Wunder der Zuchttechnik

Sexed semen

Ein Sortiersystem für Spermien ermöglicht es dem Stutenbesitzer, das Geschlecht seines künftigen Fohlens selbst zu bestimmen. Dabei werden die Spermazellen eines Ejakulats mit Fluoreszenzfarbstoff gefärbt, der sich an die DNA anlegt. Da das weibliche Geschlechtschromosom X rund zwei Drittel größer ist als das männliche Y, können die Spermien in einem so genannten Hochgeschwindigkeitsflowzytometer mit angekoppelter Sortiervorrichtung erfasst und nach einer Laserbestrahlung in zwei Gruppen geteilt werden. Das gewünschte Sperma hat einen Reinheitsgrad von 90 Prozent und kann anschließend ganz normal weiterverarbeitet, abgefüllt und eingefroren werden. Das Problem: Pro Stunde schafft das Sortiersystem „nur“ 15 Millionen gesexte Samenzellen – viele gehen durch mechanische und chemische Schädigungen während des Prozesses verloren. Die Produktionskosten sind aufgrund der aufwändigen Technologie sehr hoch. Um das Preis-Leistungs-Verhältnis im Rahmen zu halten, werden die einzelnen Samendosen deshalb siebenmal stärker verdünnt als normal. Gesextes Sperma sollte also immer gezielt bei jungen, fruchtbaren Tieren nahe der Ovulation (Eisprung) eingesetzt werden. In Zukunft dürften sich die Techniken zur Gewinnung von „sexed semen“ noch deutlich verbessern. Schon jetzt sind jedoch weltweit über 40 000 Tiere auf diese Art geboren worden – zumeist weibliche Nutztiere. Am Institut für Tierzucht in Mariensee wird fleißig weitergeforscht.

Sperma-Kapseln

Weil der genaue Zeitpunkt für eine erfolgreiche Besamung so schwer bestimmbar ist, liegt die Erfolgsquote bei künstlicher Befruchtung von Stuten nur bei ca. 65 Prozent. Forscher am Department für Biosysteme der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich haben jetzt eine neuartige Form der intrauterinen Insemination entwickelt, die pünktlich zum Eisprung zuschlägt: Lebende Hengstspermien aus der Cellulose-Kapsel.

Einige hundert dieser winzigen Kapseln werden der Stute wenige Tage vor dem Eisprung in den Uterus eingepflanzt. Im Moment des Eisprungs steigt der Spiegel des Luteinisierenden Hormons (LH) im Blut der Stute rasch an und sinkt danach genauso schnell wieder ab. Auf diesen abrupten Hormonanstieg reagiert die neue Kapsel, denn in ihrem Inneren befinden sich Zellen mit LH-empfindlichen Sensoren. Dockt das LH an diese an, so bildet sich das Enzym Cellulase, das die Cellulose-Kapsel von innen her auflöst. Die Samenzellen kommen frei und können zur befruchtungsfähigen Eizelle schwimmen. Auf diese Weise vergrößert sich die Erfolgsrate bei der künstlichen Besamung.

Das Produkt wurde ursprünglich für Rinder entwickelt, prinzipiell funktioniert es aber bei allen Säugetieren. Der Erfinder Professor Martin Fussenegger kann sich deshalb vorstellen, dass die Befruchtungskapsel nach einigen Anpassungen auch in der menschlichen Reproduktionsmedizin eingesetzt wird: „Das könnte Menschen entlasten, die unter starkem psychischen Druck stehen, wenn es mit dem Kinderkriegen auf natürlichem Weg nicht klappt“, sagt der Bioingenieur.

Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)

Bei dieser Art von künstlicher Befruchtung wird das Spermium direkt in das Zytoplasma der Eizelle gespritzt. Dadurch werden sehr gute Befruchtungsergebnis mit Tiefkühlsperma erzielt, auch dann, wenn es sich bei dem Gefriersamen um mindere Qualität handelt. Ein einziges lebendes Spermium mit intakter DNA reicht dafür aus. Die Firma Equine Reproduktion Innovations aus Wellington im US-Bundesstaat Colorado bietet in ihrem „Legends“-Programm gezielt ICSI mit Sperma von verstorbenen Araberhengsten an. Darüber hinaus wendet sich das Unternehmen an Stutenbesitzer, deren Tiere trotz gängiger Besamungsmethoden nicht trächtig geworden sind. In Zukunft sollen noch weitere verstorbene Hengste anderer Rassen aufgenommen kommen.

Embryotransfer

Mit dieser Technik werden Embryonen in eine fremde Empfängerstute eingebracht. Der Embryotransfer ermöglicht daher die Zucht mit Stuten, die aus Altersgründen oder verletzungsbedingt nicht in der Lage sind, ein Fohlen auszutragen. Außerdem ergibt sich daraus die Möglichkeit, aus einer Stute mit überdurchschnittlichem Zuchtwert mehrere Fohlen zu ziehen als auf konventionellem Weg. Bei der Empfängerstute muss es sich nur um eine gesunde Stute handeln, die regelmäßig normal rosst.

Der Embryotransfer erfolgt in mehreren Schritten: 1. Zyklussynchronisation von Spender- und Empfängerstute bei Direktübertragung. (Stattdessen kann auch eine künstliche Befruchtung im Reagenzglas vorausgehen). 2. Bedeckung der Spenderstute, Embryogewinnung durch Gebärmutterspülung. 3. Aufsuchen, Beurteilen, Waschen und Abfüllen des Embryos. 4. Übertragen des Embryos in eine Empfängerstute. Findet kein Direkttransfer statt, so kann der Embryo vorübergehend auch in Stickstoff eingefroren werden.

Viele speziell dafür ausgestattete Tierkliniken in Deutschland bieten mittlerweile Embryotransfer an. Die Kosten liegen bei 2 500 Euro bis 3 500 Euro, inklusive Trägerstuten-Miete. Extra kommen die Decktaxe und das Futtergeld für die Trägerstute ab dem vertraglich abgestimmten Zeitpunkt dazu. Die Embryogewinnung gelingt jedoch nur in 50 Prozent der Fälle. Und auch die Trächtigkeitsrate nach erfolgtem Transfer liegt nur zwischen rund 70 und 80 Prozent.

Klonen

Durch das Klonen werden zwei genetisch identische Individuen erschaffen. In den USA erlebte die Technik in den letzten Jahren einen wahren Boom. Zwischen dem 12. Februar und 13 März 2006 kamen in Texas fünf Klone von Smart Little Lena auf die Welt. Auch das Jahrhundert-Springpferd E.T. von Hugo Simon wurde für 250.000 Dollar in den USA geklont. Mittlerweile gibt „E.T. Cryozootech Stallion“ das Erbgut des Original-E.T. weiter, der als Wallach selber nicht decken kann.

In der Praxis funktioniert die Prozedur so: Zu Lebzeiten oder kurz nach seinem Tod wird dem zu klonenden Pferd etwas Hautgewebe entnommen. Die darin enthaltenen Zellen werden im Labor als Kultur angelegt und dann eingefroren. Dann kann es hunderte von Versuchen geben, bis ein Klon entsteht: Aus der Eizelle einer Schlachtstute wird der Zellkern entfernt und stattdessen ein Kern aus der Körperzelle des „Spenders“ eingesetzt. Im besten Fall entwickelt sich daraus ein Embryo, der einer Leihmutter eingepflanzt wird. Bei einem Klonfohlen brauchte die Firma Cryozootech rund 2000 Eizellen für 22 Embryonen. Nur einer davon wurde als Fohlen ausgetragen.

