Streifen gegen Mücken und Reiter auf dem Rücken: Was Zebras alles leisten

Weit ausgreifend und mit fliegendem Schweif galoppiert das Zebra durch die Savanne. Auf seinem Rücken sitzt „Sheena, die Königin des Dschungels“. Ihr knappes Lederoutfit verhindert, dass irgendwer die Ähnlichkeit des Reittieres mit einem Araberpferd erkennt. 1984 drehte Hollywood den Dschungelfilm und schminkte dafür vier orientalische Schimmel äußerst erfolgreich auf Zebra. Das Make-up musste alle drei Wochen erneuert werden.

„Es gibt nur sehr wenig Fälle, wo ein Zebra tatsächlich eingeritten wurde“, weiß die Zoologin Dr. Annette Benesch vom Fachbereich Biowissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. „Die meisten waren in Wahrheit angemalte Pferde.“

Zebras wurden nie domestiziert

Gescheitert sind viele Versuche an der Aggressivität der Wildtiere. Während das Pferd schon seit 6000 Jahren in der Obhut des Menschen lebt und seither „friedlich gezüchtet“ wurde, gab es beim Zebra nie eine Domestikation. In seiner Heimat Afrika sei der Bedarf an Reitpferden einfach nicht da gewesen, sagt Dr. Benesch. Auch heute würden auf dem Kontinent kaum Pferde als Nutztiere eingesetzt.

Deshalb waren es auch stets europäische Forscher und Einwanderer, die „Tigerpferde“ vor Kutschen spannten und ihnen Sättel auflegten. Ersteres gelang sogar mehrmals. Meist liefen die Zebras dabei in Tandem-Anspannung, weil sie hintereinander – wie in der Wildnis – williger gingen. Um 1920 kutschierte der exzentrische englische Zoologe Lionel Walter Rothschild erstmals einen Viererzug Zebras durch London, der sogar der königlichen Familie vorgestellt wurde. Von erfolgreichen Reitversuchen ist jedoch absolut nichts dokumentiert.

Der Beweis: Tigerpferde sind reitbar!

Umso erstaunter waren 2005 die Besucher des Kinofilms „Im Rennstall ist das Zebra los“. War das nun ein angemaltes Pony, das da über die Rennbahn galoppierte oder vielleicht doch eine Computeranimation? Keins von beidem: Tiertrainer Steve Martin bewies ein für alle mal, dass die Tigerpferde eben doch reitbar sind. Acht Zebras spielten den tierischen Hauptdarsteller „Stripes“ – manche waren spezialisiert darauf, sich hinzulegen, oder einen Pflug zu ziehen. Zwei wurden als Reit-Zebras auserkoren. Es dauerte drei Monate, bis Martin es wagte, die Tiere mit der jugendlichen Hauptdarstellerin Hayden Panettiere bekannt zu machen. Zu groß war die Gefahr, dass das Mädchen einen Huftritt ins Gesicht bekam.

Die anspruchsvollste Szene in dem Film war ein Rennen, das die Pferde nachts ohne Reiter austragen. „Diese Szene war außerordentlich komplex“, erinnert sich Pferdetrainer Heath Harris. „Wir mussten 40 Pferde dazu bringen, miteinander zu arbeiten, sich Seite an Seite aufzustellen und dann das Zebra, das Stripes spielen sollte, dazubringen. Es sollte sich unter die Pferde mischen, sie aber ignorieren, um sich auf seinen Job zu konzentrieren und dann auch seine Markierungen einhalten. Wir haben das alles fast ohne Computereffekt bewerkstelligt, fast alles ist authentisch.“

Zorro, das Stunt-Zebra

Während der Kinderfilm für Furore sorgte, ging ein anderes Reit-Zebra völlig unter: Zorro, ein damals 5-jähriger Wallach, den der Dortmunder Zoo an den Belgier Ivan Peeters verkaufte. Der trainierte Zorro für seine Stuntreitertruppe Thunderguys. Peeters opferte ein ganzes Jahr, um das Vertrauen des Tieres zu gewinnen. Anfangs war das nicht immer ganz einfach: „Er kam seelenruhig auf mich zu, senkte den Kopf und biss mich ins Bein“ erzählt der Stuntreiter. „Deshalb trug ich immer Motorrad-Schutzkleidung, bestehend aus Schienbeinschützern, Schutzweste und Helm. Ich kannte das bereits aus der Arbeit mit Wildpferden und Stieren: Man weiß ja nie wirklich, ob sie einem nicht doch totmachen wollen …“.

