Schiefer Schweif? Spärlicher Schweif? So schaffen Sie Abhilfe!

tail of a horse on natureWie ihr Araber El Jarubin mit Schweif aussah, hat Christine Hohmann beinahe vergessen. Der heute 14-jährige Wallach verlor ihn als Jungpferd durch eine zu feste Bandage und trägt seither nur noch wenige Zotteln an einer Stummel-Schweifrübe spazieren. „Nach der Kastration band der Tierarzt Rubis Schweif hoch, damit keine Haare in die Wunde gelangen“, erzählt seine Besitzerin. „Als sich die Mullbinde gelöst hatte, habe ich mit einer elastischen Bandage den Schweif erneut einbandagiert. Leider zu stramm!“ Dadurch wurde die Durchblutung gestört und das Gewebe starb ab. Am nächsten Tag hielt der Schimmel seinen Schweif merkwürdig steif. Christine Hohmann rief den Tierarzt, der noch versuchte, die Schweifrübe zu retten, leider ohne Erfolg. Nach wenigen Tagen musste er sie amputieren.

Hohmann, die selbst Pferde ausbildet und trainiert, machte sich Vorwürfe: „Ich dachte, ich mache es besonders gut, wenn ich die Bandage erneuere. Ich hatte noch nie etwas darüber gelesen oder gehört, dass Schweifrüben so empfindlich sind. Heute weiß ich: Vier Stunden unter einer festen Bandage reichen aus, um sie absterben zu lassen. Ich gehe nie wieder mit Bandagen da ran!“ Dabei hat El Jarubin noch Glück gehabt. Die Schweifrübe ist eine Fortsetzung der Wirbelsäule mit 15 bis 21 Wirbeln im Inneren. Das entzündete Gewebe hätte durch eine aufsteigende Infektion auch eine Rückenmarksentzündung auslösen können.

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Schweiftoupets sind im Kommen

Rubi ist nicht das einzige Pferd, dem es so erging. Antonette Trahe Nales aus Borken fertigt Schopf- und Schweiftoupets für Pferde an und zählt neben Zucht- und Turnierpferden auch mehrere amputierte Pferde zu ihrer Kundschaft. Missgeschicke mit strammen Bandagen im Stall und im Pferdehänger sind laut Trahe Nales der Hauptgrund für zerstörte Schweifrüben. „Ich war früher selbst Pferdepflegerin, aber ich bin erstaunt darüber, wie viele Unfälle dieser Art es gibt“, sagt sie. „Die Haut an der Schweifrübe ist sehr empfindlich, durch Urin und Kot kann es zu diversen Infektionen kommen. Ich rate den Leiten deshalb immer: Lasst die Bandagen weg! Vor allem im Anhänger, wo es überall Ecken, Kanten und Haken gibt.“

Je nachdem, ob der Schweif ganz fehlt oder nur spärlich gewachsen ist, fertigt die Pferdefriseurin entsprechende Toupets an. Bei Turnier- und Zuchtpferden werden sie vor der Show an einem Ring befestigt, der in die bestehende Haarpracht eingeflochten ist. Die Pferde fühlen sich dadurch nicht gestört und wirken auf Zuschauer und Richter einfach beeindruckender. Das bestätigen auch die Kunden: „Ich habe das Gefühl, mein Pferd ging heute genauso wie letzte Woche. Aber heute hatten wir das Schweiftoupet und wurden platziert, letzte Woche nicht“, schwärmte ein Reiter. Auf Turnieren ist das Haarteil erlaubt, in Zuchtshows muss es gemeldet werden und wird teilweise per Mikrofon durchgesagt – „Dieser Hengst trägt ein Toupet“ –, damit etwaige Käufer sich später nicht betrogen fühlen.

