Shetlandponys

Die Zähigkeit und der Überlebenswille der Shetlandponys entstanden durch 10.000 Jahre natürliche Auslese. Das raue Klima auf den Shetland-Inseln und die knappe Ernährung sorgten dafür, dass nur die stärksten Ponys überlebten. Das machte sich der Mensch vor 2200 Jahren zunutze: Shettys trugen schwere Bauern über Hügel und Steilhänge, zogen angeschwemmten Seetang als Dünger zu den Feldern und ernährten sich notfalls von Algen.

Von 1850 bis in die 1940er Jahre wurden sie in England als Grubenpferde eingesetzt – das wohl düsterste Kapitel in der Geschichte der Rasse. Die meisten Pferde kamen Drei- oder Vierjährig in die Gruben, erblindeten durch Verletzungen an den Stollenwänden und arbeiteten trotzdem 20 Jahre lang.

„Dort bewältigten sie jährlich über 4800 km pro Tier und transportierten dabei rund 3000 Tonnen Kohle pro Tier“, weiß der Shetlandpony-Züchter und Buchautor Dr. Dr. Johannes Erich Flade. „Nur junge und kräftige Tiere wurden eingesetzt, was zur Gefährdung der Rasse hinsichtlich Bestand und Qualität führte.“ Lord Londonderry, einer der größten Kohlegrubenbesitzer Nordenglands, rettete die Rasse durch die Gründung zweier Gestüte.

"Kein Kuscheltier!"

Heute sind Shetlandponys in erster Linie Kinderreitpferde. Die IG Shetland e.V. weist in ihrer Rassebeschreibung gezielt auf diesen Einsatz hin: „Besonders als Anfangspony für Kinder geeignet“. Das Pony soll „klug, genügsam, langlebig, fruchtbar und robust“ sein und ein  „gutartiges Temperament“ haben. Flade warnt jedoch: „Das Shetlandpony ist weder ein Kuscheltier noch ein süßes Pferdchen!“ Bei falscher Haltung und Behandlung könnten die Tiere für Kinder auch gefährlich werden.

Ein solches Problem kann sogar aus falscher Fütterung resultieren. Was ursprünglich von Moos, Heidekraut und Regenwasser lebte, sieht sich plötzlich mit Mash-Töpfen und Leckerli-Tüten konfrontiert. „Das führt zur Verfettung mit all ihren Nachteilen“, warnt Flade. Besonders bei futterneidischen Hengsten sei darauf zu achten, dass sie sich nicht aggressiv gegenüber Kindern zeigen.

Maßgefertigte Mini-Slidingeisen

Wenn alles richtig gemacht wird, kann eine Shetty-Kinder-Geschichte aber so ablaufen: Shetland-Wallach Moritz ging vor neun Jahren auf dem Münchner Pferdemarkt für 450 Mark an die Familie Feuerstein aus Ostendorf bei Augsburg. Er war damals drei Jahre alt und sollte ein Reitpony für die sechsjährige Lorena werden. Das Mädchen und sein Pony haben seither zahlreiche Western-Turniere gewonnen. Als Elfjährige ließ Lorena mit Moritz zehn Quarter Horses auf dem Regio-Slide in Kreuth hinter sich. Zum Rutschen während des Sliding Stopps hatte ein Schmied Moritz sogar extra-kleine Mini-Slidingeisen maßgefertigt. Ein Jahr später brachte das Paar im Abendprogramm der Westernmesse Americana mit einer Mozart-Einlage 3200 Zuschauer zum Johlen. Danach boten ihr mehrere Leute Höchstpreise für das Pony. Lorena sagte nein. Auch wenn diese Show ihre Abschiedsvorstellung mit Moritz war. Denn mittlerweile ist sie definitiv zu groß für das 95-cm-Pferdchen. „Ich will gar nicht älter werden“, klagte sie bis zum Schluss.

