Dass ein Pferd Träger eines defekten Gens ist, muss nicht immer offensichtlich sein: Bei autosomal-rezessiven Erbgängen sind Einzelgenträger völlig gesund, können durch die Verpaarung mit einem anderen Genträger allerdings erkrankte Nachkommen zeugen. Und selbst bei autosomal-dominanten Erbgängen können keine oder nur so schwache Krankheitszeichen auftreten, dass die Veranlagung nicht erkannt wird. Gentests sind in der Zucht deshalb unbedingt notwendig und werden von manchen Zuchtverbänden schon von den Fohlen bei der Registrierung verlangt. Gehört ein Pferd aufgrund seiner Rasse und/oder seines Stammbaums zur Risikogruppe einer Erbkrankheit, sollte schon beim Fohlen entsprechende Gentests durchgeführt werden, weil damit klar ist, ob ein Einsatz als Zuchttier später überhaupt in Frage kommt.
Möchten Sie mehr über verbreitete Erbkrankheiten und bisher bekannte Risikogruppen empfehlen wir Ihnen unseren Fachartikel „Erbkrankheiten bei Pferden im Überblick: betroffene Rassen, Beschreibung, Erbgang“.
Labore und angebotene Tests
Inzwischen gibt es zahlreiche Labore, die Gentests zu verschiedenen Erbkrankheiten anbieten. Die bekanntesten in Deutschland sind: Laboklin, Certagen, Biofocus und Genecontrol. Grundsätzlich haben natürlich alle Labore eine Lizenz zur Testung, zum Teil sind aber von Verbänden nur Tests aus bestimmten Laboren anerkannt. Die American Quarter Horse Ass. AQHA etwa verlangt explizit den HYPP-Test der UC Davis in Kalifornien, während andere Tests auch in Deutschland durchgeführt werden können.
Ablauf und Kosten eines Gentests
Für einen Gentest benötigt man entweder eine Blutprobe oder etwa 30 bis 50 Mähnen- oder Schweifhaare mit Haarwurzel. Die Haare müssen ausgezupft werden, sollten sauber und trocken sein und noch am gleichen Tag im Test-Kit des Labors zurückgeschickt werden. Je nach Labor erhält man das Ergebnis etwa eine bis acht Wochen nach der Einsendung des Materials. Die Preise für einen Test liegen etwa zwischen 20 und mehrere 100 Euro. Sie sollten die Kosten in jedem Fall mit Ihrem Tierarzt oder dem Labor vorab abstimmen. Mitglieder in Zuchtvereinen erhalten in der Regel Nachlässe.
Ergebnisse und Konsequenzen für die Zucht
Gentests untersuchen, ob auf keinem, nur einem oder beiden Gen-Kopien des relevanten Gens ein Defekt vorliegt. Als Ergebnis eines Gentests sind daher drei verschiedene Varianten (Genotypen) möglich: homozygot gesund (keine der Gen-Kopien ist betroffen), heterozygot betroffen (eine Gen-Kopie ist betroffen) und homozygot betroffen (beide Gen-Kopien sind betroffen).
Die Konsequenzen, die sich daraus für die Zucht ergeben, hängen von der Art der Vererbung der jeweiligen Krankheit ab. Denn bei autosomal-rezessiven Erbgängen sind heterozygot betroffene Pferde gesund, bei autosomal-dominanten hingegen erkrankt. Für den Einsatz in der Zucht bedeutet das:
1. Homozygot gesund: Das Pferd trägt den Gendefekt auf keinem der beiden relevanten Gen-Kopien und kann uneingeschränkt zur Zucht verwendet werden.
2. Heterozygot betroffen: Eine der beiden Gen-Kopien ist von dem Gendefekt betroffen. In diesem Fall hängt die Verwendbarkeit für die Zucht vom Erbgang der jeweiligen Krankheit ab:
– autosomal-rezessive Vererbung: Das Pferd selbst ist gesund, kann den Defekt aber an seine Nachkommen weitergeben. Ist nur eines der Zuchtpferde Einzelgenträger, besteht für das Fohlen keine Gefahr – mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent ist es allerdings ebenfalls ein gesunder Einzelgenträger. Sind hingegen Stute und Hengst von dem Gen betroffen, wird bei ihrer Verpaarung mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent ein erkranktes Fohlen geboren, zu 50 Prozent ist es gesunder Einzelgenträger und zu 25 Prozent Nichtträger. Für eine verantwortungsvolle Zucht sollten also niemals zwei Einzelgenträger miteinander verpaart werden.
– autosomal-dominante Vererbung: Das Pferd ist mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst erkrankt und gibt den Erbfehler und damit die Krankheit mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent an die nachfolgende Fohlengeneration weiter – sind Stute und Hengst betroffen, sogar zu 75 Prozent und mit dem 25-prozentigen Risiko eines doppelten Gendefekts, der in der Regel zu einem besonders schwerwiegenden Verlauf der Krankheit führt. Mit Einzelgenträgern eines autosomal-dominanten Erbgangs sollte deshalb in keinem Fall gezüchtet werden.
3. Homozygot betroffen: In diesem Fall weisen beide Gen-Kopien den Gendefekt auf. Das Pferd ist mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit und meist besonders schwerwiegend erkrankt. Da Doppelgenträger den Defekt mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 Prozent weitervererben, dürfen sie theoretisch bei rezessiven Erbgängen nur mit Nichtträgern (100-prozentige Wahrscheinlichkeit eines Einzelgenträgers) und bei dominanten Erbgängen gar nicht verpaart werden – wegen der Schwere der Erkrankung stellt sich die Frage der Zucht mit homozygot betroffenen Pferden allerdings in der Regel erst gar nicht.