Lipizzaner

Im Rassestandart wird der Lipizzaner als harmonisches, ausdrucksvolles Pferd von adeliger Haltung beschrieben, das bei einer Größe zwischen 153 und 158 cm Stockmaß eher rechteckig als quadratisch wirkt. Das Pferd soll auch heute noch den barocken Anforderungen genügen, mit hoch angesetztem gebogenen Hals und einer fließenden Oberlinie. Schulter, Rücken und Kruppe sollen kräftig und muskulös sein. Die Beine sind relativ kurz mit kräftigen Gelenken und klaren Sehnen. Der Lipizzaner steht auf harten, korrekt geformten Hufen. Sein Kopf ist edel mit ausdruckvollen Augen und gerader oder leicht gebogener Nasenlinie.

Gute Versammlungsfähigkeit

Typisch ist die höhere Knieaktion, die zur Eleganz, Harmonie und Schönheit des Paradetrittes beiträgt. Der Schritt ist energisch, elastisch, taktvoll und mit genügend Raumgriff. Das tragende Hinterbein ist eine Voraussetzung für die gute Versammlungsfähigkeit des Lipizzaners. An der Spanischen Hofreitschule stellt er seine Fähigkeit zu Lektionen der Hohen Schule sowie „Schulen über der Erde“, wie beispielsweise die von vielen Reiterstandbildern bekannte Levade oder die spektakulären Sprünge Kapriole und Courbette, unter Beweis. Der Lipizzaner eignet sich aber auch hervorragend zum Gespannfahren und ist dort auf internationalen Wettbewerben sehr erfolgreich.

Heute dominiert die Schimmelfarbe, doch alle Farben sind zugelassen und gerade die braunen Lipizzaner gelten als Glücksbringer. So ist auch an der Spanischen Hofreitschule immer ein Brauner unter all den „Kaiserschimmeln“. Das Wesen des Lipizzaners zeichnet sich durch Gutmütigkeit und Gelehrigkeit aus. Er hat sich durch die Jahrhunderte sein Temperament verbunden mit Gangfreudigkeit, Härte, Ausdauer und Genügsamkeit bewahrt.

Wiege stand in Lipica

Die Geschichte des Lipizzaners beginnt mit der Gründung des ersten Gestüts 1580 auf dem Karst im Dorf Lipica, dass damals zum weitläufigen österreichischen Kaiserreich zählte. Dort sollten Prunk- und Paradepferde gezogen werden, die bisher aufwendig und mit Verlusten importiert worden waren. Diese „Spanischen Pferde“ entsprachen mit ihren lebhaften Bewegungen und ihrer guten Veranlagung zu Lektionen der Hohen Schule dem damaligen Bedürfnis der Herrschenden zur Selbstdarstellung. Eine eigene Zucht sollte den Bedarf an repräsentativen Pferden für das Hofzeremoniell decken.

Der Karst wurde als Zuchtstätte gewählt, weil die dort auf dem steinigen und kargen Boden aufwachsenden Pferde widerstandsfähig, mutig, leichtfuttrig und arbeitswillig seien sollten. Zunächst war es jedoch gar nicht so sicher, ob die ersten Pferde, die aus ihrer spanischen Heimat importiert wurden, den unwirtlichen Umweltbedingungen des Karsts gewachsen sein würden. Doch durch die harten Aufzuchtbedingungen und die damit verbundene strenge Selektion entwickelte sich ein widerstandsfähiger und genügsamer Pferdetyp. Schon bald darauf entstanden weitere kaiserliche Gestüte. Insbesondere zwischen dem bereits bestehenden Gestüt Kladrub und Lipica wurden regelmäßig Pferde ausgetauscht.

60 Prozent Original-Gene

Den Namen „Lipizzaner“ erhielten die Pferde jedoch erst sehr viel später, zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Bis dahin wurden sie als „Spanische Pferde Karster Rasse“ bezeichnet. Diese Bezeichnung mag zu der weitverbreiteten Annahme geführt haben, der Lipizzaner sei durch die Veredlung bodenständiger Karster Stuten durch spanische Hengste entstanden. DNA-Analysen belegen heute genau die einzelnen Genanteile der Rasse. Der Lipizzaner hat sich noch gut 60 Prozent seiner originalen barocken Gene bewahrt. Er ist damit die einzige überlebende Pferderasse aus jener Zeit.

Außer aus Spanien wurden auch Pferden aus Italien, Dänemark und Deutschland zugekauft. Der aus dem Lipperland stammende Hengst Lipp beispielsweise hat über seine Töchter bis heute seinen Einfluss bewahrt. Mitte des 18. Jahrhunderts begründeten die italienischen Hengste Neapolitano und Conversano oder der Original-Däne Pluto eigene Hengststämme. Nur ein Araber, der Hengst Siglavy, konnte 1810 einen Hengststamm gründen.

Kaiserpferde

Die wechselhafte Geschichte des Lipizzaners ist eng mit dem österreichischen Kaiserhaus verbunden. Die Bindung an das Hofzeremoniell der Österreich-Ungarischen Monarchie sowie der ununterbrochene Einsatz an der Spanischen Hofreitschule haben dem Lipizzaner, trotz Flucht und Vertreibung, auf Grund verschiedener kriegerischer Auseinandersetzungen und damit verbundener Verluste, bis zum Ende des I. Weltkriegs ein Überleben gesichert.

Erst danach begann die Zeit in der der Lipizzaner um sein Überleben bangen musste. Der Fall des „Eisernen Vorhangs“ und die Öffnung der europäischen Staaten untereinander sowie die Gründung einer Internationalen Dachorganisation der Lipizzan International Federation (LIF) machten erneut den Austausch von Zuchttieren möglich und bedeuteten eine neue Chance für diese alte Rasse.

 

Lesen Sie hier mehr:

Barbara Schulte  „Vom Fluchttier zum Designerpferd“
www.lipizzaner-unterdenlinden.de

 

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