Die eigenen Pferde am eigenen Haus, das ist der Traum vieler Pferdebesitzer: Vom Küchenfenster aus auf die Pferdekoppel zu schauen, die Versorgung eigenverantwortlich selbst in der Hand zu haben, keine Diskussionen und Kompromisse mehr bezüglich Herdenzusammenstellung und Haltungsform – einfach traumhaft.
Doch bei genauerem Hinsehen werden die Hindernisse auf dem Weg zur Realisierung dieses Traumes deutlich. Die Renovierungsarbeiten an Haus und Stallungen würden das finanzielle sowie das Zeitbudget bei weitem sprengen, die anderen Familienmitglieder empfinden die Einsamkeit als Isolation, die Möglichkeiten mit seinem Pferd zu arbeiten würden sich bei einem eigenen Hof drastisch verschlechtern, da keine Reithalle in erreichbarer Nähe und der Reitplatz im Herbst und im Winter nur bedingt bereitbar ist. Nicht jeder Pferdeliebhaber ist gleichzeitig auch ein „Landei“ und würde sich allein auf weiter Flur wohl fühlen. Die hier aufgeführten Vor- und Nachteile bieten nur einen kleinen Einblick in die Diskussion um das „Für und Wieder“ mit Pferden zu leben und wohnen. Eine mögliche Alternative bieten hier verschiedene Projekte
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Trainingsmöglichkeiten vor der Stalltür
Bereits vor sechzehn Jahren realisierte der Diplomingenieur Ferdinand Leve das erste Projekt „Leben und Wohnen mit Pferden“ in Warendorf. Allein die Lage dieser Siedlung lässt das Herz jedes Pferdeliebhabers höher schlagen: Sie liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der DOKR (Deutsches olympische Komitee der Reiterei), der FN und EWU. Die besten Trainingsmöglichkeiten, sowie ein herrliches Ausreitgelände liegen also direkt vor der Haus-, bzw. Stalltür. Die Planungsgruppe Leve hat auf dem vier Hektar großen Terrain sieben Häuser errichtet. Zu jedem Haus gehören etwa 4-6000 qm Grund, auf dem die Eigentümer Stallungen (bis zu 6 Pferde), Koppeln und Reitplatz anlegen konnten.
„Wir haben uns bemüht, das Gelände relativ einheitlich zu gestalten. Die Häuser sind zwar alle sehr unterschiedlich, vom Fachwerkhaus über ein Holzhaus bis hin zu einem Doppelhaus. Die Grünflächen sind aber so konzipiert, dass sie einen parkähnlichen Charakter haben“, erläutert Ferdinand Leve. Dieser Charakter kommt jetzt nach 16 Jahren bereits gut zur Geltung. Buchenhecken, Weißdorn und Kieswege vermitteln das Gefühl, einen Park zu betreten. Die sieben Parteien – Menschen wie Pferde – fühlen sich hier wohl. Das eigene Terrain ist groß, man kommt sich nicht in die Quere.
„Manche Nachbarn sehe ich etwa fünfmal im Jahr“, erzählt Daniela Krättli. Die Schweizerin wohnt seit zehn Jahren auf dem Gelände und ist im Springsport bis Klasse S aktiv. Ihre vier Lieblingspferde stehen am Haus, von ihrer Küchentür aus sind es wenige Schritte durch die Waschküche bis zum Pferdestall. „Es gibt für mich nichts Schöneres als vom Frühstückstisch aus meine Pferde beobachten zu können“, schwärmt sie. An sich ist jeder Haus- und Pferdebesitzer autark. „Jeder macht hier sein Ding. Hier gibt es Freizeitreiter, Fahrer, Galopper, Springreiter, halt die ganze Bandbreite des Pferdesports. Mit meinem Nachbarn habe ich den gleichen Futtermittellieferanten und den gleichen Bauern, der den Mist abholt. Das ist praktisch, aber kein Muss“, beschreibt sie das Zusammenleben. „Ich möchte zwar mit Pferden leben, aber für mich wäre die Einsamkeit auf einem Hof in Alleinlage nichts. Ich hätte dort Angst und bin froh um die Nähe zu meinen Nachbarn. In fünf Minuten bin ich mit dem Rad in Warendorf-Mitte. Das ist für mich ideal! Ich möchte hier nicht mehr fort.“
Boxen oder Offenstall nach Wunsch
Nun hat nicht jeder das unverschämte Glück, ein Baugebiet in unmittelbarer Nachbarschaft von Reitanlagen zu erwerben. Deshalb realisiert Bauunternehmer Helmut Holz ein etwas anderes Projekt „Leben und Wohnen mit Pferden“. Auf einem gut 60.000 qm großem Areal in der Nähe von Münster Gelmer möchte er demnächst 21 Wohneinheiten errichten. Die Grundstücksgrößen betragen bis zu 2500 qm. Auf diesem Grundstück kann jeder seinen eigenen Pferdestall (für maximal drei Pferde) errichten. „Es gibt keine genauen Vorgaben, man sollte sich aber an den Bebauungsplan der Stadt Münster halten. In diesem Rahmen kann jeder frei gestalten. Boxen mit oder ohne Paddock, Offenstall, wie man es für seine Pferde wünscht“, so der Bauunternehmer, der selbst passionierter Reiter und Pferdefreund ist.
