Arthrose: Gelenke schlecht geschmiert

Pferde 69Schon immer litt der Araberwallach Amun al Kiasim an einer allgemeinen Konstitutionsschwäche. Als Fohlen plagte ihn eine rachitische Gelenksentzündung. Später zog er sich einen Sehnenschaden am rechten Vorderbein zu. Und dann plötzlich diese immer wieder kehrende, schleichende Lahmheit hinten rechts. Als seine Besitzerin Gesine Rathke vom Tierarzt eine Beugeprobe machen ließ, bestätigte sich ihr Verdacht: Kiasim hatte Spat, eine Arthrose im Sprunggelenk. In der Tierklinik riet man ihr, den Wallach trotzdem zu trainieren. Vor allem Bergsteigen solle helfen. Wie steil die Berge sein dürfen, sagte allerdings niemand. „Am nächsten Tag konnte er sich fast nicht mehr bewegen. Ich musste ihm Schmerzmittel geben“, erinnert sich Gesine Rathke. „Seither lese ich so viel wie möglich über Spat und habe einige Möglichkeiten gefunden, die Symptome zu lindern.“

Zum einen erhält Kiasim nun Ingwer in konzentrierter Form. Der norddeutsche Chemiker Stefan Brosig fand heraus, dass die im Ingwer enthaltenen Gingerole die Beweglichkeit des krankhaften Gelenks positiv beeinflussen. Der Nachteil: Gingerole stehen auf der Doping-Liste, was einen Einsatz des Pferdes auf Turnieren verbietet. Außerdem spritzte der Tierarzt ihm Hyaloronsäure, ein Knorpelaufbaupräparat. Sie ist Bestandteil der normalen Gelenkschmiere (Synovia). Auf diese Weise läuft der 19-jährige Araber seit nunmehr fünf Jahren mehr oder weniger lahmfrei.

Vielfältige Ursachen

Arthrose entsteht meist durch Überbelastung. Häufig kommt es bereits beim Einreiten des Jungpferdes zu Entzündungsherden in überbelasteten Gelenken. Eine schlechte Ernährung der Mutter oder des Fohlens sowie nicht artgerechte Haltungsbedingungen können ebenfalls Auslöser für ein arthrose-anfälliges, unreifes Skelett sein. Daneben unterliegt jedes Pferd der Gefahr, durch Stöße, Tritte oder Schnitte von außen am Gelenk verletzt zu werden. Im Fall von Kiasim war die Krankheit höchstwahrscheinlich erblich bedingt. Aber auch eine schlecht ausgeheilte Allgemeinerkrankung oder Stoffwechselstörung könnte den Nährboden für die spätere Arthrose gelegt haben.

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Was passiert nun im Gelenk wenn sich eine Arthrose bildet? Im schlimmsten Fall sind Knorpel, Knochen und Gelenkschmiere bereits von schlechter Qualität. Das kann angeboren sein oder durch falsche Fütterung bedingt. Die oben genannten Ursachen schädigen Knochen oder Knorpel zusätzlich. Es kommt zu Entzündungen und Ödembildungen im Gelenk und im umliegenden Gewebe. Dadurch verlangsamt sich der Stoffwechsel. Der Knorpel wird nicht mehr ausreichend versorgt und dadurch degenerativ geschädigt. Das alles führt zu zunehmender Reibung im Gelenk und damit zu erneuter Schädigung des Knorpels. Ein Teufelskreislauf! Ist der Knorpel einmal zerstört, so sind die Knochen dran. Der Körper des Pferdes will sich selbst helfen und bildet an dieser Stelle Knochenmasse. Die Folge: Der Gelenkspalt wächst zu und das Gelenk versteift. Das kann im schlimmsten Fall zu einer Ankylose (Bewegungsunfähigkeit) führen.

Bewegung ist alles

Immer wieder wird in Labors versucht, Knorpelmasse im Reagenzglas nachzuzüchten. Bisher ist es aber noch nicht zu durchschlagenden Erfolgen gekommen. „Man sagt, ein Knorpel hätte eine Regenerationszeit von 400 Jahren“, weiß die Pferde-Osteopathin Alexandra Streich aus Augsburg. Deshalb sei es so wichtig, als Reiter die Gelenke zu schonen und das Pferd nicht überzubeanspruchen. „Durch Druck und Zug wird der Knorpel von der Gelenkschmiere ernährt“, erklärt die Osteopathin. „Man muss sich das vorstellen wie einen Spülschwamm, den man im Wasser auswringt und wieder loslässt – eine Durchsaftung erfolgt.“

Aus diesem Grund ist Bewegung für Pferde so wichtig. Durch das ständige Auf- und Abfußen saugen sich viele hundert Gelenkknorpel im Pferdekörper mit den lebenswichtigen Substanzen der Synovia voll. Bei einem stehenden Pferd ist die Gelenkschmiere nicht flüssig sondern gallertartig. „Ziemlich ungünstig ist es daher, ein Pferd 23 Stunden in der Box stehen zu lassen um es anschließend loszugaloppieren“, sagt Alexandra Streich. Was bereits für ein gesundes Tier schlecht ist, ist für das Arthrose-geplagte Pferd Gift. Mindestens zehn Minuten, besser fünfzehn, sollte es im Schritt aufgewärmt werden. Am besten eignet sich zu seiner Haltung deshalb ein Offen- oder Laufstall.

Mögliche Therapien

Damit sich die geplagten Zellen innerhalb des Gelenks besser regenerieren können, eignet sich als Therapiemaßnahme alles, was die Durchblutung fördert – Alexandra Streich bietet ihren Patienten Massagen und Lymphdrainagen an. Außerdem kann sie über Mobilisationen das betroffene Gelenk beweglich halten. Sitzt die Arthrose im Rücken, so wölbt sie über bestimmte Druckpunkte den Rücken auf. Die Dornfortsätze der Wirbelkörper fächern sich dadurch auf.

