Das Gewitter war klein. Nur ein einziger Blitz. Doch der schlug prompt in das älteste Stallgebäude des Reitervereins Giebelwald in Freudenberg ein. Das Gebäude bestand zur Hälfte aus Holz, im Dachstuhl lagerte Stroh. „Alles ging rasend schnell“, erinnert sich die Pressesprecherin des Vereins, Susanne Wüst-Dahlhausen. „Im Nu schlugen hohe Flammen aus dem Dach.“ Der Mitarbeiter, der eben mit der Abendfütterung zugange war, erkannte sofort, dass die Zeit nicht einmal mehr reichte, um die Feuerwehr zu rufen. Gemeinsam mit dem Reitlehrer rannte er in das brennende Gebäude, um die Pferde zu retten. Die verängstigten Tiere drängten sich an die Wände ihrer Boxen. Stroh-, und Heuballen fielen brennend von der Decke. „Reitlehrer und Pfleger haben mit Gewalt auf die Pferde eingeschlagen, damit sie hinausrannten“, erzählt Wüst-Dahlhausen.
Am Ende galoppierten 20 Pferde panisch quer durch die Anlage. Manche wurden eingefangen und in die Reithalle gebracht, andere flohen in den Wald. Nur ein Tier konnte das Personal nicht mehr befreien. Der Reitlehrer war durch mehrere Tritte verletzt worden. Er und zwei andere Helfer hatten eine Rauchvergiftung. Die Feuerwehr wurde unterdessen von Nachbarn alarmiert, die den Feuerschein während ihrer Grillparty gesehen hatten. Sie brachte den Brand schließlich unter Kontrolle. Den betroffenen Stall und die angrenzende ältere Reithalle konnten die Einsatzkräfte jedoch nicht mehr retten.
30 Sekunden entscheiden über Leben und Tod
In kaum einem Wirtschaftszweig ist die Brandgefahr so groß wie in der Landwirtschaft – und damit auch in Reitbetrieben. 15 % aller Brände werden laut dem Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) durch Brandstiftung verursacht. Aber auch Funkenflug, Selbstentzündungen von Heu, defekte elektrische Geräte, Rauchen und Blitzschlag gehören zu den häufigsten Ursachen (siehe Kasten „Vorbeugen“).
Die Rettung der Pferde ist extrem gefährlich, da die Verbrennungsgeschwindigkeit von Stroh dreimal höher ist als die von Benzin. Bricht in einer Box Feuer aus, so bleiben 30 Sekunden, um das Tier herauszuholen.
Das Wichtigste bei einer Rettungsaktion ist deshalb, auf den Selbstschutz zu achten. Inmitten eines Katastrophenszenarios ist es für die Helfer jedoch schwer, einen klaren Kopf zu bewahren. Heike Eschler ist Psychotherapeutin und betreibt mit ihrem Mann in Waldeck-Ober-Werbe eine Knabstrupper-Zucht. Im April 2007 brannte ihr Fachwerkstall bis auf die Grundmauern nieder, weil sich das in einer Box eingelagerte Heu entzündet hatte. Vor Aufregung schaffte Heike Eschler es nicht einmal mehr, die 112 für die Feuerwehr ins Handy zu tippen. Ihr Mann rettete zwar den Traktor, parkte ihn aber mitten in der Feuerwehrzufahrt. „Ich habe erst an diesem Tag gelernt, was ein Trauma wirklich ist“, sagt sie. „Man geht wie in Watte.“ Bekannte berichteten ihr später von schockierenden Erlebnissen, bei denen Pferde vor den Augen ihrer Besitzer verbrannten oder brennend durchs Dorf galoppierten. „Die meisten Menschen, die so etwas erlebt haben, brauchen danach therapeutische Hilfe!“
Ganz vorschriftsmäßig hatten die Eschlers jeden Tag die Temperatur im Inneren der großen Quaderballen mit einer Heusonde gemessen. Trotzdem klingelten plötzlich Kinder an der Haustür und schrieen: „Es brennt!“ Die Offenstall-Haltung rettete die Pferde vor dem sicheren Tod. Sie mussten nur vom Paddock auf den angrenzenden Reitplatz getrieben werden. Der gerade mal 11 Jahre alte Stall jedoch verbrannte zu einem Haufen Schutt und Asche. Acht Stunden lang loderte das Feuer. „Wir hatten jeden einzelnen Holznagel von Hand geschnitzt“, seufzt Heike Eschler.
