In seiner Heimat, den USA, ist Mark Rashid als Horseman der besonderen Art bekannt, aber auch bei uns stoßen seine Bücher auf Begeisterung. Mark Rashid arbeitet seit seinem zehnten Lebensjahr mit Pferden. Damals traf er einen „alten Mann“, wie er ihn in seinen Büchern stets bezeichnet, der ihm beibrachte, MIT Pferden zu arbeiten, nicht GEGEN sie. Auch in Deutschland gab Mark Rashid einige Kurse und hinterließ bleibende Eindrücke. „Nachdem was ich hier gehört habe, kann ich nicht einfach weiter machen wie bisher. Dieser Kurs hat Konsequenzen. Nach außen hin wird sich vielleicht nicht so viel ändern, es geht vielmehr um Einstellungen, um die Art zu denken, zu sehen und zu leben“, versucht eine Teilnehmerin ihre Eindrücke in Worte zu fassen.
Der Unterricht, den Mark Rashid erteilt, ist ruhig, entspannt, individuell auf das jeweilige Reiterpaar angepasst und humorvoll. Die Reiter haben fast die gesamte Zeit ein Lächeln im Gesicht und auf der Zuschauerbühne wird des Öfteren herzhaft gelacht. Man findet sich in den von Mark Rashid geschilderten Situationen wieder. Der Horseman hebt aber nicht oberlehrerhaft den Zeigefinger und gibt gute Tipps, er regt vielmehr zum Nachdenken an. Dieses Nachdenken zielt nicht in erster Linie auf die Lösung eines ganz speziellen Problems, sondern setzt tiefer, sozusagen an den Wurzeln an.
Der unruhige Geist
Viele Probleme zwischen Pferd und Mensch liegen laut Mark Rashid in unserem „unruhigen Geist“ begründet. „Wir werden morgens mit dem DRRRR unseres Weckers geweckt. Dieses DRRRR begleitet uns durch den ganzen Tag. DRRRR, schnell frühstücken, ab ins Auto (DRRRR, Hup-Hup), zur Arbeit (schnell, schnell von Termin zu Termin), DRRRR Feierabend, ab ins Auto (DRRRR, Hup-Hup) und schnell zum Pferdestall. So unter DRRRR kommen wir bei unserem Pferd an. Doch unser Pferd kennt kein DRRRR. Es ist nur alarmiert, weil wir so unter DRRRR stehen. Und so kann es zu Problemen kommen. Wenn wir derart unter Strom einen Ausritt machen möchten, wird dieser wahrscheinlich nicht sonderlich entspannt, sondern eher DRRRR“, schmunzelt der Horseman.
Es ist also ungemein wichtig, einen ruhigen Geist zu schaffen. „Wenn wir Steine in einen ruhigen, glatten See werfen, dann kann das Wasser nicht mehr spiegeln. Es ist unruhig. Je mehr Wellen wir machen, desto schwerer ist es zu sehen, was wirklich ist“, so Mark Rashid. Er schildert humorvoll die Gedanken vieler Menschen vor einem Ausritt: „Ich hab wenig Zeit. Der Kindergarten schließt gleich. Was koche ich heute zum Abendbrot? Ach, da hinten springt mein Pferd bestimmt wieder zu Seite. Oh je, da kommen Spaziergänger mit einem Schirm. Mein Pferd wird durchgehen. Vielleicht kommt auch gleich wieder der Hund aus der Hofeinfahrt. Dann steigt der Gaul wieder. Vielleicht stürzt auch ein Baum um – Hilfe!!! Der Geist rennt weg – und das Pferd auch.“ All diese Wellen, die der Mensch (in seinem Kopf) verursacht, verhindern, dass er die Situation so sieht, wie sie ist.
Beim Pferd – nicht auf dem Elternabend!
Wichtige Schritte auf dem Weg zu einem ruhigen Geist sind, laut Mark Rashid, nicht alles gleichzeitig gleich wichtig zu nehmen. „Wichtig ist der Augenblick, ich bin jetzt hier und nicht woanders. Wenn ich beim Pferd bin, bin ich beim Pferd und nicht mehr im Büro oder beim Elternabend. Das klingt banal, ist es aber nicht“, so seine Erfahrung. „Ich weiß, was mir wichtig ist. Das schützt mich davor, mich zu verzetteln, vor unnötigen Energieverlusten.“ Außerdem misst er der Atmung große Bedeutung bei. So fordert Mark Rashid die Reiter immer wieder auf, im Einklang mit der Bewegung des Pferdes zu atmen.
Eine Teilnehmerin hat Probleme saubere, fließende Übergänge zu reiten. Ihr Wallach zeigt stets deutlichen Unwillen. Mark Rashid fordert sie auf, bewusst auf ihre Atmung zu achten. Vier Schritte lang ein- und vier Schritte lang ausatmen: Kaum zu glauben, der Takt des Braunen wird gleichmäßiger, er schnaubt zufrieden und lässt sich willig durchparieren. Die Widersetzlichkeiten des Pferdes kamen daher, dass die Reiterin jedes Mal beim Treiben im Atem stockte, erläutert Mark Rashid. „Atemübungen kann man übrigens auch beim Autofahren machen – überall“, empfiehlt er.