Wer selbst ein geschickter Reiter ist, kann seinem Pferd durch korrektes Vorwärts-Abwärts-Reiten helfen. In dieser Haltung driften ebenfalls die Dornfortsätze auseinander. Rücken- und Bauchmuskulatur werden gestärkt, was Spondylarthrosen und Kissing Spines vorbeugt. Was auch der Laie machen kann: Das betroffene Gelenk mit Arnika-Salbe einreiben. Dem Pferd Wärme verschaffen durch Solarium oder Decke. Reiten auf hartem Boden vermeiden. Keine scharfen Wendungen oder enge Bögen reiten. Fragen Sie sich außerdem: Was hat die Arthrose ausgelöst? Und schaffen Sie die Ursache ab!

Die richtige Fütterung

Bei der Fütterung des Arthrose-Pferds muss darauf geachtet werden, dass das Mahl nicht zu eiweißreich ausfällt, denn Übergewicht belastet nur zusätzlich den Bewegungsapparat und den gesamten Stoffwechsel. Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente spielen eine wichtige Rolle für die Gelenke. Deshalb sollte ein passendes Mineralfutter eingesetzt werden. Das Calzium : Phosphor-Verhältnis sollte 2 : 1 betragen. Ein ungünstiges Verhältnis dieser beiden Mengenelemente kann wie im Fall von Araber Amun al Kiasim Gelenkentzündungen hervorrufen. Zugefüttert werden kann Neuseeländisches Muschelextrakt. Dieses enthält einen hohen Anteil an Glykosaminogykanen, die zu den wichtigen Hauptbestandteilen des Bindegewebes gehören und so die Gelenke belastbarer und stabiler machen. Außerdem fördern sie die Bildung der Gelenkschmiere.

Hufachsmesser kann helfen

Die gute Nachricht am Schluss: Es gibt ein neues Gerät, das auch Hufschmiede zum Wohltäter für Arthrose-Patienten macht: Der „Hufachsmesser“ ist ein Patent des staatlich geprüften Hufschmied Klaus Grimm aus dem bayerischen Aindling. Weil er zahlreiche Arthrose-Pferde in seiner Kundschaft hatte, suchte er nach einer Möglichkeit, ihnen zu helfen.

„Diese Pferde schonen die kranke Seite ihres Beins und belasten die gesunde“, weiß Klaus Grimm. „Folglich laufen sie den Huf an der schmerzfreien Seite mehr ab.“ Was für gesunde Pferde undenkbar wäre, ist für Arthrose-Pferde oft die Rettung: Sie müssen gemäß ihrer Schonhaltung schief gestellt werden um die kranke Beinhälfte zu entlasten.

14 Tage lang lässt Grimm die Tiere barfuß laufen. Anschließend misst er die Winkelung des Hufs. Bei schwer arthritischen Pferden beträgt die Abweichung vom Normalwert nun drei bis zehn Grad. Nun wird der Huf in seiner Schiefstellung sauber ausgeschnitten und ein Kunststoffbeschlag angebracht, um die Gelenke zu schonen. Grimm: „Ich schreibe die Gradzahl auf und bearbeite die Hufe dieses Pferdes von nun an immer mit der notierten Schiefstellung. Die Pferde laufen anschließend deutlich besser.“

Typische Formen der Arthrose

  1. Spat – die Arthrose des Sprunggelenkes – verläuft in der Regel schleichend. Anfangs sind nur die Knorpelschichten betroffen. Es zeigt sich eine geringfügige Lahmheit, die im Laufe der Bewegung wieder verschwindet. Dann kommt es zu Knochenzubildungen (Exostosen), die auch nach außen in Form der so genannten Spatbeule an der Innenseite des Sprunggelenks in Erscheinung treten können. Eine positive Beugeprobe ist ein ziemlich eindeutiges Indiz für eine Spaterkrankung. Das Wort Spat leitet sich ab vom altdeutschen „Spatz“, was soviel heißt wie Knollen, Knödel oder Knoten.
  1. Schale – die Arthrose der Zehengelenke – kann sich an jedem Bein bilden, fast immer sind aber die Vorderbeine betroffen. Auch hier führt der chronische Zustand zu einer auch von außen erkennbaren Verknöcherung.
  1. Podotrochlose – die Arthrose des Hufrollenkomplexes – wurde früher als reine Entzündung angesehen und daher „Hufrollenentzündung“ genannt. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine degenerative Veränderung des Strahlbeines durch mangelnde Blutversorgung und stattfindenden Umbauvorgängen im Knochen. Die im Bereich der Hufrolle auftretenden Druck- und Zugkräfte führen in Folge einer Mangeldurchblutung zu einer Auflösung der Knochensubstanz des Strahlbeins und zu einer Erweiterung der Kanäle der Blutgefäße. Im schlimmsten Fall entstehen richtige Löcher im Strahlbein, welche sogar zu einem Bruch des Strahlbeins führen können.

Symptome, die auf eine Arthrose hindeuten:

  • deutliche Lahmheit, die sich nach einiger Zeit „einläuft“
  • verschwollene, dicke, schmerzempfindliche Gelenke
  • Unlust, vorwärts zu gehen
  • Schwungloser, steifer Gang
  • unreiner Takt (Gangwechsel, Galopprolle im Trab)
  • Probleme bei engen Wendungen und beim Halten
  • vermehrtes Stolpern
  • Unsicherheiten bei Boden-Unebenheiten
  • Unbehangen bei Bergauf- oder Bergab-Reiten
  • vermehrtes Knacken im Gelenk
  • Unlust, sich hinzulegen
  • Probleme beim Hufegeben

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