Brandschutzübung mit der Feuerwehr
Auch Feuerwehrleute sind bei einem Reitstall-Brand oft hilflos. Das Anlegen eines Halfters, das Hinausführen oder -treiben aus der Box, vielleicht sogar das bloße Öffnen der Box kann in einer Notfallsituation zwischen brennenden Dachbalken und beißendem Rauch zum Problem werden.
Deshalb empfiehlt es sich, mit der örtlichen Feuerwehr in regelmäßigen Abständen eine Übung im Stall durchzuführen. Einer der ersten Ställe überhaupt, die so ein Projekt ins Leben gerufen haben, war das Reit- und Therapiesportzentrum Reitsportgruppe Eddersheim e.V.. Seit 2002 bittet der Verein alle ein bis drei Jahre die örtlichen Einsatzkräfte zur Brandschutzübung und Fortbildung auf die Anlage. Auf diese Idee kam der Vorstand, weil vor der Übernahme der Anlage durch den Verein bereits ein Brand durch einen implodierenden Fernseher in einer Personalwohnung stattgefunden hatte.
24 Feuerwehrleute kamen zum ersten Treffen. Nur zwei oder drei hatten vorher schon einmal ein Pferd geführt. „Das Schwierigste war der direkte Kontakt zum Pferd“, erzählt Gerd Gröhl, zweiter Vorstand des Vereins. „Die Leute hatten großen Respekt vor den 500 bis 700 kg schweren Tieren. Kaum einer konnte auf Anhieb ein Halfter anlegen oder wusste, wie der Panikhaken am Führstrick funktioniert.“ Außerdem lernten die freiwilligen Helfer, wie man den Strick in die Hand nimmt, um nicht mitgeschleift zu werden, wie Abwenden und Anhalten funktioniert.
„Man braucht sich natürlich nicht einzubilden, dass man 30 bis 50 Pferde im Ernstfall so geordnet rausbringt“, weiß Gerd Gröhl. „Aber ich bin sicher, dass die Feuerwehrleute jetzt für den Umgang mit Pferden sensibilisiert sind“. Außerdem kennen sie die Anlage, die Sammelplätze und die Wasserversorgung. Der Lage-, Fluchtwege-, und Brandschutzplan liegt im Einsatzauto bereit. Zum Test wurde acht Wochen später eine sehr realistische Brandschutzübung mit Rauchbomben und Nebelmaschinen durchgeführt. Sie funktionierte perfekt.
Bei Rauchmeldern nicht sparen
Der Brand im Stall von Heike und Werner Eschler wurde glücklicherweise rechtzeitig bemerkt. „Zwei Stunden später wären wir im Bett gewesen. Wer weiß, wer dann alles tot gewesen wäre“, sagt die Züchterin. Im neuen Stall wurden deshalb überall Rauchmelder eingebaut, die untereinander korrespondieren. Wenn einer Alarm schlägt, geht die Meldung per Funk auch an alle anderen. Der Preis pro Stück lag bei 60 Euro. Im Handel gibt es zwar auch günstigere Rauchmelder (optoelektronisches Arbeitsprinzip), diese können jedoch wegen der stallüblichen Staubentwicklung leicht Fehlalarm schlagen. Besser geeignet sind so genannte Ionisationsmelder. In Norwegen, Schweden und bald auch den Niederlanden ist die Installation von Brandmeldeanlagen in Viehställen Pflicht. Das führte zu einem Rückgang der Schadensquoten in Norwegen um mehr als 25 %.
