Racinos: Amerikas außergewöhnliche Sensation

Wenn die Hufe über die Rennstrecke donnern und die Pferde sich förmlich über die Bahn schießen, um mit Reiter oder Sulkyfahrer als erster die Ziellinie zu überqueren, pumpt das Adrenalin auch bei den Zuschauern. Millimeter und Zehntelsekunden können alles entscheidend werden, für Jockeys, Besitzer, Trainer, aber auch die Wetter.

In Deutschland ist die Platzwette mit über 22 Prozent am populärsten. Dabei muss das getippte Pferd nur auf einen der drei ersten Plätze kommen. Siegwetten liegen an zweiter Stelle. Zweierwetten, bei denen Sieger und Zweiter richtig vorausgesetzt werden müssen, erfordern noch mehr Wissen und etwas Glück, während die Dreierwette als Königsdisziplin gilt und dementsprechend trotz meist hoher Quoten nur wenig gesetzt wird.

Ein pensionierter Mathematikprofessor hat daraus eine Wissenschaft gemacht. Um aus den enormen Mengen an möglichen Kombinationen pro Rennen die erfolgversprechenden herauszufiltern, fing Bill Benter in den 80er Jahren damit an, Algorithmen zu schreiben, die unter anderem Variablen wie das Tempo des Pferdes in der Geraden, die Größe von Pferd und Reiter, das Gewicht des Reiters und damit ein eventuelles Handicap des Pferdes, bisherige Ergebnisse, aber auch das Wetter einbeziehen. Nach ein paar Jahren war Benter soweit, die Algorithmen zu testen. Um sein System zu verfeinern, brauchte er dennoch etliche weitere Jahre. Wie andere erfolgreiche Zocker aus den Reihen der Mathematiker auch hatte Benter ursprünglich mit dem von einem anderen Professor entwickelten System zum Kartenzählen beim Blackjack angefangen, eine Technik, die den Vorteil des Spielers zwar nur geringfügig, aber entscheidend erhöht.

Was es in Benters Anfangstagen noch nicht gab, was aber in den USA immer populärer wird, sind Racinos. Wie der Name andeutet, handelt es sich um eine Mischung aus Rennbahn und Casino. Die Besucher können von den Tribünen aus Galoppern oder Trabern zusehen und ihre Wetten am Totalisator abschließen, sich bei Blackjack, Poker, Slots und mehr wie in einem normalen Casino unterhalten oder aber auf dem Handy beim Warten auf das nächste Rennen Poker online spielen.

Zu den beliebtesten Racinos gehört Delaware Park, das außer Rennen und Casinospielen zudem einen Golfplatz für Hobbysportler besitzt, die zwischendurch selbst aktiv werden wollen.

Racinos

Traditioneller ist das Oaklawn Racing Casino Resort in Arkansas. Tischspiele und Sportwetten stehen hier genauso auf dem Programm wie Galopprennen. Wer sich für die Historie des Sports und die Vollblüter interessiert, die Renngeschichte geschrieben haben, kann die angeschlossene „Hall of Fame“, die Ruhmeshalle, als Teil des National Museum of Racing besuchen. Das interaktive Museum lädt die Gäste dazu ein, sich mitten hinein die die Magie des Pferdesports zu versetzen.

Auf eine andere Art Zauber setzt das Hollywood Casino in Bangor im Bundesstaat Maine. Wie in Oaklawn auch ist es an eine Rennbahn angeschlossen, aber statt galoppiert wird hier getrabt, und der Casinobereich orientiert sich an der Welt von Film und Leinwand. Schließlich hat auch Hollywood seinen Teil dazu beigetragen, Pferderennen bei den breiten Massen bekannt zu machen. „Seabiscuit – mit dem Willen zum Erfolg“ kam 2003 in die Kinos. Die Geschichte über das beste Rennpferd der späten 30er Jahre wurde mit sieben Oscar-Nominierungen belohnt.

„Secretariat – Ein Pferd wird zur Legende“ und für Disney zum Hit, als das Filmstudio im Jahr 2010 die Geschichte des kastanienfarbenen Galoppers verfilmte, dessen sensationelle Gewinne in den 70er Jahren noch heute unvergessen sind. Secretariat wurde 1999 als einziger tierischer Sportler in ESPNs Liste der 50 größten Athleten aller Zeiten aufgenommen.

Erfolgreich war in der Bundesrepublik aber auch die deutsche Serie „Rivalen der Rennbahn“, die 1989 über die Bildschirme flimmerte.

 

Ob und in welchem Umfang es Racinos in das Unterhaltungsprogramm von Renn- und Gamingfans in Europa schaffen werden, muss sich noch zeugen.

Dabei haben Pferderennen in der Alten Welt eine lange, illustre Geschichte, die in der jetzigen Form in Newmarket in England beginnt. Der passionierte König Charles II. machte den Anfang im 17. Jahrhundert. Sein Lieblinsgpferd Old Rowley gewann 1671 ein Rennen in Newmarket. Der in der Nähe von London gelegene Ort und seine Rennen sind noch heute untrennbar mit dem Sport verbunden. Hier sitzt unter anderem der Jockey-Club, der die britischen Rennregeln und deren Einhaltung reguliert und in allen Streitfällen das letzte Wort hat.

Ascot ist ein zweiter Name, der jedem Rennfreund vertraut ist. Royal Ascot wurde im Jahr 1711 von Königin Anne ins Leben gerufen, um die schnellste Rösser für ihre Armee zu identifizieren. Seit 1768 erstreckt sich das Turnier über mehrere Tage. Mittlerweile kommen Jahr für Jahr rund 300.000 Besucher zu den Rennen, die zudem durch den strengen Kleidercode und die Hüte der Damenwelt berühmt geworden sind. Die als Pferdenarren bekannte Könisgfamilie hat ihre eigene Box, die sie Jahr für Jahr benutzt.

Ganz so elegant wie bei Royal Ascot geht es bei den Derbys in Deutschland und Österreich nicht zu, obwohl auch hier der Reitsport Tradition hat. Wer in Österreich an Pferde denkt, verbindet die Idee häufig mit der Spanischen Hofreitschule in Wien. Doch hier ist auch eines der ersten  nichtamerikanischen Racinos ansässig. Nur rund 20 Minuten von der Hauptstadt entfernt liegt das Magna Racino in Ebreichsdorf. Die Anlage verbindet eine Reitschule samt Parcourstraining und einen Pferdesportpark mit Galopp- und Trabrennen sowie Dressur und Spingen mit einem Spielcasino.  Das Magna Racino in Niederösterreich ist Gastgeber für nationale und internationale  Spring- und Dressurturniere in der Halle und im Freien. Neu unter den Veranstaltungen ist ein Casino Grand Prix.

Ob beim Reiten, Zusehen, Wetten oder Spielen ist eins fast garantiert, nämlich der Adrenalinschub. Das gilt für ein Racino in Österreich genauso wie für die Vorreiter aus den Vereinigten Staaten.