Criollo

Nicht umsonst werden Criollos oft als die härteste Pferderasse der Welt bezeichnet. Der Zoologe Dr. Emilio Solanet beobachtete Anfang des 20. Jahrhunderts, dass es auf Criollo-Gestüten weniger ansteckende Krankheiten gab als auf Gestüten anderer Rassen. Daraus schloss er, dass die Pferde eine höhere Krankheitsresistenz besitzen. Vermutet wird, dass die Robustheit der Criollos mit dem Klima auf ihrem Herkunftskontinent zu tun hat. In Südamerika gibt es extrem unterschiedliche Klimazonen mit enormen Temperaturschwankungen.

Auch Marion Meyer vom Gestüt La Esperanza im bayerischen Petersaurach gerät über die Robustheit ihrer Lieblingsrasse ins Schwärmen: „Ich kenne meinen Tierarzt kaum. In 15 Jahren Zucht hatte ich nicht eine einzige Kolik und auch keine Hufrehe-Fälle.“ Die einzige Krankheit, die in argentinischen Linien manchmal vorkomme, sei das Sommerekzem. „Criollos sind alle menschenbezogen, ruhig, ausgeglichen aber dabei nicht langweilig. Außerdem sind sie leicht zu reiten. Sie bringen immer genau die Leistung, die man ihnen abverlangt – nicht weniger und auch nicht mehr.“ Einer von Meyers Deckhengsten, der in Uruguay geborene Tape Isidoro, ist der erfolgreichste Criollo Europas. Zahlreiche Siege in verschiedenen Westerndisziplinen gehen auf sein Konto.

Mischlinge kommen mit dem Schiff

Der Import der Tiere nach Europa ist in der Pferdewelt allerdings umstritten. Während wertvolle reinrassige Tiere die Reise per Flugzeug antreten, werden die Mischlinge, die so genannten „Mestizen“, per Schiff nach Europa gebracht. Marion Meyer findet: „Der Flug bedeutet schon viel Stress für die Pferde. Ich finde es unglaublich, wie man die Pferde mit dem Schiff hier rüberbringen kann. Teilweise sind bis zu 1500 Tiere eng zusammengepfercht über zwei Wochen an Bord. Wie soll man denen denn mit Futter und Wasser gerecht werden? Ich glaube, da gehen unterwegs etliche über Bord…“

Die meisten Schiffspassagiere sind Mischlinge – teilweise führen sie nicht einen Tropfen Criollo-Blut. Echte Criollos kosten in Südamerika durchschnittlich um die 15.000 Dollar. Die Mestizen hingegen sind teilweise schon für 100 Dollar zu haben. Und genau diese Preisklasse landet auf dem Schiff. „Ich will diesen Tieren nichts wegnehmen“, sagt Marion Meyer. „Da sind sicher einige gute Pferde dabei. Aber man weiß einfach nichts über sie.“

Einer, der Mischlinge im großen Stil per Schiff importiert, ist der Pferdehändler Werner Dippel aus Pressath. Der Grund: „Flugzeug ist unbezahlbar.“ Einmal im Jahr fliegt Dippel mit seiner Bereiterin nach Argentinien. Innerhalb von zwei Tagen probieren sie dort hunderte von Pferden aus. Welche davon nach Deutschland dürfen, entscheidet der Händler nach Kriterien wie Bewegung, Rittigkeit, Interieur, Alter und Farbe. Dann kommen sie Auserwählten aufs Schiff. „Die Pferde stehen da auf engstem Raum“, gibt Dippel zu. „Trotzdem werden sie von der ausgebildeten Crew gut versorgt – wenn da einer Bauchweh hat, wird er auch behandelt.“

Letztes Jahr sei kein einziges Pferd unterwegs gestorben. Im Jahr davor eines. Das Schiff legt in Italien an. Einige rangniederen und ängstlichen Tiere seien dann in schlechtem Futterzustand, was sich aber schnell wieder aufpäppeln ließe. Wenn es um die Schiffstransporte geht, gerät Dippel schnell in Rage: „Ich kann die ganzen Schauermärchen nicht mehr hören, die darüber im Umlauf sind“, ärgert er sich. „Meinen Sie im Ernst, ich könnte es mir leisten, während des Transports mehrere Pferde zu verlieren? So eine Schifffahrt kostet 2.500 Euro pro Pferd. Für diesen Preis importiert man übrigens auch kein Schlachtpferd!“

Reinrassig sind Dippels Pferde allerdings auch nicht. Mestizen würden sich in Deutschland nicht nur wegen des geringeren Preises besser verkaufen, sondern auch wegen ihrer Größe. „Der reine Criollo ist nur um die 1,40 Meter groß“, sagt Dippel. „Das ist für deutsche Reiter zu klein.“

Abgeschnittene Schweife 

Was vielen Importpferden anfangs Probleme macht, ist der kurz unter der Schweifrübe abgeschnittenen Schweif, ein Markenzeichen der Mischlinge vom Schiff. Damit das Langhaar leichter zu pflegen ist und sich bei der Arbeit nicht in Dornen und Gestrüpp verfangen kann, schneiden die Gauchos es ab. Ohne die lange Haarpracht sind die Pferde jedoch vollkommen machtlos gegen Insekten. Manche Besitzer lösen das Problem, indem sie im Schlachthof den Schweif eines toten Pferdes kaufen und die Haare in den kurzen Schweif einflechten – eine langwierige und unschöne, aber sehr effektive Prozedur.