Wichtig ist auch das Anbringen von Brandwänden und -türen. Die Brandkasse der Eschlers forderte einen Einbau zwischen Wohnhaus und Stall. „Das war damals sehr teuer“, sagt Heike Eschler. „Doch die Wände und Türen hielten den Brand tatsächlich auf. Ohne sie wäre auch unser Wohnhaus abgebrannt. So ist nur das Schlafzimmerfenster geplatzt und der Giebel verkohlt.“
Achten Sie darauf, dass ihr Hof genügend gut zugängliche Hydranten und ggf. einen Feuerlöschteich hat. Außerdem sollten ausreichend Feuerlöscher (mindestens 2 für eine Fläche von 50 qm, 2 weitere für jeweils weitere 200 qm) der Brandklasse A vorhanden sein. Sie müssen an gut sichtbaren, zugänglichen Stellen angebracht und mindestens alle 2 Jahre gewartet werden. Die beste – leider sehr teure – Möglichkeit der effizienten Brandbekämpfung sind automatische Sprinkleranlagen.
Gebäudeversicherung reicht nicht
Wenn es trotz allen Vorbeuge-Maßnahmen doch einmal auf Ihrem Betrieb brennen sollte, ersetzt Ihnen die Gebäudeversicherung den durch das Feuer entstandenen Schaden an Haus und Hof. Nicht aber am Inventar. Heike Eschler blieb nach dem Brand auf 16.000 Euro sitzen, weil sie keine entsprechende Versicherung hatte. Holzspalter, Wiesenschleppe und „alles, was wir sonst noch an den Traktor rangehängt haben“, gehört zum Inventar, nicht zum Gebäude und nicht zum Hausrat. Wer teure Pferde beherbergt, sollte auch eine Pferde-Lebensversicherung abschließen. Eine Betriebsausfall-Versicherung lohnt sich für Reitbetriebe, die nach einem Brand womöglich keinen Unterricht mehr geben können oder für Züchter, die um ihre Verkaufspferde fürchten.
Bei Pachtbetrieben ist es üblich, dass der Verpächter das Gebäude versichert und der Pächter das Inventar, den Betriebsausfall, das Pferdeleben sowie den Hausrat.
Vorbeugen
Gegen Heuentzündung: Erntegut nur trocken einfahren und drei Monate lang regelmäßig mit einer Heustocksonde Temperaturkontrollen durchführen. Das macht nicht nur Sinn, sondern ist sogar Pflicht! Eine Temperatur ab 50 Grad erfordert besondere Aufmerksamkeit. Ab 60 Grad besteht Brandgefahr. Heustocksonden bekommt man von der örtlichen Feuerwehr. Manche Versicherungen geben auch einen Zuschuss für den Kauf.
Gegen Blitzschlag: Alle Gebäude sollten mit Blitzschutzanlagen versehen sein. Ganz besonders wichtig ist das bei freistehenden Aussiedlerhöfen, da hier das Risiko eines Blitzeinschlags größer ist als innerhalb einer Ortschaft.
Gegen Rauchen: Rauchverbotsschilder mindestens im Stall und in der Reithalle, besser auf der gesamten Anlage.
Gegen defekte elektrische Geräte: Elektrogeräte, die Wärme erzeugen können (Lampen, Fernseher, etc.) müssen regelmäßig gereinigt werden. Kabel auf Verbiss durch Mäuse kontrollieren. Keine Futterreste im Stall herumliegen lassen, die die Nager anziehen.
Keine Leitungen und Lampen direkt auf Holzbalken befestigen. Defekte Lampen immer sofort austauschen.
Gegen Funkenflug: Niemals Schweiß-, Schleif- und Schmiedearbeiten im Stall durchführen! Schweißfunken fliegen bei Windstille bis 10 Meter weit. Geeigneten Schmiedeplatz in ausreichendem Abstand zu brennbaren Materialien ausweisen.
Gegen Brandstiftung: Die Stallungen und Lager sollten nachts nicht frei zugänglich sein. Eine solide Einfriedung des Betriebsgeländes, die Beleuchtung von Gebäuden, sowie Bewegungsmelder und freilaufende Hunde schrecken Brandstifter ab.
Brandschutz in Kürze
- Grundvoraussetzung für alle Brandschutzmaßnahmen ist es, Ordnung zu halten und für Sauberkeit zu sorgen.
- Halten Sie Rettungswege, Feuerwehrzugänge und Notausgänge frei.
- Feuerschutztüren müssen immer geschlossen sein.
