Wenn Sie ihr Pferd antreten lassen – lehnen Sie sich dann nach vorn oder nach hinten? Wo sitzen Sie beim Schulterherein – innen oder außen? Und zu guter Letzt: Wie gibt man eigentlich eine Gewichtshilfe – durch Austreten des jeweiligen Bügels, durch Verlagern des Körpergewichts auf die Gesäßknochen oder ganz einfach aus dem Oberkörper heraus? All diese Fragen werden in Internetforen und an Stammtischen rauf- und runterdiskutiert. Doch während der Fragende hier nur tausend Meinungen um die Ohren geschlagen bekommt, hat der Erlanger Ausbilder Michael Putz auch Erklärungen parat.
„Eine Gewichtshilfe ist dann richtig, wenn man sie nicht sieht“, sagt Putz. „Die meisten Durchschnittsreiter übertreiben diese Hilfe. Sie lehnen sich furchtbar zur Seite oder nehmen eine starke Rücklage ein.“ Doch auch hier gilt: Weniger ist mehr. Denn die starken Verlagerungen des Reiterkörpers bringen das Pferd aus der Balance oder blockieren seine Bewegungen.
Einsatz der Gesäßknochen
Marie-Luise von der Sode geht sogar so weit, dass sie nicht von „Gewicht“ spricht wenn sie eine feine Hilfengebung beschreibt, sondern von Körperhilfen über „Einsatz der Knochen“.
„Wir informieren das Pferd über differenzierten Einsatz von Knochen, Wirbeln und Gelenken“, sagt die Feldenkrais-Ausbilderin. Deshalb rät sie ihren Schülern beispielsweise, nicht „das Bein“ ans Pferd zu legen, sondern „die Innenseite des Knochens“. So kann auch wesentlich feiner eine entlastende oder belastende Hilfengebung über die Gesäßknochen gegeben werden.
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Belastet der Reiter beide Gesäßknochen gleichermaßen, so sitzt er laut von der Sode im sogenannten Grundsitz. In den „Schwersitz“, also den stark beidseitig belastenden Sitz, wechselt die Dressurausbilderin aus dem schleswig-holsteinischen Anker nur vorübergehend um kraftvoll auf das Pferd einzuwirken und beispielsweise für einige Minuten unter Turnierbedingungen zu reiten. Anschließend wechselt sie wieder in einen etwas entlastenderen Sitz um den Rücken des Pferdes zu schonen.
„Der Schwersitz wird eingenommen, indem der Reiter sein Becken etwas ‚schwer‘ nach hinten abkippt. Er sitzt also hinter der Mitte der Gesäßknochen.“ Leider würden sich viel zu viele Reiter stattdessen am Zügel festhalten, um sich gewissermaßen in den Sattel hineinzuziehen – was nicht funktioniert. Das gilt vor allem fürs Vorwärtsreiten. Michael Putz weiß: „Mit dem Gewicht ein Pferd zu treiben, gewissermaßen es anzuschieben, geht sowieso nicht. Zum Treiben benutzt man den Schenkel. Schauen Sie sich auch mal gute Reiter in einer L-Dressur an. Im Mitteltrab hängen die alle hinter der Bewegung des Pferdes.“ Eine beidseitig belastende Gewichtshilfe bedeutet also nicht, sich mit dem Oberkörper nach hinten zu lehnen. Dadurch wird lediglich die Mittelpositur steif und ein Mitschwingen wird verhindert. Die Pferde machen sich deshalb im Rücken fest und sind schwer zu sitzen. Es entsteht ein Teufelskreislauf.
Strampelnde Dressurpferde
Auch im großen Sport sind solche Pferde zu beobachten. „Selbst Pferde einiger aktueller Spitzenreiter strampeln im Trab wie verrückt, sind aber im Rücken fest“, kritisiert Putz. Als positives Beispiel führt er den 1999 verstorbenen Olympia-Gold-Gewinner Dr. Reiner Klimke an. „Bei ihm konnte man sehr schön sehen, dass er in jedem Übergang in die Verstärkung oder beim Antraben vom Fleck weg leicht vorn gesessen ist. Er saß dadurch mit der Bewegung des Pferdes und ritt wundervolle Verstärkungen. Bei seiner Tochter Ingrid kann man das auch sehr schön sehen.“
Häufig trifft Michael Putz in seinen Seminaren auf Pferde, die sehr verspannt angaloppieren. Auch deren Reitern gibt er den Tipp, ihre Pferde nicht in den Galopp hinein zu schieben, sondern ein klein bisschen ans „vorwärts sitzen“ zu denken. So werden die Reiter wesentlich elastischer in der Hüfte.