Wie viele Pferde im Dressurviereck und in der Reiningarena mit Haarteil unterwegs sind, wird so schnell wohl nicht ans Licht kommen, denn Toupets sind auch beim Pferd oft noch ein Tabuthema. „Die Leute legen es in den Kofferraum und machen es vor dem Turnierstart heimlich rein. Danach kommt es genauso heimlich wieder raus, damit niemand im Stall was merkt“, weiß Trahe Nales. Wenn sie auf einem Turnier oder einer Messe ihren Stand aufbaut, gehen die meisten Visitenkarten immer dann weg, wenn sie selbst gerade nicht am Stand steht. Über Glanzspray und Zauberbürsten lässt sich der Turnierreiter gern informieren, über Fake-Schweife nicht. Dabei ist ein Showpferd mit dünnem Wedel laut Trahe Nales „wie eine schön geschminkte Braut, die vergessen hat, zum Friseur zu gehen.“

Schutz und wichtiges Ausdrucksmittel

Die voluminöse, wallende Haarpracht am Pferdepopo empfinden Menschen als Ausdruck von Eleganz und Adel. Für Pferde sind auch spärliche Schweife in den meisten Fällen eher kein Problem, so lange genug Haare vorhanden sind, um erfolgreich nach Fliegen zu schlagen. Daneben erfüllt der Schweif noch zahlreiche andere Funktionen: „Er dient der Abdeckung der empfindlichen After- oder Schamregion, weil er zum Beispiel Wind und Regenwasser ableitet. Weil er die Stimmung des Pferdes ausdrückt, dient er auch der sozialen Kommunikation. Bei windstillem, heißem Wetter dient er als Ventilator“, fasst der Freiburger Tierarzt und Verhaltensforscher Prof. Dr. Klaus Zeeb zusammen. Sind all diese Funktionen ausgeschaltet, weil die Schweifrübe kupiert oder amputiert wurde, so fehlt dem Pferd eine bedeutende Schutzfunktion und ein wichtiges Ausdrucksmittel.

Christine Hohmann wollte ihrem Araber Rubi das nicht zumuten und versuchte auf alle erdenklichen Arten, ihm zumindest einen Teil seines Schweifes wiederzugeben: „Haarkleber hat nicht gehalten, da sind die letzten Haare auch noch abgebrochen und angeschweißte Strähnen von einem Schlachtpferde-Schweif sind ebenfalls wieder abgefallen.“ Auch sie entschloss sich am Ende zu einem Schweiftoupet. Dieses wird nun zu besonderen Anlässen wie Turnieren oder Präsentationen hervorgeholt, für den Alltag auf der Koppel aber taugt es leider nicht. Zum einen, weil dabei die Gefahr besteht, dass das 300 Euro teure Teil beim Toben abgerissen wird und im Matsch landet. Zum anderen, weil Rubi mit seiner Stummelrübe den ausladenden Kunstschweif gar nicht natürlich bewegen kann. Stattdessen tritt er nun mit den Beinen nach den Fliegen oder fegt sie mit seinem spärlichen Restschweif weg.

Sind besonders viele Insekten unterwegs, so schützt Christine Hohmann ihr Pferd mit einer Fliegendecke. „Rubi selbst hat mit seinem Schweif eigentlich kein Problem. Anfangs konnte eher ich damit nicht umgehen.“ Mittlerweile ist der Stummel-Wedel ein Markenzeichen der beiden: Christine Hohmann hat sogar ihr Trainer-Logo aus einem Bild reproduziert, das deutlich Rubis kurzen Schweif zeigt.