- Kontrollieren Sie Feuerlöscher, Hydranten. Löschdecken, Löschwasserversorgung und Brandmelder regelmäßig auf Einsatzbereitschaft und Vollständigkeit.
- Heu- und Strohlagerung im Freien muss 25 Meter von Gebäuden entfernt erfolgen. Bei Gebäuden mit brennbaren Außenwänden oder Dächern muss der Abstand mindestens 50 Meter betragen.
- Rauchen und Arbeiten mit offenem Feuer oder Glut sind in den Stallgebäuden, sowie in den Bereichen, wo Heu und Stroh gelagert wird, verboten.
- Zugangstüren zu Heu- und Strohlagern sowie zu Futter- und Sattelkammern sind stets geschlossen zu halten. Unbefugte haben keinen Zutritt.
- Beschädigungen an elektrischen Leitungen, Verteilern und Leuchtern sind sofort dem Verantwortlichen zu melden.
- Feuerlöscher müssen ständig sichtbar und griffbereit gehalten werden.
- Bestimmen Sie einen Brandschutzbeauftragten für Ihren Betrieb. Der ausgewählte Mitarbeiter sollte möglichst immer vor Ort sein.
- Hängen Sie die Brandschutzordnung Teil A gut sichtbar auf.
- Machen Sie alle Mitarbeiter mit der Brandschutzordnung Teil B bekannt.
- Führen Sie neue Mitarbeiter gleich bei der ersten Unterweisung in sämtliche Brandschutzmaßnahmen ein.
- Denken Sie bereits im Vorfeld darüber nach, auf welche Fläche Sie die Pferde im Falle eines Brandes bringen möchten und teilen Sie diesen Sammelplatz der Feuerwehr mit.
Maßnahmen im Brandfall
1. Ruhe bewahren!
2. Die Feuerwehr rufen: 112
3. Meldeschema beachten: WER meldet? WO brennt es? WAS ist passiert? Sind Personen in Gefahr?
4. Menschen und Tiere in Sicherheit bringen.
5. Bis zum Eintreffen der Feuerwehr Löschversuch unternehmen.
6. Wenn möglich durch Hilfsperson die Feuerwehr einweisen lassen.
7. Die Feuerwehr informieren: WAS brennt? WO sind Personen und Tiere im Gebäude? WELCHE Zugangsmöglichkeiten bestehen?
Rettung von Pferden
Die Evakuierung der Pferde gelingt am leichtesten durch Personen, die sie täglich füttern und pflegen. Das Pferd laut, ruhig, aber bestimmt ansprechen. Nie eine Box betreten, bevor das Pferd Sie gesehen hat. Die leuchtende Einsatzkleidung kann Pferde sonst erschrecken. Machen Sie keine hektischen Bewegungen. Klopfen Sie das Pferd vorsichtig und beruhigend am Hals.
Die Boxentür muss vollständig geöffnet sein, dass das Pferd nicht hängen bleibt. Die Führperson verlässt die Box vor dem Pferd, damit Sie nicht im Türrahmen eingequetscht werden kann.
Ängstliche Pferde, die die Box nicht verlassen wollen, werden zu zweit herausgeholt: Einer spricht vorne mit dem Pferd und zieht vorsichtig am Strick, der andere treibt von hinten mit einem Stock. Dabei auf Selbstschutz achten! Stattdessen kann auch ein langes Seil um die Hinterhand gelegt werden, an dem ein Helfer – ähnlich wie bei einer Verladehilfe – von vorne zieht.
Nervösen Tieren kann man die Augen verbinden. Auf diese Weise sehen sie die Gefahr nicht mehr. Stürmende Tiere kann man zurückhalten, indem man sich über die Schulter seitlich mit dem ganzen Körpergewicht vor die Pferdebrust legt. Manchmal reicht es auch aus, eine Hand vor das Auge des Pferdes zu halten.
Die evakuierten Tiere sollten sich nicht frei auf dem Hofgelände bewegen, sondern zu einem gesicherten Sammelplatz oder in die Reithalle gebracht werden.
Tipp: An Tagen mit erhöhtem Brandrisiko (Silvester, starkes Gewitter) sollten die Pferde generell in der Box ein Halfter tragen.