Offenstallhaltung für alle Pferde

weiden-mit-unterstaendenBei einem Offenstall unterscheiden wir einen überdachten Bereich, den eigentlichen Stall, und einen Auslauf ohne Bedachung. Im Stallbereich gibt es eine Liegemöglichkeit und meist ist dort auch die Futterraufe vorgesehen. Alle Pferde können frei wählen, wo sie sich aufhalten. Sind Pferde gruppenweise in einem Offenstall untergebracht, spricht man auch von „Gruppen-Auslaufhaltung“. Auch eine Einzelhaltung im Offenstall ist möglich oder eine Aufstallung mit Box und angeschlossenem Auslauf, bei der das Pferd kontrolliert Zugang zum Paddock erhält. Dabei handelt es sich aber streng genommen, nicht um eine Offenstallhaltung.

Um zu verstehen, wie ein Offenstall korrekt gemanagt werden sollte, sieht man sich am besten die Lebensbedingungen von Wildpferden an, denn unsere Hauspferde unterscheiden sich auch nach vielen Jahrhunderten der Domestikation kaum von ihren wilden Vorfahren. Wildpferde leben in Familienverbänden, die in der Regel aus einer Altstute und ihren weiblichen Nachkommen sowie dem jüngeren männlichen Nachwuchs und einem Haremshengst besteht. Ältere männliche Nachkommen werden vom Althengst vertrieben und schließen sich zu Junggesellenherden zusammen. Von einem jüngeren Konkurrenten vertriebene Althengste leben oft alleine und schließen sich keinem Junggesellenverband an.

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Gleich und gleich

Pferde aller Rassen, Reitweisen und Einsatzgebiete haben dieselben Bedürfnisse und Ansprüche. Die so oft beschworenen Unterschiede zwischen Freizeitpferden und Sportpferden existieren in der Realität nicht. Die eingestellten, im großen Sport aktiven Pferde zeigten keinerlei Leistungseinbußen, sondern waren so erfolgreich wie zuvor. Etwas höhere Futterkosten durch gestiegenen Raufutterbedarf wurden mehr als aufgewogen durch einen Rückgang an Tierarzthonoraren. Es wurden wesentlich weniger Erkrankungen insgesamt verzeichnet und erkrankte Pferde genossen schneller als zuvor.

Entscheidend für den Erfolg ist das professionelle Management einer solchen Haltung und das beginnt bei der Zusammenstellung der Gruppen.

Ideal sind folgende Kombinationen:

  • reine Stutenherden,
  • reine Wallachherden,
  • in Zuchtbetrieben Herden aus Stuten, ihren diesjährigen Fohlen sowie einem Deckhengst,
  • Absetzergruppen, die nach dem ersten Winter schön nach Männlein und Weiblein getrennt werden,
  • nach Geschlecht getrennte Jährlingsgruppen und
  • nach Geschlecht getrennte Jungpferdegruppen der älteren Jahrgänge.

Gruppenleben

Soweit das Ideal, das sich weitestgehend an die Verhältnisse in freier Wildbahn anlehnt, aber eben auch die Bedürfnisse des Menschen berücksichtigt. Die allerdings in vielen Offenstallbetrieben praktizierte gemischte Haltung von Stuten und Wallachen führt dagegen oft zu dauernder Unruhe und ernsthaften Auseinandersetzungen, da die unmittelbare Anwesenheit von Stuten den echten Mann im Wallach wiedererweckt – es kommt zu Kämpfen und Eifersüchteleien. Besser ist die sorgfältige Trennung von Männlein hier, Weiblein dort – die Damen werden untereinander zicken, die Wallache raufen, aber alles in Maßen.

Stutenherden sind übrigens untereinander oft unverträglicher als Wallachgruppen, sodass auf derselben Grundfläche mehr Wallache als Stuten gehalten werden können. Hengste sind, sofern keine Stuten unmittelbar daneben aufgestallt sind, oft wesentlich verträglicher untereinander oder mit Wallachen als es die verbreitete Mär vom Hengst als testosterongebeuteltem Supermacho vermuten lässt.

Senioren sind oft ebenfalls in einer gemischten Herde nicht optimal untergebracht, sie gehören mit Altersgenossen in einer kleinen Senioren-WG vergesellschaftet. Eine Einzelhaltung ist aber zu vermeiden, da auch der Senior soziale Kontakte und Bewegungsanreize braucht.

Günstig wirkt sich auf das Zusammenleben eine möglichst geringe Fluktuation aus. Jeder Weggang, jeder Neuzugang eines Herdenmitglieds bringt die gewachsene Struktur der Herde durcheinander, beendet jahrelange, stabilisierende Freundschaften und führt dazu, dass die Karten der Rangfolge neu gemischt werden müssen, was nicht ohne Auseinandersetzungen abgeht.

