Angabe der verdaulichen Energie, die manche Hersteller zusätzlich auflisten. Für die Auswahl eines geeigneten Futtermittels sind vor allem Angaben zum Energie- und Eiweißgehalt wichtig.
Misch-Masch
In einer weiteren Auflistung finden wir bei Mischfuttermitteln die Gemengteile aufgeführt. Hier wird angegeben, aus welchen Bestandteilen (also etwa Gerste oder Luzernegrünmehl) das Futtermittel gemischt wurde, beginnend mit dem Futter mit dem höchsten Mengenanteil. Auch Hinweise über eine eventuelle Aufbereitung der Einzelfuttermittel, wodurch deren Verdaulichkeit erhöht wird, finden wir hier. So kann man bei Gerste, Hafer oder Mais zusätzliche Angaben wie „gewalzt“, „gebrochen“ oder „gepoppt“ finden. Bei manchen Herstellern finden wir prozentuale Angaben, die eine bessere Einschätzung erlauben. So kann der Käufer auf einen Blick sehen, wie groß genau der Anteil wertvoller oder weniger hochwertiger Bestandteile ist.
Bei der Vielzahl an möglichen Futtermitteln ist eine objektive Beurteilung für den Laien eher schwierig, er müsste jedes angegebene Gemengteil zuordnen und bewerten können, was schon aufgrund der teilweise unvermeidlichen Fachsprache nicht einfach ist. Auch die Namen der verwendeten Futtermittel sorgen oft eher für hoch gezogene Augenbrauen als für fallende Groschen: Was ist von Topinamur-Essenz zu halten? Ist Treber dasselbe wie Trester? Wie gut oder schlecht ist Haferschälkleie im Vergleich mit Weizenkleie?
Abhilfe schaffen sollen Fütterungsempfehlungen sowie weitere Informationen des Herstellers. Sie dürfen lediglich als Richtschnur, nicht als feste Größe angesehen werden, denn sie können Faktoren wie Alter, Temperament, Rassezugehörigkeit, individuelle Veranlagung oder Menge und Futterwert der Grundfuttermittel kaum adäquat einbeziehen!
Wichtig sind Hinweise auf die Gruppe von Pferden, für die dieses Futtermittel gedacht ist: Zuchtpferde, Fohlen und Jungpferde, Reitpferde oder Senioren haben völlig unterschiedliche Anforderungen an ihre Ration und das betrifft natürlich auch das Kraftfutter. Außerdem wichtig: Damit es nicht zu einer versehentlichen Überdosierung von Mengen- oder Spurenelementen oder Vitaminen kommt, finden Sie bei manchen Zusatzfuttermitteln Hinweise auf Obergrenzen oder möglichen Gefahren durch den gleichzeitigen Einsatz etwa zweier Zusatzfuttermittel.
Die Frage nach der Funktion
Nach ihrer Funktion im Körper lassen sich die Nahrungsbestandteile in Nährstoffe, Mineralien und Wirkstoffe einteilen, wobei die Nährstoffe am interessantesten sind. Sie liefern sozusagen das Benzin, das Getriebeöl und die Ersatzteile für den Motor „Organismus“.
Die Kohlenhydrate spielen eine wichtige Rolle in der Energieversorgung des Körpers. Der bedeutendste und zentrale Vertreter dieser Stoffgruppe, die Glucose, ist Ihnen sicher als „Blutzuckerspiegel“ geläufig: Ständig bevorratet der Organismus eine bestimmte Menge oder, besser gesagt, eine festgelegte Konzentration dieses Zuckers im Blut und deckt daraus den aktuellen Energiebedarf. Außerdem kann Glucose in verketteter Form als Glykogen, in der Muskulatur und der Leber gespeichert und bei Bedarf freigesetzt werden. Die Kohlenhydrate verstecken sich in der Weender Analyse hinter den Fraktionen der NfE und der Rohfaser, einmal als leicht verdauliche Zucker, zum anderen als schwer angreifbare Gerüststoffe.
Auch die Gruppe der Fette mischt im Energiestoffwechsel mit, sie stellen aber einen eher langfristig orientierten Speicher dar. Wann immer mehr Energie gefüttert wird, als der Körper aktuell benötigt, wird sie in Form von Fett gespeichert. Fett kann aber auch am Bau von Körperstrukturen beteiligt sein, dann nennt man es Baufett. Baufett findet sich etwa im Mähnenkamm und im Bereich der Augenhöhle. Liegt der aktuelle Energiebedarf über der gefütterten Menge, kommt es also zu einem Defizit, baut der Körper zunächst das Glykogen ab und greift dann die Fettdepots an.
Die Eiweiße schließlich bilden den Hauptbestandteil der Muskulatur und der inneren Organe des Körpers. Sie bestehen aus unterschiedlich langen und verschieden zusammengesetzten Ketten von Aminosäuren, deren wichtigste Vertreter beim Pferd Lysin, Methionin und Tryptophan heißen. Die Hauptaufgabe der Eiweiße oder Proteine liegt zwar im Aufbau von Körperstrukturen, aber auch sie können zur Energiegewinnung eingesetzt werden. Dies geschieht allerdings nur im Notfall, da die Umsetzung wenig effektiv und für den Stoffwechsel recht belastend ist.
Weiter geht’s!
Weiterführende Literatur hilft bei der praktischen Fütterung und gibt Auskunft nicht nur über die verschiedenen Futtermittel, über die besonderen Bedürfnisse verschiedener Alters- oder Nutzungsgruppen, sondern auch über die korrekte Berechnung einer Futterration. Dabei wird zunächst der genaue Bedarf des Pferdes mathematisch ermittelt und dann mit Menge und Zusammensetzung der gereichten Futtermittel abgeglichen. Das allerdings ist recht kompliziert und (zeit)aufwändig. Einfacher wird es mit Programmen, die teilweise auch im Internet kostenlos genutzt werden können. Sie helfen dabei, mit geringem Aufwand Rationen korrekt zu gewichten und Fütterungsfehler zu vermeiden. Sie wissen schon: Liebe geht durch den Magen, auch wenn´s ein Pferdemagen ist.