Klone haben immer dasselbe Geschlecht wie ihre Spender. Sie sind eine 100-prozentige genetische Kopie. Ähnlich wie bei eineiigen Zwillingen sehen jedoch auch die Klone nicht immer ganz gleich aus. Die embryonale Entwicklung der Zellen läuft manchmal etwas anders ab – sie ist nicht nur vom genetischen Material, sondern auch von den Bedingungen abhängig, die im Uterus herrschen. Der „echte“ E.T. beispielsweise hatte eine unverkennbare große Blesse, die auf Höhe des rechten Auges kreisrund unterbrochen wurde. Sein Klon hat eine normale dünne Blesse.

Das Klonen von Wirbeltieren ist aus ethischen Gründen sehr umstritten. Bereits nach dem frühen Tod des ersten Klonschafs „Dolly“ im Alter von sechs Jahren wurde gemunkelt, das Erbgut von Klonen ähnle dem alter Tiere. Die Wissenschaft streitet das ab und verweist auf weitere Dolly-Klone, die nach wie vor gesund sind. Vermutet wird jedoch, dass Klon-Fohlen häufiger als Normalgeborene am so genannten Large Offspring Syndrome leiden. Sie kommen abnormal groß zur Welt und sterben oft innerhalb weniger Tage.

Anti-Baby-Spritze PZP

Um die ansteigenden Populationen von Mustangs in Nordamerika in den Griff zu bekommen, entwickelten Biologen, Veterinäre und Wildlife-Manager eine „Anti-Baby-Spritze für das Pferd“: das Medikament PZP. Die Abkürzung steht für Porcine Zona Pellucida – ein langwirkendes Kontrazeptivum, das aus der Hülle von Schweine-Eizellen gewonnen wird. Nach der Injektion bildet die Stute darauf Antikörper, die sich an die Hülle ihrer eigenen Eizellen anlagern und dort ein Andocken der Spermien verhindern.

Anders als die Hormondepots, die vielen Zoo-Tieren zur Geburtenkontrolle eingepflanzt werden, ist PZP weitgehend frei von Nebenwirkungen. Das bestätigen auch Langzeitstudien, die seit Mitte der 90er Jahre bei verschiedenen Wildpferden laufen. Die kurzfristige Unfruchtbarkeit der Stuten ist reversibel, wenn nach fünf Jahren mit der Gabe des Medikaments aufgehört wird. Allerdings verschob sich bei einigen Herden nach Absetzen des Medikaments die Decksaison um zwei bis drei Monate nach hinten. Die Empfängnisverhütung über mehrere Jahre hatte das Paarungsverhalten der Stuten durcheinander gebracht. In Deutschland ist PZP weitgehend unbekannt und wird nur in einigen Przewalski-Reservaten eingesetzt.

Genomische Selektion

Was in der Rinderzucht schon seit Jahren gang und gäbe ist, schwappt langsam auch in den Pferdebereich: Mit Hilfe der Genomischen Selektion kann ein Züchter den genetischen Wert eines Tieres direkt bestimmen. Die genetischen Informationen sind über die DNA auf Tausende von Genen verteilt. Genetische Marker sind kleine, wiedererkennbare DNA-Teilchen, die nahe bei den Genen liegen. Marker liefern Informationen über diese Gene und das genetische Potenzial eines Tieres. Die in den letzten Jahren rasante biotechnologische Entwicklung der DNA-Analytik ermöglicht es, aus einer Blut- oder Spermaprobe Zuchtwerte wie Größe, Bewegungspotenzial, Springvermögen, Fruchtbarkeit oder rassetypisches Aussehen abzulesen. Neben den klassischen Pedigree- und leistungsbasierten Zuchtwerten stellt der auf geschätzten Markereffekten basierte genomische Zuchtwert damit eine völlig neue Informationsquelle dar. Durch die genomische Selektion kann man den Zuchtwert eines Pferdes theoretisch schon im Fohlenalter bestimmen und muss weder auf Leistungsnachweise, noch auf Nachwuchs warten. In der Freibergerzucht gibt es bereits erste Erfahrungswerte, so dass systematische Phänotypen und DNA-Proben gesammelt werden und in einer entsprechenden Datenbank des Zuchtverbandes einfließen.