Nach einem Jahr Bodenarbeit und täglicher Streicheleinheiten wurde Zorro eingefahren. Dazu bekam er einen Wagen mit einer eigens verlängerten Gabel, damit er sich selbst und seinen Trainer nicht verletzte, wenn er ausschlug. Und dann kam der große Tag: In voller Schutzmontur wagte sich Peeters auf den Rücken von Zorro. „Meine Güte, konnte der buckeln!“, erinnert er sich. Doch um den ehemaligen US-Rodeoreiter abzuwerfen, reichte es dann doch nicht. In den folgenden drei Jahren entwickelte sich das Zebra zu einem passablen Reittier. Eine Lebensversicherung wurde es jedoch nie. „Die Arbeit mit ihm ist immer ein bisschen stressig geblieben“, sagt Peeters. „Zebras sind viel härter, ängstlicher und ausdauernder als Pferde. Große Menschenmengen und unbekannte Objekte lösten in ihm einen viel stärkeren Fluchtreflex aus, als in jedem Pferd.“ So waren auch Zorros Auftritte auf großen Shows immer ein Spiel mit dem Feuer. Was das Publikum weder merkte noch honorierte. Peeters: „Die Leute sagten danach nur: ‚Mein Pony läuft besser in der Kutsche!’“

Deshalb tourte Zorro nur ein Jahr und nur auf großen Shows mit den Thunderguys und durfte sich dann in einen belgischen Kleintierzoo zur Ruhe setzen. Neulich holte Peeters ihn zurück an die Öffentlichkeit, weil er eine Gastrolle in einem Spielfilm spielen sollte.

Selbst der Sattel rutscht

Anders als Pferde wurden Zebras auch körperlich nie auf Reiteigenschaften gezüchtet. Für die meisten Erwachsenen sind sie zu klein, haben einen kurzen Hals und keinen Widerrist. Deshalb rutscht ein normaler Pferdesattel nach vorn, sobald das Zebra seinen Kopf senkt. Ivan Peeters ritt seinen Zorro deshalb nur mit einem Rodeo-Gurt mit Handgriff. Die Gangarten beschreibt er jedoch alle als „ganz normal. Wie bei einem Pony.“

Schauspielerin Hayden Panettierea musste Zebra Sammy für „Auf der Rennbahn ist das Zebra los“ in einem Jockeysattel galoppieren. „Es war sehr ungewohnt für mich“, sagt die Darstellerin. „Auf einem Pferd bewegt man sich eindeutig vorwärts. Auf einem Zebra fühlt es sich an, als würde man von einer Seite zur anderen geschleudert. Nicht mal am Hals kann man sich abstützen. Sonst fällt man gleich vorne über.“

Um die Reiteigenschaften des Pferdes mit der Zähigkeit und der Streifenzeichnung des Zebras zu verbinden, wurden schon früh Kreuzungsversuche zwischen beiden Arten versucht. Die Schwierigkeit dabei ist nicht nur das unterschiedliche Erbgut beider Equiden – Zebras haben 44 Chromosomen, Pferde 64 – sondern auch deren spärliches Interesse aneinander. Vor rund 6 Millionen Jahren trennte sich die Stammesgeschichte von Pferd, Esel und Zebra. Auch die Zebras entwickelten unterschiedliche Arten: das Grevyzebra, ein großes, besonders aggressives Wüstentier, das Bergzebra, ein kleineres, vom Aussterben bedrohtes Gebirgstier und schließlich das bekannte, in der afrikanischen Savanne lebende Steppenzebra. Fast alle Tigerpferde, die der Mensch für seine Reit- und Zuchtversuche benutzte, waren Steppenzebras. Die drei Arten sind untereinander nicht näher verwandt als mit Pferden oder Eseln. „Sie vermischen sich auch nicht“, weiß Zebra-Expertin Dr. Annette Benesch. „Es ist zwar möglich, mit vielen Tricks Zebras und Pferde oder Esel zu kreuzen. Ich wüsste aber nicht, ob es je gelungen ist, zwei verschiedene Zebra-Arten zu paaren.“