Was der Schweif über das Pferd verrät

Unabhängig vom Zustand des Langhaars sollte jeder Reiter darauf achten, wie sein Pferd unter welchen Umständen die Schweifrübe trägt. „Ein lose hängender Schweif zeigt Entspanntheit an, ein locker pendelnder Schweif bei der Fortbewegung zeigt Gelöstheit des Pferdes an. Ein schief getragener Schweif kann Hinweis auf unangenehme Gefühle oder Schmerzen sein“, erklärt Prof. Dr. Klaus Zeeb. Besonders Letzteres hat oft mit dem Reiter zu tun. Knickt dieser nämlich in der Hüfte ein, so drückt er auf dieser Seite automatisch seinen Oberschenkel gegen den Sattel und schiebt sein Gesäß in die Gegenrichtung. „Daraufhin drückt die Polsterung des Sattels in die Rückenstreckmuskulatur des Pferdes“, weiß Beatrix Schulte Wien, Leiterin des Deutschen Instituts für Pferdeosteopathie in Dülmen. „Diese steht in Verbindung mit weiteren Muskelgruppen, dem Kreuzbein und den Schweifwirbeln.“

Etwa 80 Prozent aller betroffenen Reiter knicken nach links weg und schieben den Sattel entsprechend nach rechts. So wird die komplette rechte Seite des Pferdes zusammengezogen und es entstehen einseitige muskuläre Spannungen, die sich über den schief getragenen Schweif entladen. „Mit der natürlichen Schiefe hat das nichts zu tun!“, stellt Schulte Wien klar. Auch der „stolz“ erhobene Schweif, wie er bei vielen Arabern und anderen Vollblütern vorkommt, sei eigentlich ein Zeichen von Spannung und Wegdrücken. Grundsätzlich passiert so etwas bei blütigen Rassen besonders leicht. Schulte Wien erklärt sich das durch den erhöhten Muskeltonus und die starke Sensibilität auf alle äußeren Reize.

Wer bei seinem Pferd eine Schweifhaltung entdeckt, die vom Idealbild des locker pendelnden Langhaars abweicht, tut gut daran, einen Osteopathen zu bestellen. Dieser kann vorhandene Blockaden lösen und dem Besitzer zeigen, welche Übungen und Entspannungstechniken vorbeugen können. Beatrix Schulte Wien empfiehlt außerdem einen Sattel-Check und regelmäßige Sitzschulung des Reiters durch einen professionellen Trainer. „Manchmal liegt es an mehreren Faktoren, manchmal auch nur an einem. Das muss man im Einzelfall sauber analysieren.“

Pflege des Langhaars

Um den Schweif schön lang und voll zu erhalten ist vor allem eines nötig: schonende Pflege. Die beste Wahl bei der Schweifpflege ist immer noch das zeitaufwändige Verlesen. Leider können die meisten Reiter diese Prozedur nicht mit ihrem Zeitbudget vereinbaren. Auch im Stall von Ingrid Klimke wird nur selten Haar für Haar entwirrt, verrät Pferdepflegerin Carmen Thiemann. „An normalen Tagen machen wir nur das Stroh raus. Allerdings bürsten wir täglich die Schweifrüben, damit sich keine Schuppen bilden. Das verhindert, dass die Pferde sich scheuern.“

Etwa einmal die Woche geht’s aufs Turnier. Dann wird das Langhaar auf Hochglanz getrimmt. Dabei kommt das wichtigste Werkzeug der Pflegeprofis zum Einsatz: Schweifspray. Regelmäßig angewendet hilft es, die Haare zu entwirren und macht den Schweif kämmbar. Nach der Wäsche mit Pferdeshampoo und sorgfältigem Ausspülen sprüht Carmen Thiemann den noch nassen Schweif großzügig mit Glanzspray ein. Auch in diesem Fall bildet die Schweifrübe eine Ausnahme: „Die Chemikalien in dem Spray könnten die Haut reizen und ebenfalls zum Scheuern verleiten. Außerdem macht es die Haare glitschig und verhindert, dass man die Schweifrübe schön einflechten kann. Deshalb sprühen wir sie nicht ein.“

