Sowohl gebisslose Zäumungen als auch das Reiten ohne Sattel sind mittlerweile in fast allen Pferde-Haftpflichtversicherungen inbegriffen. Das heißt: Ihre Tierhalterhaftpflicht zahlt den Schaden, den Sie und Ihr Pferd am Eigentum anderer anrichten. Zivilrechtlich ist damit erstmal alles geklärt. Strafrechtlich könnte die Sache völlig anders aussehen. Landet nämlich zum Beispiel ein Verkehrsunfall vor Gericht, weil Sie mit einem Auto zusammengestoßen sind und dabei Menschen verletzt wurden, so wird sich die KfZ-Versicherung des Unfallgegners auf die Straßenverkehrsordnung berufen. Diese besagt, jemand „darf am Verkehr nur teilnehmen, wenn in geeigneter Weise Vorsorge getroffen ist, dass er andere nicht gefährdet“. In solchen Fällen wird im strafrechtlichen Verfahren ein Gutachter eingeschaltet, der die Schuldfrage überprüft. Und spätestens dann haben Fans von LG-Zaum, Bosal, Sidepull oder Bitless-Bridle unter Umständen schlechte Karten: Die Gutachter berücksichtigen zwar in der Regel alle Faktoren, die zu einem Unfall geführt haben, aber Reiten ohne Sattel oder ohne Gebiss wird immer noch als „unsicher“ angesehen. In so einem Fall käme es also zu einem Gerichtsstreit, dessen Ausgang ganz von der persönlichen Einstellung des Gutachters zum Thema abhinge.
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Das sagen die Barnboox-Rechtsprofis zum Thema:
Rechtsanwalt Marc Patrick Schneider: „Es ist nicht auszuschließen, dass das Fehlen des Sattels oder Gebisses als mitentscheidendes Indiz dafür herangezogen wird, dass der Reiter dadurch schuldhaft gehandelt hat, dass er nicht ausreichend auf sein Pferd hat einwirken und dies entscheidend lenken können. Es sollte daher als Empfehlung höchstens festgehalten werden, dass – zumindest solange es keine handfeste Rechtsprechung gibt – man in Bezug auf die Ausrüstung des Pferdes nur dann restlos vor einem entsprechenden Fahrläsigkeitsvorwurf sicher ist, wenn man ein Gebiss (als unstreitig anerkannte Art der Einwirkung und Lenkung) aufzieht.“
Rechtsanwalt Stephan Pahl: „In rechtlicher Hinsicht birgt die gebisslose Zäumung immer ein Haftungsrisiko, da die Einwirkungsmöglichkeit auf das Pferd geringer ist, als bei einer Zäumung mit Gebiss. Sollte sich bei einem Unfall mit Fremdschaden beim Geländereiten feststellen lassen, dass das Unfallgeschehen durch die gebisslose Zäumung hervorgerufen oder begünstigt wurde, wird sich m. E. der Reiter zivilrechtlich und strafrechtlich verantworten müssen, da er nicht die üblichen Vorkehrungen getroffen hat, um derartige Schäden zu vermeiden. Sinngemäß das gleiche gilt m. E. auch für das Reiten ohne Sattel: Im Straßenverkehr nie; im Gelände muss sich der Reiter darüber im Klaren sein, dass er sich mit großer Wahrscheinlichkeit zivilrechtlich und strafrechtlich verantworten muss, wenn etwas passiert.“
Versicherungsexpertin Julie Raymann: „Hat der Reiter in seiner Tierhalterhaftpflicht den Einschluss der Risiken ‚Reiten mit gebissloser Zäumung und ohne Sattel‘ vereinbart, wird der Versicherer den Schaden, der dem Geschädigten entstanden ist, ersetzen. Natürlich nur, wenn durch vorherige Prüfung eine Haftung des Reiters festgestellt wurde. Wird der Reiter jedoch strafrechtlich belangt, weil ein Gutachter feststellt, dass er der notwendigen Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist, ist das keine Sache der Haftpflichtversicherung. Eine mögliches Bußgeld muss der Reiter also selber bezahlen. Ob und wie ein Gutachter hier entscheiden würde, und ob es dazu gesetzliche Bestimmungen gibt, kann ich nicht sagen.“