Während sich die Erste Hilfe beim Menschen vorwiegend mit Unfallsituationen im Straßenverkehr beschäftigt, geht es im Umfeld des Reitsports auch um Erkrankungen des Pferdes, die unser schnelles Eingreifen und richtiges Handeln erforderlich machen. Erste Hilfe kann bedeuten, dem erkrankten Pferd seine Lage zu erleichtern, bis fachmännische Hilfe eintrifft. Erste Hilfe kann heißen, in einer belastenden Situation das Richtige zu tun, weil man sich gedanklich auch mit unschönen Themen beschäftigt hat. Erste Hilfe kann darin bestehen, im Notfall innerhalb kürzester Zeit alles für den dringend nötigen Kliniktransport beisammen zu haben. Und Erste Hilfe kann meinen, sich im Vorfeld abzusichern, schlau zu machen, vorzubereiten. Aufgabe der Ersten Hilfe ist in erster Linie, Schlimmeres zu verhüten, und das tun Sie auch durch entsprechende Vorkehrungen, die im Notfall schnell greifen und die Zeit bis zur effektiven Hilfeleistung verkürzen.
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Erste Hilfe fürs Pferd
Laden Sie den Tierarzt Ihres Vertrauens ein, einen kleinen Kurs in Erster Hilfe für Pferde bei Ihnen abzuhalten. Genügend Interessenten finden sich bestimmt und bei der Gelegenheit kann er Sie sicher auch beraten, was alles in einen Erste Hilfe Kasten für Pferde gehört und in welchem Fachbuch Sie sich schlau lesen können.
Erste Hilfe Kasten
Gibt es in Ihrem Stall einen Erste Hilfe Kasten oder, besser noch, gleich zwei – einen für den Reiter, einen fürs Pferd (nicht zu verwechseln mit der Stallapotheke)? Ist er so untergebracht, dass er leicht zu finden ist und stets zugänglich ist? Wird der Inhalt regelmäßig überprüft und notfalls ergänzt oder ausgetauscht?
Wissen
Kennen Sie, kennt jeder im Stall nach dem Kurs, nach der Lektüre des Fachbuchs die wichtigsten Krankheitsanzeichen beim Pferd und wie Sie zu deuten sind? Ist jeder in der Lage, Puls, Atmung und Temperatur korrekt zu messen, um die so gewonnenen Informationen telefonisch dem Tierarzt mitteilen zu können? Ihr Tierarzt freut sich über diese Angaben, denn damit kann er besser abschätzen, wie eilig es ist, was Sie vielleicht bis zu seinem Eintreffen tun können oder wie schwerwiegend die Erkrankung ist.
Anwendung
Können Sie nicht nur Notverbände anlegen und andere, klassische Maßnahmen der Ersten Hilfe einleiten, sondern sind Sie auch versiert im Anwenden dessen, was so unschön „Zwangsmaßnahme“ genannt wird? Im Notfall müssen Sie Ratzfatz eine Nasenbremse anlegen und halten, damit der Tierarzt Ihr Pferd auch in belastenden Situationen gefahrlos untersuchen kann.
Info
Hängen Sie im Stall gut sichtbar einen Zettel mit den Telefonnummern aller Pferdebesitzer, des Stallbetreibers, der Tierärzte, mindestens einer Tierklinik und aller Besitzer von Hänger und Zugfahrzeug auf. Halten Sie schriftlich fest, was im Ernstfall entschieden werden muss oder welche Informationen der behandelnde Tierarzt unbedingt braucht. Hinterlegen Sie diese Informationen in einem Umschlag vorne im Equidenpass und versehen Sie ihn mit einem deutlichen Hinweis an den behandelnden Tierarzt, damit er auch in Ihrer Abwesenheit informiert wird.
Transport
Halten Sie im Stall alles bereit, was sie für den schnellen Transport eines Pferdes in eine Klinik benötigen (Transportgamaschen etc.).
Was tun?
Krankheit, Verletzung und Tod ziehen oft eine Art stallinternen Katastrophentourismus nach sich. Schicken Sie konsequent jeden weg, der nicht wirklich gebraucht wird, in erster Linie aber alle Kinder und Jugendlichen. Bei Unfällen denken Sie immer zuerst an die Eigensicherung! Sie können nicht mehr helfend eingreifen, wenn Sie selbst auch noch verletzt werden. Auch bei ernsthaften Erkrankungen müssen Sie damit rechnen, dass sich Ihr Pferd nicht wie gewohnt verhält, dass es unvermittelt ausschlägt, sich niederwirft, steigt oder zusammenbricht. Auch dies kann Sie und andere ernsthaft gefährden.
Wenn es ernst wird
Ihr Pferd weist Anzeichen einer Erkrankung auf. Sie müssen nun schnell entscheiden, was zu tun ist: Ist sofortiges Eingreifen nötig oder können Sie in Ruhe erst einmal abwarten, wie sich die Dinge entwickeln (etwa bei einer leichten Lahmheit)? Rufen Sie besser gleich den Tierarzt, so beschreiben Sie knapp und genau die Symptome und übermitteln Sie die Werte für Puls, Atmung und Temperatur, die Sie zuvor erhoben haben.