Der „Originaltyp“ des Shetlandponys steht vom Typus her dem Kaltblutpferd nahe: breiter Rumpf, starke Rippenwölbung, gespaltene Kruppe. Im letzten Jahrhundert wurden einige Linien durch die Verwendung von Hengsten im orientalischen Typ leichter und edler gezüchtet. Dieser „Sportliche Typ“ hat einen zierlicheren Körper, eine konkave Nasenlinie und einen glatteren Behang. Beide Typen dürfen nicht größer als 107 cm sein. Sehr kleine Exemplare unter 87 cm entsprechen dem „Mini-Typ“. Ein „Deutsches Partbred-Shetlandpony“ ist ein Pferd mit Tigerscheck-Vorfahren.

Die kleinsten Pferde der Welt

Amerikanische Züchter machten die Shettys sowohl größer als auch kleiner. Die größeren gelten in Europa mittlerweile als eigenständige Rasse: Das „Deutsche Classic Pony“ wird bis 112 cm groß. Die kleineren wurden in den USA mit zwergenwüchsigen Arabern, Hackneys, Welshs und Vollblütern gekreuzt. Daraus entstand das „American Miniature Pony“, ein reines Show-Mini-Pferd, das aussieht wie ein Araber im Kleinformat. Diese Rasse stellt das derzeit kleinste Pferd der Welt: Fuchsstute Thumbelina ist 44,5 Zentimeter hoch und wiegt 25,85 kg. Kleiner war nur der mittlerweile verstorbene Falabella-Hengst „Little Pumpkin“. Er brachte es auf 35,5 Zentimeter und 9 kg Gewicht. Auch die Falabellas führen beinahe ausschließlich Shetland-Blut.

Zwei der bekanntesten Pferde aus verschiedenen Shetland-Typen tourten jüngst mit der Pferde-Show „Apassionata“ durch Deutschland: „Lady“, ein Deutsches Classic Pony und „Rasputin“, ein 62 cm großes schwarzes Mini-Shetlandpony. Lady zeigt Sitzpirouetten und Courbette, Rasputin beherrscht als einziges Mini-Shetlandpony überhaupt einen „Handstand“, springt Kapriolen und erhebt sich zur Levade. Dabei gehen beide Ponys ohne Gebiss am Showhalfter. Ihr Trainer Hermann Wetehof war europaweit einer der ersten Ausbilder, der Ponys in dieser Art vorgestellt hat. „Die Shetland-Züchter sind mit heute noch dankbar dafür, dass ich durch meine Dressur die Rasenmäher-Mentalität zunichte gemacht habe“, sagt er. Auf jeden Fall hat er dem Wort „Zwergenaufstand“ eine ganz neue Bedeutung gegeben.

Shetty-Facts

  • Shetlandponys gehören zu den ältesten domestizierten Kleinpferderassen überhaupt. Weil ihre Ahnenreihen so weit zurückreichen, werden sie gern als „größte Aristokraten unter den Pferden“ bezeichnet.
  • Das Alter von Shettys kann man anhand der Zähne nicht wie bei Großpferden bestimmen. Weil die Milchschneidezähne später erscheinen und der Zahnwechsel unregelässig ist, weist ein „normales“ Zahnbild beim Shetlandpony immer auf ein um ein bis drei Jahre höheres Alter hin.
  • Das wahrscheinlich teuerste Shetlandpony, das je verkauft wurde, wechselte auf einer Auktion in den USA für 100.000 Dollar den Besitzer
  • Die ersten Shetlandponys kamen erst im Jahr 1900 nach Deutschland. Das Alpengestüt Bongart importierte damals acht Stuten und einen Hengst von den Shetland-Inseln.
  • Im Verhältnis zu seiner Größe ist das Shetlandpony das stärkste Pferd der Welt. Seine Traglast beträgt bis zu 100 kg, also etwa 50 % des Ponygewichts. Ein Leistungsvergleich des niederländischen Wissenschaftlers Groeneveld mit Kalt- und Warmblutpferden zeigte, dass sämtliche Großpferde weniger als 30 Prozent ihres Eigengewichts ziehen können. Shetlandponys brachten es auf 42,8 Prozent.
  • Es wird angenommen, dass die Pferde auf den Shetlandinseln wegen der dortigen rauen Klimaverhältnisse so klein blieben. Auf dem Kontinent wurden die Pferde im Laufe der Zeit nämlich im Durchschnitt immer größer.
  • Shettys sind spätreif und sollten frühestens mit 4 Jahren angeritten werden.

 

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