Verhaltensforscher über kognitive Fähigkeiten bei Pferden: „Es gibt kein Richtig oder Falsch!“

Mit dem australischen Verhaltensforscher Dr. Andrew McLean bot die FN eine Premiere. Erstmals war der Zoologe in Deutschland zu hören. Dass ihn alle verstanden, dafür sorgte seine Co-Referentin Dr. Uta König von Borstel, ebenfalls Verhaltensforscherin und Mitautorin des FN-Buches „Pferde verstehen“, die auch vor Ort die Übersetzung leistete. Nicht nur gilt McLean als einer der renommiertesten Experten auf dem Gebiet des Pferdeverhaltens und des Lernens von Pferden. Als ehemals international erfolgreicher Vielseitigkeits- und Dressurreiter weiß er auch Theorie und Praxis zu verbinden. Zu Beginn seines Vortrags ging er auf die kognitiven Fähigkeiten des Pferdes ein. Er machte deutlich, dass das Pferd ein angeborenes Verhalten hat, das seinem Überleben, seiner Existenzsicherung und seiner Bedürfnisbefriedigung dient. Es verhält sich seiner Natur entsprechend. Daher gibt es aus der Sicht des Pferdes auch kein falsches Verhalten. Diese Wertung würde verantwortliches Handeln voraussetzen. Dazu ist das Pferd aber gar nicht in der Lage. Es ist dem Menschen kognitiv deutlich unterlegen, denn dem Pferdegehirn fehlt im Gegensatz zum menschlichen Gehirn der präfrontale Kortex, also jener Hirnbereich, der zu vorausschauendem, planerischem Verhalten befähigt.

Richtig oder falsch ist das Verhalten von Pferden nur aus der Sicht des Menschen. Als Beispiel nannte er den Fluchttrieb, ein beim Reiten unerwünschtes Verhalten des Pferdes. Durch Training kann das Pferd lernen, dem Menschen soweit zu vertrauen, dass seine Reaktion auf angsteinflössende Reize geringer oder kaum ausfällt. Damit Pferde lernen können, muss man aber wissen, wie Pferde lernen. Dazu nannte er verschiedene Lernmethoden, die man als Pferdeausbilder kennen muss: Gewöhnung und Konditionierung. Der Lernerfolg wird allerdings von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Haltungsbedingungen, die die Natur des Pferdes nicht berücksichtigen – ihr Bedürfnis nach Bewegung, nach Sozialkontakt zu anderen Pferden oder nach Grasen – eigentlich 16 Stunden am Tag – haben Einfluss auf den Erregungszustand und die emotionale Verfassung des Pferdes und damit auf deren Lernverhalten. Ein weiterer Lernfaktor ist die Beziehung zwischen Mensch und Pferd. Eine klare, eindeutige, verständliche, beständige und vorhersehbare Kommunikation des Menschen mit dem Pferd ist Voraussetzung für eine vertrauensvolle Beziehung und damit für Lernerfolg. Unklare Hilfen verstören das Pferd. Umso anspruchsvoller zeigt sich die Pferdeausbildung. Der Reiter teilt dem Pferd über die Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen mit, was es tun soll. Mit diesen Hilfen übt er nach dem Verständnis von McLean Druck aus. Sobald das Pferd mit dem gewünschten Verhalten reagiert, nimmt der Reiter den Druck weg (Konditionierung durch negative Verstärkung). Das Pferd wird also durch die Wegnahme von Druck, zum Beispiel Schenkeldruck, für das Verhalten belohnt und lernt so, was es tun soll. Vorausgesetzt es stimmt auch noch das Timing. Nur die sofortige Reaktion auf das Verhalten stellt für das Pferd auch den Zusammenhang und damit den Lerneffekt her.

Wie das Ganze in der Praxis aussehen kann, zeigten drei Beispiele im Anschluss. Pferdewirtschaftsmeisterin Waltraud Böhmke gab mit einem vierjährigen Hengst des Landgestütes Einblick in die Bodenarbeit und bestätigte den Zusammenhang von guter Körpersprache und Timing. Dass der junge Hengst mit dem Applaus fertig wurde, war Ergebnis einer weiteren Lernmethode zu der McLean in der Situation riet:  die Verhaltensüberlagerung. Quasi als Ablenkung ließ Böhmke den Vierbeiner Vor-und-Zurück-Treten und sorgte so dafür, dass er sich entspannte. Wie sich die Lerntheorie beim Reiten einsetzen lässt, demonstrierte Thies Kaspareit, Leiter der FN-Abteilung Ausbildung und Wissenschaft. Als sein „Schüler“, ein Auszubildender des Landgestüts einritt, scheute sein Pferd vor einer Kamera von ClipMyHorse.tv. Zum einen ließ er den Reiter in größerem Abstand zur Kamera reiten. Zum anderen lenkte er Reiter und Pferd mit einer neuen Aufgabe ab, bei der sie sich dem „Reiz“ sukzessive näherten. Zum Abschluss zeigte Kai Vorberg, mehrmaliger Voltigierweltmeister und Mitarbeiter der FN-Abteilung Ausbildung und Wissenschaft, an welche Reize ein Voltigierpferd gewöhnt wird. Nicht nur in der Halle ist es oft unruhig, auch auf dem Pferderücken geht es unruhig zu. Das beginnt mit dem „Weit-hinten-auf-dem-Pferderücken-sitzen“, auf dem Pferd turnen und – wie ein Säbelzahntiger – seitlich anlaufen und aufspringen. Was so selbstverständlich aussieht, ist eben keine Selbstverständlichkeit.