Reitunterricht beschränkt sich für den Horseman nicht auf die Stunden, die man auf dem Pferderücken verbringt. Für ihn ist Horsemanship eine Lebenseinstellung. „So wie wir unser Leben leben, so gehen wir auch mit Pferden um“, betont er. „Wenn wir unser Leben in Tumult, Stress und Unruhe leben, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass wir so auch bei unserem Pferd agieren. Sind wir aber ruhig, glücklich und zentriert, dann werden es die Pferde reflektieren. Wenn ich eure Pferde sehe, dann sehe ich euer Herz.“ Er versteht Horsemanship nicht als eine Sammlung von Techniken, sondern als Weg, in dessen Vordergrund das Gefühl von Achtung und Wertschätzung steht. Dieses Gefühl kann man nicht einfach anknipsen sobald man den Stall oder die Reitbahn betritt. Es durchzieht jeden Moment des Lebens.
„I don’t know!“
„Zu gutem Reiten gehört es, weich zu sein, tief zu atmen, aufmerksam und geduldig zu sein – und das alles kann man überall üben. Beim Pferd kann man dann die eigenen, gut gefestigten Charaktereigenschaften einsetzen, anstatt verkrampft und ungeduldig einmal die Woche beim Pferd tief Atmen zu üben“, gibt Mark Rashid zu bedenken. Die Achtung und Wertschätzung des anderen hat zur Konsequenz, stets auch die Sichtweise des anderen in den Blick zu nehmen. So gibt Mark Rashid auf Fragen wie „Warum macht mein Pferd das?“ oder „Was soll ich tun, mein Pferd bleibt nie still stehen?“ keine Antwort. „I don´t know. Ich weiß es nicht“, lacht er. „Es gibt keine Patentlösungen. Außerdem muss das Pferd auch zu dem Problem gehört werden. Ich schaue also immer auch aufs Pferd und das sagt: „Mein Reiter macht immer…“ Erst dann können wir eine Lösung finden. Beide Sichtweisen sind notwendig.“
Mark Rashid verliert die Sichtweise der Pferde nie aus dem Auge. Ihm ist es wichtig, dass Pferde die vom Menschen gestellten Aufgaben verstehen können. „Pferde haben unsere Bücher über Gymnastizierung und Versammlung nicht gelesen, sie folgen nur ihren Instinkten und Gefühlen“, betont er. Für ihn ist das Pferd ein Partner, der freiwillig etwas für ihn tun möchte und nicht durch irgendwelche Hilfsmittel dazu gezwungen werden muss. Damit das Pferd versteht, was der Mensch von ihm möchte, ist es – so Mark Rashid – wichtig, bereits den Gedanken eines Pferdes, etwas richtig zu machen zu belohnen. Er fordert die Teilnehmer auf, sensibel auf die kleinsten Regungen ihrer Pferde zu achten. Eine ängstliche, unruhige Araberstute wird beispielsweise schon dafür gelobt, dass ihr Blick ruhiger wird und sie den Kopf leicht senkt. So bleiben die Pferde motiviert, weich und ruhig.
Energie in Bewegung umleiten
Mark Rashid ist nicht nur ein hervorragender Horseman und Reitlehrer, er ist auch Aikidomeister. Aikido heißt übersetzt „Weg der Harmonie“. Grundsätze des Aikidos durchdringen auch Rashids Umgang mit Pferden. Im Aikido wird die Energie des Angreifers durch vorausschauendes Agieren des Angegriffenen umgelenkt. Es kommt also nicht zu einer Konfrontation, die Attacke wird sanft umgelenkt. „Bei Pferden mache ich es ähnlich. Ich leite ihre Energie in Bewegung und zwar in die Richtung, in der ich sie haben möchte“, erläutert er.
Einige Teilnehmerpferde haben Schwierigkeiten still zu stehen. Sie tänzeln, hibbeln, tribbeln. „Dein Pferd hat so viel Energie, es weiß nicht wohin damit. Es fragt dich: „Hi, ich hab ein Problem. Ich bin so aufgeregt, ich kann nicht still stehen. Was soll ich tun?“ Wenn du ihm keine Antwort gibst, wird es selbst eine Lösung suchen. Zum Beispiel Bocken. Gib ihm eine Antwort, denn es vertraut dir.“ So lassen die Reiter ihre Pferde größere und kleinere Volten gehen. Die Pferde entspannen sich zusehends – und die Reiter auch.
Und etwas ganz Wichtiges gibt Mark Rashid den Teilnehmern und Zuschauern mit nach Hause: „Habt nicht nur Freude an einer perfekt gelungen Übung. Das passiert so selten. Habt Freude am Üben. Egal was du machst, du sollst Freude haben. Es kann doch nicht sein, dass wir Pferde reiten und uns ständig beschweren. Das Pferd als unser Partner darf seine eigene Meinung und seine eigenen Gedanken haben. Es ist ja zum Glück kein Motorrad. Denkt daran, wenn mal was nicht klappt. Habt Spaß am Üben und Lernen! Ein Meister übt immer!“