Konditionsaufbau durch aerobes Ausdauertraining für Pferde

EquitationFragt man einmal nach, wie ein Pferd mehr Ausdauer bekommt, dann kommen viele ins Stocken: „Ja, viel reiten!“, „Viel und lang trainieren!“, „Der muss schwitzen, dann wird er ausdauernder!“
Die meisten Ausbilder gehen nach dem Motto „Viel hilft viel“ vor. In Sachen aerobe Ausdauer funktioniert das aber nur dann, wenn wirklich fachkundig und gezielt trainiert wird.

Aerob und anerob
Im Ausdauertraining unterscheidet man zwei Zustände im Körper. Bewegt man sich im aeroben Bereich, so kann der Körper sich durch die Atmung und einen gesteigerten, aber dennoch moderaten Herzschlag mit ausreichend Sauerstoff versorgen um die Leistung zu erbringen die gerade gefordert ist. Auf Menschen übertragen wäre hierbei das beste Beispiel zwei Jogger, die sich neben dem Laufen noch locker unterhalten können, ohne dass sie kurzatmig werden.

In diesem Bereich, dem aeroben Bereich, arbeitet der Körper sozusagen am effektivsten. Es sind ihm jetzt zwar keine Maximalleistungen wie ein sehr schneller Sprint oder das Heben großer Gewichte möglich, aber er kommt effektiv von A nach B ohne sich dabei zu verausgaben. Für Pferde ist eine gute aerobe Ausdauer in ihrer Evolution ebenso wichtig gewesen wie für den Menschen, denn beide Arten mussten zum Finden von genügend Nahrung oft weite Strecken zurücklegen.

Im anaeroben Bereich ist die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff nicht ganz ausreichend. Dies ist noch nichts Schlimmes, denn sowohl Pferd als auch Mensch sind in der Lage, kurze Zeit in diesem Bereich Leistung zu bringen. So gehören beispielsweise schnelle Sprints oder das Heben großer Gewichte oder das maximale Anspannen von Muskeln in den anaeroben Bereich. Wir Menschen ertappen uns bei solchen Übungen manchmal sogar dabei, dass wir ganz von alleine die Luft anhalten und uns gezielt in den anaeroben Bereich bringen. Hier kommt es dann aber noch zu einer weiteren Untergliederung, derer wir uns bei der Arbeit mit Pferden sehr bewusst sein müssen: Dem laktaziden und alaktaziden Bereich.

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Laktazid und alaktazid

Im alaktaziden anaeroben Bereich ist der Körper des Pferdes – wenn entsprechend vorbereitet – kurzfristig zu absoluter Höchstleistung fähig. Beispielsweise das Überspringen eines hohen Hindernisses, ein Schulsprung aus der Hohen Schule oder ein Sliding Stop beim Westernreiten. Die Zeitspanne für diesen Bereich, in dem die Übungen mit Maximalkraft ausgeführt werden können, ist aber sehr gering, nur wenige Sekunden. Überschreitet man diese paar Sekunden, kommt das Pferd in den laktaziden Bereich, in dem der Körper dann den fehlenden Sauerstoff kompensiert indem er die Muskeln übersäuern lässt – es bildet sich die sogenannte Milchsäure, die später für den „Muskelkater“ zuständig ist.
Natürlich kann es im Training immer mal versehentlich geschehen, dass man das Pferd in diesen Bereich bringt, es sollte aber nach Möglichkeit vermieden werden.

Eine Möglichkeit, die Übersäuerung und den konditions- und muskelaufbauhemmenden Muskelkater zu verhindern, ist das gezielte Trainieren der aeroben Ausdauer des Pferdes. Und wie auch bei uns Menschen heißt es hier: klein anfangen.
Das Pferd ist ein Bewegungstier und würde in freier Natur am Tag zehn bis 20 Kilometer grasend im langsamen Schritt zurücklegen. Dabei würde es sich praktisch selbst eine gute aerobe Ausdauer antrainieren, die ihm völlig reicht, insofern es nicht geritten oder gefahren wird. Leider haben unsere Pferde heutzutage nicht mehr unendliche Steppen und Wälder zur Verfügung, sondern kleine Weiden und Bewegungspaddocks.

Führanlage nutzen!

Ein gutes Hilfsmittel die aerobe Ausdauer zu verbessern ist beispielsweise auch der gezielte Einsatz eines Horse Walkers (Führanlage). Hier kann das Pferd in seiner Hauptgangart – und die ist von Natur aus nunmal der Schritt – sein Herz-Kreislauf-System auf naturnahe Weise aktivieren.
Wer keine Führanlage am Stall hat, der kann sich auch überlegen, mit dem Pferd ausgedehnte Spaziergänge zu machen. Ich kenne beispielsweise einen Hobby-Triathleten, der mit den beiden Pferden seiner Partnerin regelmäßig joggen geht. Dabei muss man aber sagen, dass diese Person extrem fit ist und mal eben locker nach der Arbeit noch 15 bis 20 Kilometer „ne kleine Runde“ ins Gebirge joggt. Seien wir aber ehrlich: Für den durchschnittlichen Freizeitreiter wäre das ein bisschen viel verlangt.

Dann bietet es sich an, mit dem Pferd regelmäßige Schrittausritte zu planen, am besten auch in hügeligem Gelände. Hierbei sollte das Pferd dann allerdings nicht gemütlich im Schritt vor sich hin schlurfen. Viel eher sollte der Reiter sich bemühen, es zu einem zügigen Power-Walking zu animieren.

Auch Longenarbeit ist sinnvoll

Sollte es aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht möglich sein, pro Woche mindestens drei größere Power-Walking-Ausritte oder Jogging-Runden zu machen und auch keine Führanlage zur Verfügung stehen, dann kann man auch noch gezielt an der Longe und Doppellonge arbeiten.

Hierbei darf man aber nicht der Versuchung erliegen, das Pferd einfach eine halbe Stunde lang in vollem Speed im Kreis herumrasen zu lassen. So wird es garantiert in den anaeroben alaktaziden Bereich kommen – und das wäre kein effektiver Konditionsaufbau.
Ein flotter Schritt, zunächst auch ohne jegliche Hilfszügel, von mindestens 15 Minuten ist hier ein gutes Warm Up für das Pferd. Wer dann an der „normalen“ Longe weiterarbeiten möchte, der kann aus dem starken Schritt das Pferd in einen lockeren Trab wechseln lassen und somit das Herz-Kreislauf-System aktivieren. Dabei sollte man aber bitte nicht Ewigkeiten in einer Gangart longieren. Besser nach folgendem Muster vorgehen: Zehn Runden Schritt, gefolgt von 15 Runden lockerem Trab, dann wieder zehn im Schritt, anschließend Handwechsel.
Verlassen Sie dabei auch bitte die Zirkelbahn! Verlagern Sie nach spätestens zwei Handwechseln den Zirkelmittelpunkt und geben Sie Ihrem Pferd immer die Möglichkeit, auch mal eine Strecke geradeaus zu laufen.

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