Eselhengst im Zebra-Look

Einen der ersten „Tricks“ dachte sich im 18. Jahrhundert der britische Forscher Lord Clive aus: Damit eine Zebrastute einen Eselhengst akzeptierte, ließ er den Hengst schwarz-weiß-gestreift bemalen. Heutzutage wird eher gezielt beobachtet, für welche Pferdestute sich ein Zebrahengst auch nur ansatzweise interessiert. Diese wird ihm dann so lange schmackhaft gemacht, bis es zum Deckakt kommt. Das Resultat einer solchen Paarung heißt landläufig „Zorse“ (Zebra und Pferd) oder „Zonkey“ (Zebra und Esel) oder in Zoologensprache „Zebroid“. Diese Tiere sind unfruchtbar wie Maultiere, können aber leichter eingeritten werden und sind vor allem wegen ihrer außergewöhnlichen Fellfarbe beliebt. Meist nehmen sie die Grundfarbe des Pferde-Elternteils an und haben zudem Streifen.

Diane Richards züchtet auf ihrer Ranche „Zorse Source“ (Zorse-Quelle) in Kalifornien solche Tiere. „Sie vereinen die besten Attribute beider Arten“, schwärmt Richards. „Das Pferd ist gelassen und trainingsbereit, das Zebra stark und ausdauernd. Zorses sind alles zusammen.“

Die Züchterin benutzt gezielt spezielle Pferderassen, um am Ende getigerte Cutting-Horses oder gestreifte Rennpferde zu erhalten. Von den Quarter Horse- und Vollblutverbänden wird sie dafür jedoch belächelt. Von der Thoroughbred Breeders’ Association wurde das Ergebnis gar als „unelegante, arme Kreatur“ bezeichnet.

Zoologin Dr. Annette Benesch findet das nicht. „Ich finde es einen guten Ansatz, Robustheit und Zähigkeit in die Pferdezucht zurückzubringen, auch wenn diese Tiere natürlich unfruchtbare Hybriden sind“, sagt sie. „Diese Eigenschaften sind vielen Hauspferden durch die Zucht verloren gegangen.“ Dr. Benesch nennt als ähnliches Beispiel eine Herde freilebender Pferde, die Kreuzungen zwischen Fjordpferden und Tarpan-Rüchzüchtungen sind. Sie hätten niemals gesundheitliche Probleme und ein hervorragendes Sozialverhalten. Von den Zorses sei Ähnliches zu erwarten.

Zuchtshows für Halb-Zebras

In Amerika gibt es deshalb mittlerweile sogar einen Zuchtverband, die International Zebra-Zorse-Zonkey Association, kurz IZZZA. Die eingetragenen Zebras, Zorses und Zonkeys treten in Halter-Wettbewerben gegeneinander an, es gibt Richtlinien für Gebäude, Streifung und Temperament und zahlreiche Trainingstipps. Nancy Nunke von der kalifornischen „Spots n Stripes Ranch“, ist Mitglied bei der IZZZA. Auf ihrem Ranchgelände tummelt sich alles, was Punkte und Streifen hat – Zebras, Dalmatiner, Appaloosas und diverse Kreuzungsprodukte. Selbst die Bilderrahmen im Wohnzimmer haben ein entsprechendes Muster. Alle Zorses und die meisten Zebras werden geritten. „Wir wollen gegen die Klischees angehen, die über Zebras in Umlauf sind“, sagt Nancy. „Weder haben sie einen schwachen Rücken, noch sind sie verrückt, noch muss man ihnen Beruhigungsmittel geben, um ihnen die Hufe zu raspeln.“ Stattdessen bezeichnet die Trainerin Zebras als die „ultimativen Equiden“. Ihre Körpersprache sei wesentlich ausgefeilter als bei Pferden, sie hätten ein umfangreicheres „Vokabular“ und seien fünfmal stärker als ein Pony ihrer Größe. Wer mit einem Zebra umgehen könne, würde fortan auch mit jedem Pferd oder Esel fertig, meint Nancy und bietet deshalb Zebra-Kurse für Pferdebesitzer an. „Alle Teilnehmer wissen viel mehr über das Verhalten der Equiden, wenn sie danach heimfahren“, verspricht die selbsternannte Zebra-Flüsterin.