Besser werden, Wissen vermitteln – das ist der Anspruch der FN-Bildungskonferenz. Und das ist auch der Grund für das neue Mentorensystem, dass die FN und die Landespferdesportverbände seit Anfang des Jahres für Ausbilder anbieten. Und damit ist die FN innerhalb der Sportverbände Vorreiter, wie Hermann Grams, Diplom-Sportlehrer und Mentoring-Experte, bestätigte. Was Mentoring ist, wie es funktioniert und was es bringt, darum ging es im zweiten Teil der Bildungskonferenz. „Trainer helfen Trainern“ ist der Ansatz der Mentorenbegleitung. Es ist eine Weiterentwicklung der Ausbildung der Trainer. Während der Trainerausbildung steht nur eine begrenzte Zahl von Unterrichtsstunden für viele Lerninhalte zur Verfügung. Das Mentoring setzt hier an. Es vervollständigt die Ausbildung von Trainern und bedeutet individuelles Lernen, da es gezielt auf den Fortbildungswunsch eines Ausbilders zugeschnitten ist. Gleichzeitig trifft das Lernen hier auf die Praxis, denn entweder kommt der Mentor, ein erfahrener Ausbilder, zum lernenden Trainer oder dieser kommt zum Mentor. Dabei ist das keine hierarchische Beziehung. Mentor und lernender Trainer begegnen sich auf Augenhöhe, mit gegenseitiger Wertschätzung und Anerkennung, so Grams. Die Chemie muss stimmen. Mentoring braucht zudem Freiwilligkeit, Vertraulichkeit und Verbindlichkeit. Der Mentor ist keine Lehrkraft. Er muss gut zuhören, beobachten, erklären und Lernimpulse setzen können. Damit ein Mentoring gelingt, muss der lernende Trainer Fehler machen dürfen, sein Tempo finden, ermutigt werden, aktiv mitarbeiten, kritik- und lernbereit sein. Wie das praktisch aussehen kann, erfuhren die Gäste in einer Art Rollenspiel. Mit den Pferdewirtschaftsmeisterinnen Monika Schnepper und Cornelia Endres gaben zwei erfahrene Mentoren aus dem Landespferdesportverband Westfalen einen Einblick in den Ablauf eines Mentorings. Der lernende Trainer gibt zum Beispiel Reitunterricht und während oder nach der Stunde findet ein Gespräch statt. In der Realität ist dieses ein Vier-Augen-Gespräch und vertraulich. Es kann ein einmaliges oder mehrmaliges Treffen sein. Das entscheiden Mentor und lernender Trainer miteinander, denn Mentoring ist Lernen im Tandem. Ein Gewinn für Mentor und Trainer.

Dass die FN-Bildungskonferenz mittlerweile zu einer bedeutenden Veranstaltung geworden ist, beweise der Besuch von Dr. Till Backhaus, freute sich Konferenz-Organisatorin Eva Lempa-Röller, Referentin der Abteilung Ausbildung und Wissenschaft. Der Landwirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern eröffnete die Konferenz. Selbst passionierter Pferdemann erinnerte er daran, dass das Pferd Kulturgut ist und die Entwicklung des Menschen maßgeblich beeinflusst hat. Emotional hat sich mit dem Pferd für ihn eine der besten Lebensfreundschaften entwickelt. Und dass diese Freundschaft auch zum Wohle des Pferdes ist, dazu will die FN-Bildungskonferenz beitragen. Bo

Wer die 7. FN-Bildungskonferenz verpasst hat, kann einen Teil der Konferenz im Internet sehen. Das Internet-TV-Portal ClipMyHorse.tv bietet seinen Premiumkunden einen Mitschnitt der Veranstaltung unter www.clipmyhorse.tv im Archiv.

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