Und wie sieht es mit ganz ordinärem Antreten aus? „Entscheidend ist hier die Schenkelhilfe“, finden von der Sode und Putz. Beide Ausbilder lehren jedoch, sich zusätzlich leicht zu machen, bzw. leicht nach vorn zu sitzen. Lernen, sagt Putz, erfolge beim Pferd nur durch positive Verstärkungen. Wenn nun ein Reiter sein junges Pferd mit dem Schenkel antreibt, ihm aber bei Antreten mit dem Gewicht in den Rücken und mit den Händen ins Maul fällt – welchen Schluss soll das junge Pferd dann daraus ziehen?
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Den Steigbügel austreten
Die einseitig belastende Gewichtshilfe wird noch heftiger diskutiert als die beidseitig be- und entlastende. Hier stellt sich schon die Frage, wie der Reiter sein Gewicht zur Seite verlagern soll, ohne mit der Hüfte einzuknicken oder zu verkrampfen. Marie-Luise von der Sode sagt: Wenn der Reiter nur den rechten Steigbügel austritt, rutscht er bereits nach rechts rüber.“
Als Übung lässt sie ihre Schüler eine „Sattelmassage“ durchführen. Dabei soll der Reiter den angegurteten Sattel auf dem Pferd durch Steigbügeltritt links und Steigbügeltritt rechts immer wieder von einer Seite auf die andere „hinübermassieren“. „Den meisten Pferden gefällt das sehr“, hat von der Sode festgestellt. Wichtig ist, dass der Reiter sich dabei mit den Händen am Widerrist abstützt und mit dem Oberkörper auf die Seite mitnimmt, auf die das Gewicht verlagert werden soll. Tut er das nicht, so knickt er mit dem Po nach rechts und mit dem Oberkörper nach links. Das ist dann das gefürchtete „Einknicken in der Hüfte.“ Gerade wenn ein Reiter noch unsicher ist und er sich nicht auf die Zentrifugalkräfte einlassen will, die auf einem Zirkel oder einer Volte auf das Reiter-Pferd-Paar einwirken, neigt er dazu, sich mit dem Oberkörper in die Gegenrichtung zu werfen. Passiert das, so rät von der Sode ihren Schülern, sich vorzustellen, sie wären „eine große Fichte, die wurzelt und wächst. Die Wurzeln sind mein Unterkörper. Der Stamm ist meine Mittelpositur und die Krone ist mein Oberkörper. Ich bin lang und groß und strecke mich nach oben.“
Laut Michael Putz ergibt sich die korrekte Gewichtsverlagerung beim Reiten eigentlich ganz von selbst. Denn: „Der Reiter muss aus der Hüfte heraus den äußeren Schenkel zurücknehmen und lang machen. Dadurch bekommt er automatisch mehr Druck auf den inneren Gesäßknochen. Alles andere ist falsch!“
Körper in Bewegungsrichtung drehen
Um das Pferd auf einem größeren Kreis, etwa einem Zirkel zu reiten, empfiehlt von der Sode, lediglich mit dem Körper in Bewegungsrichtung zu rotieren. Das heißt, der Reiter dreht seine Schultern, Oberkörper und Hüfte in die Kreisbewegung hinein. Eine zusätzliche starke Gewichtsverlagerung sei dann nicht nötog.
Ganz besonders in Seitengängen neigen viele Reiter dazu, mit dem Oberkörper anstatt mit dem Becken in Bewegungsrichtung zu rutschen. Diesen Leuten rät Putz, sich nach Sportpädagoge Eckart Meyners vorzustellen, sie säßen auf einer Uhr. 12 Uhr ist vorn, 15 Uhr rechts, 18 Uhr unten, 21 Uhr links. „Die Reiter müssen die Idee haben, ihr Becken nach 14 Uhr bzw. 22 Uhr zu verschieben.“ Und auch hier gilt: Die einseitig belastende Gewichtshilfe darf ein Außenstehender am Körper des Reiters eigentlich nicht sehen. In welche Richtung das Gewicht verlagert werden muss, stellt Michael Putz ganz klar: „Immer nach der Seite, wo das Pferd gestellt oder gebogen ist. Das entsteht ganz automatisch durch die Schenkellage.“
Ins gleiche Horn stößt Marie-Luise von der Sode: „Auf gebogener Linie sitze ich innen. Wenn alles stimmt, nimmt das Pferd mich ohnehin ganz von selbst nach innen.“
Je feiner das Zusammenspiel zwischen Pferd und Reiter wird, desto mehr treten Zügel- und Schenkelhilfen in den Hintergrund. „Dann sind die Gewichtshilfen die wichtigsten Hilfen überhaupt“, sagt Putz. Bis es aber einmal so weit ist, gelten sie laut FN-Richtlinien als „eine wichtige Unterstützung der Zügel- und Schenkelhilfen.“