Viele Westernreiter flechten die Schweife ihrer Pferde stattdessen permanent zu einem Zopf oder benutzen einen Schweifsack, der das Langhaar vor Schmutz und Verklebungen schützt. Achten Sie bei der Pflege darauf, möglichst wenig Haare auszureißen, denn ein Schweifhaar braucht ein bis zwei Jahre, um nachzuwachsen. Im Normalfall hat das Wachstum allerdings seine Grenzen, genau wie beim Menschen. Ausnahmefälle bestätigen auch diese Regel: Der Palomino „Chinook“ trat um das Jahr 1890 auf Jahrmärkten auf. Sein Behang maß 6,70 Meter – das ist etwa die Länge eines Schulbusses. Den aktuell längsten Schweif (4,14 Meter) hat die 15-Jährige Paintstute JJS Summer Breeze aus Kansas. Ihre Besitzer berichten, anfangs sei der Schweif normal lang gewesen. Dann fing er an, stärker zu wachsen als bei anderen Pferden. Im Alltag auf der Weide bleibt der unpraktische Wischmob immer eingeflochten und hochgesteckt. Alle zwei Monate aber wird er gewaschen – die ganze Prozedur dauert dann drei Stunden!

Was die Schweifhaltung aussagt

  • Locker pendelnder Schweif: Losgelassenheit und Zufriedenheit
  • Eingeklemmter Schweif: Ausdruck von Angst, Schmerzen oder die Reaktion auf sehr schlechtes Wetter. Liegt eine Blockade im Kreuz-Darmbein-Gelenk vor, so kann sich das Kreuzbein nach hinten absenken (z.B. durch Stürze oder Rangkämpfe in der Herde), was ebenfalls einen eingeklemmten Schweif zur Folge hat.
  • Hochgestellter Schweif: Senkt sich das Kreuzbein nach vorne ab (z.B. durch Reiten mit weggedrücktem Rücken oder unpassenden Sattel), hat das einen höher gestellten Schweif zur Folge. Außerdem: Zeichen von Spannung und Wegdrücken, besonders bei vollblütigen Pferden.
  • Konvex nach oben gewölbter Schweif: Erregung nach einem unangenehmen Reiz.
  • Konkav nach hinten-oben gespreizter Schweif: Das Pferd wittert Gefahr.
  • Schief getragener Schweif: einseitige muskuläre Verspannungen und Blockaden, meist durch schlechten Sitz des Reiters verursacht.
  • Kreiselnder Schweif: Ausdruck von Schmerzen in den langen Rückenstreckern. Die Muskulatur tut weh, weil sie unter hoher Spannung steht.
  • Schweifschlagen: Das Pferd versucht, durch diese Bewegung seine verspannte Rückenmuskulatur zu durchbluten und zu lockern.

Wissenswertes über Pferdeschweife

  • Anders als Hauspferde wechseln Przewalski-Pferde einmal im Jahr das Haar am oberen Ende der Schweifrübe. Die langen schwarzen Haare an der unteren Hälfte überdauern den Fellwechsel. Einem Przewalski sieht man auch nach vielen Generationen an, ob eines seiner Vorfahren ein Hauspferd war: Dann nämlich wachsen ihm Schweif und Mähne lang, und fallen grundsätzlich nicht aus.
  • Durch einen Gendefekt ist innerhalb der Rasse Curly-Horse ist der so genannte „Extreme-Curly“ entstanden. Dieser bringt Pferde hervor, die weder Mähnen- noch Schweifhaar besitzen. Im Winter jedoch wächst das Langhaar auch bei diesen Pferden.
  • Der italienische Rittmeister Federigo Griso, genannt „Grisone“, veröffentlichte 1550 in seinen „Regeln der Reiterei“ sein Geheimrezept zum Antreiben langsamer Pferde: „Ein Igel, festgebunden unter dem Schweif.“
  • Viele Pferde gehen vorwärts wenn man ihnen Sand auf die Schweifrübe streut. Diesen Reflex nutzen manche Besitzer aus, um sie leichter zu verladen.
  • Bei Showpferden der Rasse American Saddlebred wird oft die untere Muskulatur der Schweifrübe durchtrennt, um eine hohe Schweifhaltung und damit ein lebhafteres Aussehen zu erreichen.

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