Die Kursteilnehmer, drei Frauen, vier Männer und ein Jugendlicher haben sich im Wanderreitzentrum von Elke Waning in Rosendahl Osterwick eingefunden, um sich in die Kunst des Ropens einweisen zu lassen. „Lassowerfen“, dieser Begriff ist völlig falsch und entlarvt einen sofort als Dilettanten. Ein Lasso ist ein Rope, es wird nicht aufgewickelt, sondern gecoilt, die Schlinge heißt Loop, man swingt das Loop über dem Kopf und schleudert es nicht etwa, die Öse ist die Honda, ein Spoke ist der Abstand zwischen Honda und Hand und ein Heel Shot ist ein Wurf auf die Hinterbeine des Rinds. Die Spitze des Loops heißt Tip, damit wird gezielt. Hat man ein Rind gefangen, „macht man Dally!“. Klar, man legt das Rope gut aufgecoilt in Loops über das Sattelhorn. Soweit so gut …
„Ich erdrossel mich gleich!“
All diese Fachbegriffe waren für keinen der Teilnehmer fremd, obwohl viele das Rope zum ersten Mal in der Hand hielten. Ropes sind in der Regel aus geflochtenem Rohleder, Hanf oder Nylon und etwa sechzig feet, also achtzehn Meter lang. „In der ersten Stunde habe ich gedacht, das ist das erste und auf jeden Fall das letzte Mal, dass ich so etwas mache. Ich habe gedacht, ich erdrossel mich gleich mit dem Seil“, schmunzelt Teilnehmerin Andrea Koch aus Neuss. Diese Erfahrung macht Leiter Frank Riemath in seinen Kursen immer wieder. „Die erste Übungsstunde ist meist recht schwierig“, erzählt er. „Man meint dann immer die Leute betreiben „Selbstroping“. Auch das Aufcoilen bereitet Probleme.“ Das kann Franz Vos nur bestätigen. „Ich hatte ständig Achten in meinem Rope. Fürchterlich, dagegen ist das Aufwickeln eines Gartenschlauchs ein Kinderspiel. So ein Rope ist steifer als man denkt“, meint er. Doch irgendwann macht es „Klick“ und alle haben den Dreh raus.
Andrea Koch hatte sich in der ersten Übungseinheit schon überlegt, mit welcher Ausrede sie den Kurs vorzeitig beenden könnte. Nun strahlt sie mit der Sonne um die Wette und ist vom Ropingvirus infiziert. „Supergeil, bin ich froh, dass ich mich durchgebissen habe!“ Am Nachmittag zielen alle Teilnehmer bereits auf Dummies, die Holzrinder und Pilonen, die Elke Waning auf ihrem Reitplatz verteilt hat. Immer häufiger fällt das Loop gekonnt über die Holzhörner und die rot-weißen Hütchen. „Wenn die Anfangsschwierigkeiten überwunden sind, dann arbeiten wir an der Handhabung und der Technik und verfeinern diese. Roping fördert die Koordination und Motorik, spielt sich aber auch im Kopf ab. Ohne Konzentration geht es nicht“, erläutert Frank Riemath.
Blasen an den Händen
„Man muss das Ropen recht sicher vom Boden aus beherrschen, bevor man es vom Pferd aus versucht“, weiß der Fachmann. So kommen die Kursteilnehmer auch erst in einem Fortgeschrittenkurs in den Genuss, vom Sattel aus zu ropen. Alle acht haben sich schon dafür vormerken lassen. „Dann bringe ich aber meine Handschuhe mit. Heute Abend werde ich unzählige Blasen haben. Aber das ist es mir wert“, meint Chico Terlinde aus Gronau.
Zum Glück besitzt Wanderreiterin Elke Waning Pferde, die so etwas mitmachen. „Da müssen die Pferdle schon einiges abkönne“, wie Frank Riemath meint. „Das Pferd muss schon ruhig stehe, denn du hast anderes zu tun, als dich um den Gaul zu kümmere. Du hast dein Rind im Auge, das Rope in der Hand …“. Von Robins Rücken aus demonstriert Frank Riemann, was auf die Teilnehmer im nächsten Kurs wartet. Den Quarter-Criollomix stört das Schwirren des Ropes nicht und auch wenn es ihn am Hals oder Kopf berührt, zuckt er höchstens mit den Ohren. „So muss es sein“, lobt der Kursleiter den Braunen, der sonst im Wanderreitbetrieb von Elke Waning unterwegs ist. In den Genuss, echte Rinder zu ropen, können die Teilnehmer in Kurs Nummer drei kommen. Auch dieser steht schon im Terminkalender vorgemerkt. „Einige Bauern haben uns schon ein paar Tiere zugesichert“, freut sich Elke Waning, diesen Kurs realisieren zu können. „Es ist übrigens Vorschrift, dass die Schlinge des Ropes sich sofort öffnet, sobald Zug auf sie kommt. Das Rind ist also sofort wieder frei“, weist Frank Riemath auf den Tierschutz hin.
Achtung: Suchtgefahr!
Er selbst kam durch seinen längeren Aufenthalt in Kalifornien zum Ropen. „Ropen enthält Suchtgefahr. Ich habe in Kalifornien Roper beobachtet und Blut geleckt“, erinnert er sich. So sattelte er nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik beruflich um – wortwörtlich: der gelernte KFZ-Mechaniker ist nun als Sattler tätig und gibt regelmäßig Ropingkurse. Mittlerweile hat Roping auch als Turnierdisziplin in Europa Einzug gehalten. „Allerdings immer noch kein Vergleich zu den USA“, bedauert Frank Riemath. „Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden.“
Auf Turnieren wird eine sogenannte „Ranch Horse Prüfung“ geritten. Sie enthält Elemente des Reinings – Stops, Rollbacks und Zirkel, um die Rittigkeit des Pferdes zu demonstrieren, dann reitet der Reiter in die Herde und cuttet ein Rind. „Und zum Schluss hast du noch die Aufgabe, des Rind mit dem Rope zu fange“, erklärt der Schwabe, der selbst ein Paint- und ein Quarterhorse besitzt. „An sich kann man von jedem Pferd aus ropen. Es braucht halt die nötige Nervenstärke. Aber irgendwann kommt man mit einem Warmblut von 1,75 Meter Stockmaß nicht mehr hinterdrein. Zum Ropen gehört auch ein bissle Cutting dazu und so Rinder sind verdammt flink. Da muss ein Pferd wenig sein und schnell beschleunige könne. Dazu sind Quarter einfach prädestiniert.“
Turnierambitionen verspürt zwar noch keiner der Kursteilnehmer, aber den Ropingvirus tragen alle bereits in sich. „Ich bin nächstes Mal auf jeden Fall wieder dabei“, ist sich der elfjährige Dustin sicher. „Ich möchte einmal vom Pferd aus ropen. Und das Größte wäre ja wirklich, wenn man ein echtes Rindvieh zum Ziel hat.“ Aber bis dahin gibt es noch viel zu üben. Zunächst sind alle einmal gespannt, wie es um ihre Treffsicherheit bestellt ist. Denn am Sonntag werden sich die Holzkühe bewegen. Wenn auch nicht so schnell wie die echten, aber immerhin …