Rund um das Wohngebiet herum soll ein Reitweg führen, der Wiesen, Reithalle, Reitplatz und das eigene Haus miteinander verbindet. Weideflächen sind in ausreichender Größe vorhanden. Die Reithalle gehört allen 21 Käufern gemeinsam. Neben der Reithalle und dem Reitplatz gehören ferner überdachte Stellplätze für Pferdehänger, ein Reitbahnplaner, ein Traktor, diverse Springhindernisse sowie verschiedene Nebengebäude zum Gemeinschaftseigentum. Pflege, Wartung, Nutzung und Kosten des Eigentums regelt eine Gemeinschaftsordnung. Die Pflege der Anlage wird von einer Teilzeitkraft übernommen. Die monatlichen Kosten für die Pacht der Weideflächen, die Unterhaltung der Reithalle, die Abfuhr des Mistes etc. werden auf die Eigentümer – entsprechend der Anzahl der Pferde – umgelegt. Vor allem für junge Familien bietet diese Art des Wohnens Vorteile, schätzt Helmut Holz.
Das Gebiet liegt relativ stadtnah und verkehrsgünstig. Öffentliche Verkehrsmittel halten in der Nähe. Zum Ortskern Gemer ist es nur ein kleiner Fußweg und mit dem PKW ist man in 15 Minuten in der Innenstadt von Münster. Mütter werden also nicht zwangsläufig zu Taxifahrerinnen. Ein weiterer Pulspunkt eines solchen Projekts ist die Versorgung der Tiere, wenn man selbst verreist oder aus anderen Gründen verhindert ist. Hier können sich Nachbarn unproblematisch gegenseitig weiterhelfen. „In diesem Wohngebiet kann sich auch das Familienmitglied wohl fühlen, dass mit Pferden nichts am Hut hat“, betont der Bauunternehmer. „Die nächste Trainingsmöglichkeit für den Fußball begeisterten Sohn ist fußläufig zu erreichen.“
Gemeinschaftsprojekte im Kommen
Die Kosten für den Erwerb von Eigentum in diesen (oder ähnlichen) Projekten sind nicht unerheblich. Aber auch die Kosten für Renovierungsarbeiten älterer Höfe summieren sich und sie sind, wie gesagt, nicht jedermanns Sache. Projekte, bei denen mehrere Parteien gemeinsam einen Hof erwerben und ausbauen, um dort gemeinsam zu leben, sind mit dieser Art nicht zu vergleichen. Sie sprechen ein ganz anderes Klientel an. In den USA sind Wohnprojekte beispielsweise mit gemeinsamen Schwimmbad oder Golfplatz alltäglich. Vielleicht überzeugen ja auch hier Gemeinschaftsprojekte mit ihren Vorteilen und Projekte wie„Leben und Wohnen mit Pferden“ fassen bei uns im Laufe der Zeit immer mehr Fuß. So könnten dann immer mehr Menschen den Blick aus dem eigenen Küchenfenster auf ihre Pferde genießen und sich der Meinung von Daniela Krättli anschließen: „Das ist für mich ideal! Ich möchte hier nicht mehr fort.“