Wer nun denkt, er müsste sich ebenfalls ein Tigerpferd in den heimischen Stall holen, sollte diese Idee ganz schnell wieder vergessen. „Anders als in den USA darf hierzulande nicht jeder ein Zebra halten“, weiß Dr. Annette Benesch. „Zoos geben normalerweise keine Wildtiere an Privathalter ab. Nur in Ausnahmefällen, wenn die Person einen Sachkundenachweis erbringt, kann so etwas vorkommen. Die Zoologin gibt auch zu bedenken, dass die meisten Reitstallbetreiber von einem gestreiften Neuzugang auf ihrer Koppel nicht viel halten werden. In einer Pferdeherde könne ein Zebra schon allein wegen seiner Optik Probleme hervorrufen. Im Fall von Zorro und den abgehärteten Thunderguys-Stuntpferden dauerte der erste Schreck jedoch nicht länger als eine dreiviertel Stunde. „Die Pferde rannten erst panisch davon und versteckten sich am anderen Ende der Koppel“, erinnert sich Ivan Peeters. „Ich denke, das hat weniger die Farbe als vielmehr der Geruch von Zorro ausgemacht.“ Schon wenig später waren alle dicke Kumpels und Zorro verließ seine neue Herde nur unter Protestgeschrei und mit schlagenden Hinterhufen.

Zebra-Facts:

  • Zebras können eine Höchstgeschwindigkeit von 44 km/h erreichen, um in freier Natur schnell vor einem Angreifer flüchten zu können. Ein Rennpferd schafft allerdings 59 km/h.
  • Jedes Zebra hat ein individuelles Muster, ähnlich wie die Fingerabdrücke der Menschen.
  • Die Firma Kudufleisch importiert Zebrafleisch als Delikatesse nach Deutschland. Das Kilo Zebraschinken kostet 45 Euro. Zebra-Keule gibt’s schon für 18,95 Euro, zuzüglich Mehrwertsteuer.
  • Um ein Zeichen gegen die Trophäenjagd auf exotische Tiere zu setzen, verkauft der Onlineshop www.animalhead.com Zebraköpfe aus Plüsch zum An-die-Wand-Hängen.
  • Zebras haben oft einen Begleiter mit dem ungewöhnlichen Namen Madenhacker. Dieser Vogel, reitet auf dem Rücken der Zebras mit und vertilgt die Insekten, die seinen Träger plagen.
  • Der Ruf der Grevy-Zebras klingt dem eines Esels sehr ähnlich. Bergzebras wiehern etwa wie Pferde. Der Ruf des Steppenzebras klingt wie „kwahaha“, daher kommt auch der lateinische Name „quagga“.
  • Ursprünglich  wurde eine bestimmte Unterart der Steppenzebras „Quagga“ genannt. Dabei handelte es sich um Tiere, die nur am Kopf Streifen hatten und sonst einfarbig gezeichnet waren. Sie starben Ende des 19. Jahrhunderts aus. Ein Rückzuchtprogramm in Südafrika soll die ungestreiften Zebras nun wiederbeleben. „Jeden Tag kann das erste Quagga geboren werden“, hofft Projektleiter Reinhold Rau.
  • Das Sozialverhalten der Grevy-Zebras unterscheidet sich stark von dem der übrigen Equiden: Nur zur Paarungszeit akzeptieren die Stuten einen Hengst in ihrer Nähe. Hat er seine Pflicht getan, wird er wieder zu seiner Junggesellenherde vertrieben.

INFO:

Warum haben Zebras Streifen?

Noch ist sich die Wissenschaft darüber nicht einig. Es gibt vier Theorien. Erstens: Die Streifen dienen als Tarnung, weil ihr Muster die Körperkonturen der einzelnen Tiere bei sengender Sonne auflöst. Ein angreifender Löwe sieht also vor lauter Streifen das Zebra nicht mehr. Zweitens: Das Streifenkleid ist eine Art Personalausweis. Die einzelnen Tiere, vor allem Stute und Fohlen, erkennen sich daran. Drittens: Die Streifen dienen der Thermoregulation. In der Tropensonne erwärmen sich die schwarzen Streifen 20 Grad stärker als die das Licht reflektierenden weißen, was entlang der Streifenränder zu lauter kleinen Luftwirbeln führt, die für angenehme Kühlung sorgen. Viertens: Der Sträflingslook wehrt Tse-Tse-Mücken ab, die gestreifte Objekte nur schwer erkennen können. Diese letzte Theorie hält Zebraexpertin Dr. Annette Benesch für relativ wahrscheinlich. Noch wahrscheinlicher sei eine Kombination aus allen. Siehe dazu auch die neuesten Erkenntnisse zum Thema Bremsenabwehr durch Zebrastreifen.

Kommentar verfassen