Beim gesunden, ruhenden Pferd liegt der Puls bei 28 – 40 Schlägen pro Minute. Er wird entweder mit dem Stethoskop direkt über dem Herz (linke Rumpfseite, unmittelbar hinter dem Ellbogen) gemessen oder an einem gut tastbaren Gefäß, das Sie mit den Fingerbeeren innen an der Stelle finden, wo der Unterkiefer eine leichte Einbuchtung aufweist. Messen Sie in beiden Fällen nur 15 Sekunden lang und multiplizieren Sie das Ergebnis mit vier. Die Atemfrequenz erkennen Sie an den Flankenbewegungen des ruhig stehenden Pferdes oder, indem Sie die Handinnenfläche vor die Nüstern halten. Auch hier 15 Sekunden lang messen und mit vier multiplizieren. Das Ergebnis sollte zwischen 12 und 16 Atemzügen pro Minute liegen. Die Körperinnentemperatur messen Sie, am besten mit einem digitalen Thermometer, im Anus. Bitte nur etwa zur Hälfte einführen und festhalten oder über Schnur und Wäscheklammer sichern! Die Körpertemperatur des ruhenden Pferdes liegt normalerweise zwischen 37 und 38 Grad.
Müssen Sie damit rechnen, dass Ihr Pferd zügig in die Klinik verbracht werden muss, sollten Sie frühzeitig entsprechende Vorkehrungen treffen. Steht es so schlecht um Ihr Pferd, dass Sie mit dem Schlimmsten rechnen, sollten Sie ebenfalls überlegen, wie Sie mit dieser Situation umgehen wollen. Lässt die Art der Krankheit vermuten, dass auch andere Pferde betroffen sind – etwa bei Anzeichen einer Vergiftung – müssen Sie auch dafür sorgen, dass diesen geholfen wird – indem sie beispielweise auf eine andere Weide umgetrieben werden oder das Heu entzogen wird.
Ist Ihr Pferd verunfallt, tauchen zunächst andere Fragen auf: Muss ich mich nach der Eigensicherung um menschliche Verletzte kümmern oder ist ein Unfallort abzusichern, bevor ich nach meinem Pferd sehen kann? Wie viele Zwei- und Vierbeiner sind am Unfall beteiligt und benötigen Hilfe und wie ist der Zustand der betroffenen Personen? Gibt es unverletzte oder unbeteiligte Personen, die mir beistehen können? Wie nehme ich Verbindung zum Rettungsdienst, aber auch zum Tierarzt, zur Klinik, zum Heimatstall auf?
Eins nach dem anderen
Im Notfall verschaffen Sie sich zunächst einen groben Überblick über die Lage und verständigen Einsatzkräfte, falls dies notwendig sein sollte, kümmern sich dann um zweibeinige Kranke und Verletzte zuerst oder übertragen diese Aufgabe jemandem, der dies besser kann als Sie und schätzen Sie ab, was vor Ort nun zu tun ist und überlegen, welche Unterstützung Sie brauchen. Erst dann schicken Sie erst jeden weg, der nicht gebraucht wird, rufen den Tierarzt, der das Pferd auch sonst betreut oder den nächsten, erreichbaren Tierarzt und verständigen eventuell die Klinik wenn klar ist, dass eine Einweisung erforderlich ist. Leisten Sie Erste Hilfe oder erleichtern Sie dem Pferd die Situation (Eindecken, Führen, Polster unter den Kopf legen) und treffen Sie Vorkehrungen bzw. lassen Sie sie treffen, die für die sich nun hoffentlich bald anschließende Diagnose und Behandlung notwendig sind oder machen Sie Gespann und Pferd transportfertig.
Auch bei einer Einweisung in die Klinik wird das Pferd häufig erst vor Ort notversorgt (Verband, Nasenschlundsonde, Infusion …), damit es in einem möglichst guten Zustand in der Klinik eintrifft. Nur wenn kein Tierarzt kurzfristig abrufbar ist und es offensichtlich um Minuten geht, fahren Sie sofort.
Übrigens
Es sollte selbstverständlich sein, dass Ihr Pferd umgehend untersucht und behandelt werden darf, auch wenn Sie einmal nicht erreichbar sind und nicht selbst Ihr Einverständnis geben oder die nötigen Schritte einleiten können. Umgekehrt gilt das natürlich auch für den Fall, dass Sie selbst zugegen sind, wenn ein fremdes Pferd Ihre Hilfe benötigt und Sie dessen Besitzer nicht zeitnah verständigen können. Das können, dürfen und sollten Stallkollegen oder Stallbetreiber füreinander tun. Rechtlich gesehen ist es möglich, für jemand anderen den Auftrag an den Tierarzt zu erteilen, wenn dies vermutlich im Interesse des Tierbesitzers ist. Einfacher für alle Beteiligten ist, wenn ein solches Einverständnis auch schriftlich erklärt und an zugänglicher Stelle aufbewahrt wird. So weiß jeder Bescheid und kann ohne langes Überlegen und Zweifeln Hilfe holen. Nicht auszudenken, wenn sich im Stall ein Pferd vor Kolikschmerzen krümmt und die Zweibeiner darüber diskutieren, ob man es nun in die Klink bringen darf oder nicht ….