Beim Kauf eines Criollos oder Mestizen sollte man darauf achten, dass die Reinrassigkeit des Pferdes klar festgehalten wird. Marion Meyer erinnert sich an einen Prozess um eine Händlerin, die in den Kaufvertrag eines Mestizen „Criollo“ als Rassebeschreibung eintrug und dafür am Ende eine satte Strafe bezahlen musste. Faire Händler verkaufen die Tiere unter Namen wie „Südamerikanisches Ranchpferd.“ Bei Dippel sind es „Argentinische Ranchpferde“.

Sportlich werden Criollos meist im Westernreiten, aber auch im Distanz– und Wanderreiten eingesetzt. In Südamerika haben die robusten Allrounder das Quarter Horse fast verdrängt. Marion Meyer weiß warum: „Criollos sind die gesünderen Pferde als Quarter Horses. Sie haben genauso viel Potential und viel mehr Biss.“ Auch beim Criollo gibt es verschiedene Linien, in denen speziell hinsichtlich Gebäude, Reining– und Working-Cowhorse-Leistung oder Distanzleistung gezüchtet wird. Es gibt auch zahlreiche Criollos mit cowsense, die sich für die Rinderarbeit eignen. Die Linienzucht ist allerdings nicht so ausgeprägt wie beim Quarter Horse – dadurch bleibt die Rasse vielfältiger.

Der Eroberungszug der Criollos endet aber nicht in der Western-Szene. Criollos haben bereits so manchem Araber im Distanzsport den Schneid abgekauft. Wahrhaben will das die Distanz-Szene aber nicht. An einem Züchter-Stammtisch unterhielt sich Marion Meyer einmal mit einem Araber-Züchter. Als dieser erfuhr, welche Rasse auf den Weiden von „La Esperanza“ grast, rümpfte er lediglich die Nase und sagte: „Was, so etwas kann man züchten? Ich dachte, die kann man nur essen.“

Criollo-Facts:

  • Im Jahr 1925 ritt der schweizer Lehrer Aimé Felix Tschiffely mit seinen 15 und 16 Jahre alten Criollos „Mancho“ und „Gato“ 16.093 Kilometer weit von Buenos Aires nach Washington. Der Reitanfänger Tschiffely ritt beide immer abwechselnd und brauchte für den Weg 504 Tage. Eine Zeitung titelte damals über ihn: „Unmöglich! Absurd! Der Mann muss verrückt sein!“ Als er zurückkam, schrieb er über seinen Ritt ein Buch, das über Nacht zum Bestseller wurde. Mancha und Gato lebten nach dem kontinentalen Gewaltritt noch fast zwanzig Jahre lang – Gato wurde 36, Mancha 40 Jahre alt. Sie sind im Transport-Museum von Luján nahe Buenos Aires ausgestopft zu sehen. Auf der Estancia El Cardal in Argentinien ist dem „Gefleckten“ und dem „Getigerten“ ein Ehrenmal gewidmet.
  • Mit vier Millionen Exemplaren ist der Criollo die größte Rasse Südamerikas. Für die zahlreichen Fellfarben brauchte man über 300 verschiedene Bezeichnungen. Da die spanische Sprache vom Vokabular nicht ausreichte, hat man indianische, lateinische, baskische, arabische und portugiesische Worte mit eingebracht. Die Falbfarbe in allen Variationen kommt am häufigsten vor.
  • Der Tranco ist eine fünfte Gangart ähnlich dem Tölt. Die Veranlagung dazu haben alle reinrassigen Criollos, allerdings muss man sie mit der richtigen Ausbildung und den korrekten Hilfen fördern. Auf Zuchtausstellungen sehen die Richter den Tranco gerne, aber die Gangart wird nicht speziell gefördert wie etwa der Tölt bei Isländern. Übrigens können manche Criollos auch tölten, was auf ihre Berber-Vorfahren zurückgeht.
  • Es ist verboten, die Rasse mit Vollblut zu veredeln. Wenn es doch gemacht wird, wie bei vielen Polo-Pferden, dann werden diese Tiere nicht ins Zuchtbuch eingetragen.
  • Criollos haben ein Stockmaß von 136 cm bis 148 cm. In Ausnahmefällen können Hengste bis 150 cm akzeptiert werden. Die durchschnittliche und in der Zucht gewünschte Größe liegt bei 144 cm.
  • Im November 2007 wurde eine brasilianische Criollostute für 380.000 Dollar an einen Züchter verkauft. Der Durchschnittspreis auf dieser Auktion betrug pro Criollo 50.000 Dollar.

Was ist Was?

  • CRIOLLO: ein reingezüchtetes Pferd. CRIOLLO PREPARATORIO sind ein bis drei Generationen rein gezogen, CRIOLLO DEFINITIVO sind vier Generationen rein gezogen. Mit solchen Pferden wurde in Deutschland die Zucht aufgebaut. 

     
  • CRUZADO: Seit 1995 besteht beim Bayerischen Zuchtverband für Spezialpferderassen e.V. die Eintragungsmöglichkeit als Cruzado für Stuten, die zwar keinen original südamerikanischen Abstammungsnachweis haben, aber 100% dem Rassestandard entsprechen. Hierbei ist ein Stockmaß von 149 cm als Obergrenze festgelegt. Die Nachzucht aus Anpaarung mit einem gekörten Criollohengst bekommt dann einen Herkunftsnachweis. Seit 2006 werden allerdings keine weiteren Eintragungen als Cruzado vorgenommen.
     
  • CRIOLLO-MESTIZO: mehr oder weniger criollotypisch, meistens Mischungen mit Vollblut, Kaltblut aber auch mit Warmblutrassen. Diese Pferde sind die am häufigsten in Südamerika verwendeten Arbeitspferde. Sie haben durchaus die bekannten Vorzüge und Eigenschaften des echten Criollos, werden per Schiff importiert und von einigen, leider viel zu wenigen Händlern als "südamerikanische Ranchperde" bezeichnet.

 

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