Pferdestall optimal planen und einrichten

Horse eat in farmImmer noch wird die Mehrzahl aller Pferde so aufgestallt, dass ihre Grundbedürfnisse nicht einmal näherungsweise erfüllt werden. Schuld daran sind nicht etwa böse Reiter, die ihre Vierbeiner bewusst einem lebensfeindlichen Umfeld aussetzen, sondern Unwissenheit und das Vorherrschen einer zu menschlich ausgerichteten Sichtweise beim Pferdehalter. Sprich: Entweder kennt der Pferdefreund die pferdetypischen Bedürfnisse nicht oder er überträgt eigene Wünsche und Vorstellungen von Sicherheit und Komfort aufs Pferd – was verkennt, dass Menschen und Pferde eben grundverschiedene Bedürfnisse haben.

Wie wollen Pferde leben

Um unseren Pferden einen ihren spezifischen Bedürfnissen, der Gesetzgeber spricht hier von „artgerechten“,  entsprechenden Lebensraum bieten zu können, müssen wir unsere Pferde als grundverschieden von uns selbst erkennen und möglichst viel über ihre pferdetypischen Bedürfnisse und Vorlieben in Erfahrung bringen.

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Wie also wollen Pferde leben? Dazu muss man sich zunächst näher mit dem beschäftigen, was für unsere Pferde zu einem erfüllten Leben dazu gehört. Wer Pferde wirklich liebt, nimmt sie mit allen ihren arttypischen und individuellen Eigenschaften an und wird sich über ihre wichtigsten Bedürfnisse informieren. Nicht zufällig gehört dieses Wissen zum Prüfungsstoff des „Basispass Pferdekunde“, einem Abzeichen, gedacht für die Jüngsten unter unseren Pferdefreunden.

Die allen Pferden gemeinsamen Bedürfnisse sind schnell aufgezählt. Pferde brauchen unbegrenzt viel frische Luft, natürliches Licht und Anregung für freie Bewegung und unbegrenzten direkten Kontakt mit Artgenossen, um sich wohl zu fühlen.

Frische Luft auch im Pferdestall

Frische Luft ist bewegt, unbelastet von Schadgasen. Im Stall sollte sie weitgehend staubfrei sein und ihre Temperatur folgt den Außenwerten. In einem geschlossenen Stall sammeln sich durch die Atmung und die Ausscheidungen der Pferde Schadgase von Kohlendioxid bis Ammoniak an, die Luftfeuchtigkeit ist hoch, die Luft (wegen des Schreckgespenstes „Zugluft“) so gut wie unbewegt und zudem viel zu warm. Die Folgen für das Pferd sind mangelnde Leistungsfähigkeit, chronische Atemwegserkrankungen und ein ungeübtes Thermoregulationssystem, das dann wirklich vor dem lauesten Lüftchen kapituliert.

Licht weckt die Lebensgeister

Licht heißt am besten Sonnenlicht pur. Keine Dämmerstimmung im trüben Stall, erhellt von ein paar Glühbirnen oder allenfalls durch verdstaubte und womöglichst  stets verschlossenen Fensteröffnungen in die Box dringendes Tageslicht. Sonnenlicht nimmt direkten Einfluss auf das Fruchtbarkeitsgeschehen, auf die Immunabwehr, die Bildung stabiler Knochenstrukturen und nicht zuletzt auf die Psyche unserer Pferde. Auch an bewölkten, für unser Empfinden grauen, trüben Tagen ist diese Wirkung nachweisbar. Der Aufenthalt im Freien ist deshalb für die Gesundheit, Belastbarkeit und das Wohlbefinden aller Pferde von entscheidender Bedeutung.

Bewegung bringt Schwung in den Körper

Bewegung im Sinne einer artgerechten Fortbewegung bedeutet nicht etwa eine halbe bis eine Stunde Arbeit unter dem Sattel, sondern stundenlanges, langsames Gehen im Schritt. Genau dies hat die Natur für unsere Pferde vorgesehen: Als steppenbewohnende Grasfresser legten die Vorfahren unserer domestizierten Pferde täglich bis zu dreißig Kilometer im langsamen Weideschritt zurück, dabei mit tiefem Kopf im Ausfallschritt grasend. Bis zu 16 Stunden verbrachten sie so in langsamer Bewegung, nur auf der Flucht, bei Auseinandersetzungen innerhalb der Herde oder beim Spiel wurden ein bis zwei Gänge hoch geschaltet. Fehlt diese stundenlange, gemütliche Fortbewegung, leiden insbesondere die Gelenke und die Muskulatur wird abbauen. Auch der Kreislauf und der Verdauungstrakt unserer Pferde benötigen für ihre ungestörte Funktion viele, über den Tag verteilte, kleine Bewegungsimpulse.

Kontakt in der Herde stärkt die Psyche

Kontakt zu Artgenossen darf sich nicht auf Nasen- und Sichtkontakt durch ein Eisengitter beschränken. Ein Großteil ihrer Verhaltensmuster kann nur im unmittelbaren Kontakt mit Artgenossen ablaufen und ist zudem oft an Bewegung gebunden. Welche Qualen die erzwungene Untätigkeit für ein einsames Pferd bedeutet, ist dem Besitzer eines solchen Tieres meist überhaupt nicht bewusst, da die Vergleichsmöglichkeiten fehlen. Nur wer Gelegenheit hat, Pferde in einem annähernd natürlichen Lebensumfeld ausgiebig zu beobachten, kann den Stellenwert sozialer Kontakte ermessen.

Brauchen Pferde einen Offenstall

Das fordern radikale Pferdefreunde unisono: Ausnahmslos alle Pferde, ausdrücklich also auch Hengste und Sportpferde, können und sollten im Offenstall leben dürfen, möglichst im Herdenverband.

Doch nur einige, wenige Betriebe mit Vorbildfunktion praktizieren diese einzig wirklich „artgerechte“ Haltungsform. Vor allem bei den Pferden, für die ihre Besitzer so gerne eine Sonderrolle beanspruchen wollen, bei Sportpferden wird es besonders schwierig. Das Turnierpferd, so wird immer gerne argumentiert, lasse sich nicht im Offenstall halten. Viel besser sei das wertvolle Leistungspferd in einer warmen, sicheren Box untergebracht, in der es sich von den Anstrengungen des Trainings erholen könne, nicht von unleidlichen Artgenossen gepiesackt werde und die Pflege genieße, die ein Hochleistungssportler eben brauche.

Natürlich muss auch die Offenstallhaltung bestimmten Ansprüchen genügen, um sich wirklich das Prädikat „Besonders Pferdegerecht“ zu verdienen. Gerade die verbreitete Offen-Schmuddel-Stallhaltung bringt die ernsthaften Vertreter artgerechter Haltungsformen immer wieder in Verruf. Magere Rösser, die knietief im Matsch stehen und Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert sind, fast ausschließlich Stroh zu beißen kriegen, sind ein Fall für den Tierschutz.

Ob artgerecht oder nicht, entscheidet der Mensch

Nur bei sachgerechter Offenstallhaltung treten Probleme wie Erkrankungen, Verletzungen und Verspannungen nicht häufiger, sondern signifikant seltener auf als bei Boxenhaltung.  Artgerechte Haltung verlangt nach Sachverstand, nach Wissen und Erfahrung. Fortbildungen, Fachbücher und vorbildliche Betriebe liefern Anschauungsmaterial aus erster und zweiter Hand. Und so ist letztendlich der Mensch, der Pferdebesitzer oder Stallbetreiber der entscheiden muss, wie artgerecht sein Stall sein soll.

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