Platz zum Leben

Wie groß ein Offenstall sein muss, wie viel Platz dem einzelnen Pferd jeweils statistisch zur Verfügung stehen sollte, lässt sich pauschal nicht verbindlich sagen. Zwar sind in Fachbüchern entsprechende Angaben zu finden, ihre Aussagekraft ist aber begrenzt. Jungpferdeherden brauchen mehr Platz als ältere Kollegen, lauffreudige Rassen benötigen mehr Freiraum als ruhigere Vertreter, große Pferde mehr als kleine, Stuten und Hengste mehr als Wallache. Entscheidend ist weniger das Raumangebot sondern die Raumaufteilung: Ist der Stall so konzipiert, dass jedes Pferd zu jeder Zeit den bevorzugten Ort aufsuchen kann? Hat jeder Platz an der Futterkrippe, kommt jeder ans Wasser, findet jeder ein gemütliches Plätzchen zum Schlafen, ein schattiges Fleckchen zum Dösen? Oder werden die kleinen, körperlich schwachen, alten oder zurückhaltenden Pferde vom Futter, Wasser, Schlafplatz verdrängt und müssen beim schlimmsten Wetter im Regen stehen?

Gute Offenställe sind so konstruiert, dass sie Ausweichbewegungen ermöglichen und unterstützen. Alle Funktionsbereiche müssen untereinander mit großen Zugängen vernetzt sein, tote Winkel und enge Ecken darf es nicht geben, Raumelemente müssen jederzeit die Flucht „um die Ecke“ ermöglichen.

Gemütlich ist es hier

Der Auslaufbereich muss hygienisch einwandfrei, wenig aufwändig zu pflegen und trittsicher sein. Gepflasterte Untergründe haben den Vorteil, dass sie auch bei großen Gruppen leicht zu reinigen sind, es spielt und schläft sich aber schlecht darauf.

Im Innenbereich sind wind – und wettergeschützte Liegeflächen einzurichten. Der Untergrund muss trocken, sauber und warm sein und sollte das Aufstehen und Niederlegen unterstützen. Zwar gilt Matratzenstreu als „pfui“, in der Praxis kommt man aber oft nicht umhin, aufgrund ständig steigender Preise für Stroh und andere Einstreu eine Matratze einzurichten. Da der Offenstall gut belüftet ist, sollte es bei gutem Management nicht zur Entwicklung einer nennenswerten Schadgasbelastung kommen.

Gummimatten und vergleichbare Unterlagen im Innenbereich sind zwar teuer,bringen aber viele Vorteile mit sich. Sie sind sehr gut zu reinigen, bei Umbauten jederzeit ohne Verlust entnehmbar, halten von unten warm und können mit einer Auflage aus Spänen oder Stroh aufgewertet werden. Nicht alle Produkte sind bei Nässe rutschfest, was insbesondere bei älteren Pferdesemestern Probleme mit dem Aufstehen und Niederlegen gibt.

Dies und Das

Der Fütterung kommt bei der Offenstallhaltung eine besondere Bedeutung zu. Oft wird es insbesondere bei größeren Gruppen nicht gelingen, alle Pferde in einen gleichmäßig guten Futterzustand zu bringen, es wird immer ein paar zu schmale und einige zu dicke in der Gruppe geben, wenn nicht gegengesteuert wird. Es hat sich deshalb bewährt, zwar das Raufutter der ganzen Gruppe vorzulegen, aber jedem Pferd einzeln nach dem Training das Kraftfutter individuell zuzuteilen. So kann die Portion täglich neu auf die geleistete Arbeit abgestimmt werden und fallweise durch Heucobs und andere Raufutter ergänzt werden.

Wo immer sich dies einrichten lässt, sollten alle Pferde zumindest stundenweise Weidegang erhalten. Dazu sollten die Gruppen nicht getrennt werden. Günstig sind Treibgänge zwischen Stalltor und Weide, durch die alle Pferde stressfrei getrieben werden können. Das minimiert die Unfallgefahr und den Arbeitssaufwand.

Ein großes Plus in jeder Offenstallanlage sind beheizbare Tränken. So entfällt bei Minustemperaturen der sonst unvermeidliche Ärger mit eingefrorenen Tränken und durstigen Pferden. Achtung: Die Frostsicherheit ist nur bis zu einer bestimmten Temperatur gewährleistet und in ausgesetzten Lagen können bei starkem Wind sogar diese Grenzwerte nachts unterschritten werden!

Wo dies möglich ist, sollte der Stall so konzipiert sein, dass er nach der Wetterseite geschlossen ist, nach Süden aber offen, wobei ein tief gezogenes Dach für ausreichend Sonnenschutz sorgt. So werden Wind und Nässe vom Stallinneren ferngehalten, alle Pferde können sich geschützt unterstellen, aber trotzdem vor allem im Winter die Sonne genießen.

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