Hengstwahl per Computerprogramm

Noch eine Innovation aus der Rinderzucht, die über kurz oder lang die Pferdewelt erobern wird: Das Selektionsprogramm Gencont findet den „optimum genetic contribution“ heraus, also den für ein bestimmtes Zuchtpferd optimalen Partner bei begrenztem Inzuchtzuwachs. Man gibt einfach den Selektionskandidaten mit geschätztem Zuchtwert, Pedigree und einige Optimierungskriterien ein und Gencont schlägt gezielt bestimmte Tiere zur Anpaarung vor. Die Hannoveraner Springpferdezüchter experimentieren bereits damit.

Farbtest:

Welche Farbe hat das Fohlen aus der Verpaarung eines Fuchses mit einem Rappen? Weil die Antwort je nach Genotyp sehr unterschiedlich ausfallen kann, gibt es diverse Farb-Tests, die auch in Deutschland von vielen Laboren angeboten werden. Getestet wird zum Beispiel folgendes:

  • Rotfaktor: Trägt ein nicht-fuchsfarbenes Pferd trotzdem das rezessive Rot-Gen und kann somit fuchsfarbene Nachkommen zeugen? Interessant für alle Züchter, die keine Füchse in der Zucht wünschen.
  • Agouti/Wildfarben: Der Test findet heraus, ob das Pferd genetisch Rappe oder Brauner ist. Wichtig zu wissen ist dies evtl. bei Füchsen oder Weißgeborenen für die Zucht.
  • Tobiano: Liegt die Scheckung reinerbig oder mischerbig vor? Man findet so heraus, ob der Schecke seine Zeichnung zu 50% oder zu 100% vererbt.
  • Cream: Das Creme-Gen hellt rotes Fell auf, während schwarzes Fell weitgehend unbeeinflußt bleibt. Interessant ist dieser Test daher vor allem bei Rappen, um festzustellen, ob sie das Cremegen haben und so Palominos und Buckskins zeugen können.
  • Silver Dapple/Windfarben: Das Windfarbgen beeinflußt entgegengesetzt zum Cream nur das dunkle Fell, Füchse bleiben äußerlich unbeeinflußt. Daher kann es interessant sein, einen Fuchs zu testen ob er nicht ein Fuchs-Windfarbener ist.
  • Sabino I: Dominante Variante des Sabinos. Nicht alle als Sabino bezeichneten Pferde haben dieses Sabino-Gen, so dass ein Test nur diesen einen dominanten Typ nachweisen kann.
  • Dun (nur in USA möglich): Zur genauen Bestimmung sollten Fotos sowie Haare der Eltern mitgeschickt werden.

(Quelle Farbtest: Pferdefarben.eu)

Übrigens…

… Hengste samen nicht in die Scheide der Stute ab, sondern sind so genannte Zervixbesamer. Das bedeutet, die Eichel erzeugt durch Aufschwellen einen Unterdruck und saugt sich am Gebärmutterhals an. So gelangt das Ejakulat direkt in den Uterus und spart sich den langen Weg durch die Scheide. Das ist der Grund, weshalb künstliche Besamungen vom Tierarzt immer mit einer Pipette direkt in die Gebärmutter erfolgen. Noch effizienter ist die Besamung in den Eileiter, bei der nur geringe Spermienzahlen notwendig sind. Sie wird in manchen Fällen bei reduzierter Samenqualität, bei gefrorenem oder gesextem Sperma angewandt.

Das Tierreich schafft diesen Volltreffer übrigens auch ohne Reproduktionsmedizin: Erpel stoßen bei der Paarung direkt in den Eileiter der Ente vor.

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