Jungpferde richtig füttern

Statt schlaksiger, leichter Jungspunde werden auf Zuchtschauen, Körungen und anderen Veranstaltungen häufig frühreife, muskelbepackte Schwerathleten vorgestellt. Schon mit knapp zwei Jahren sehen diese jungen Pferde „fertig“ aus, voll entwickelt, reif für den Sattel. Wenig fachkundige Pferdeliebhaber sind leicht mit Begriffen wie etwa „Frohwüchsigkeit“ zu blenden, es wird suggeriert, die Geschwindigkeit, in der sich ein Pferd entwickelt, in der es reift, sei durch Fütterung, Haltung oder Zuchtauswahl beliebig zu erhöhen. Dem ist aber nicht so. „Fohlentreiben“ ist die korrekte Bezeichnung dieses Vorgehens, das leider inzwischen schon zur Regel geworden ist.

Die unselige Entwicklung nimmt bereits im Fohlenalter ihren Anfang, wenn das noch bei der Mutter laufende Fohlen mit überhöhten Kraftfuttermengen in seiner Entwicklung „getrieben“ wird. Intensive Fütterung alleine richtet schon eine Menge Schaden an, meist aber tritt dieser Fehler im Verband mit zwei weiteren auf: Bewegungsarme, nicht artgerechte Haltung und zu frühe Arbeit. Der Grund? Es lässt sich eine ganz einfache Rechnung aufmachen: Je länger die Aufzuchtperiode, desto teurer das Pferd. Je teurer das Pferd, desto schwieriger der Absatz. Außerdem: Je „besser“ entwickelt das Jungpferd, desto größer seine Chancen beim direkten Vergleich mit Gleichaltrigen.

Das 1 x 1 der Jungpferdeaufzucht

Unabhängig von Rasse, Reitweise und individuellen Umständen gelten für alle jungen Pferde folgende Grundsätze einer gesunden, artgerechten Aufzucht:

  • Junge Pferde müssen bedarfsgerecht gefüttert werden Zu hohe Gaben von Energie und Eiweiß schädigen sie, denn sie sollten grundsätzlich eher sparsam bemuskelt sein. Das noch unreife Skelett der Jungpferde darf nicht durch übermäßiges Gewicht, sei es in Form von Fett oder Muskeln, belastet werden. Ähnelt ein junges Pferd in seiner Muskelbildung einem trainierten Reitpferd, ist dies nachteilig. Noch negativer ist eine generelle Verfettung.
  • Junge Pferde sollten artgerecht gehalten werden. Sie gehören nicht in die Box, außer etwa kurzfristig bei schwerer Krankheit. Fohlen, Absetzer und Jungpferde müssen in der Gesellschaft von Alters- und Artgenossen auf der Weide, im Offenstall oder Laufstall aufwachsen dürfen.
  • Junge Pferde brauchen viel freie Bewegung, aber keine Arbeit. Erscheinen sie aufgrund unangemessen großer Futterration weit entwickelt und langweilen sich unter falschen Haltungsbedingungen entsteht fast zwangsläufig die Einschätzung, das optisch so gut entwickelte junge Pferd gefahrlos in die Arbeit nehmen zu können, ja zu müssen. Vergessen wird dabei auch, dass junge Pferde wie alle anderen höheren Lebewesenauch im Verlauf ihrer Kindheit und Jugend auch eine geistig-seelische Reifung durchlaufen müssen, die sich mit ernsthafter Arbeit nicht verträgt.

Jedes Jahr, jeder Monat, jeder Tag der Aufzucht kostet Geld. Rein finanzielle Interessen können aber nicht alleine verantwortlich gemacht werden für den Problemkomplex „Fohlentreiben“: Die ausgeprägte Bemuskelung gilt für manche Rassen als typisch und wird als Maßstab der Qualität angesehen. Gleichzeitig werden diese Rassen als „frühreif“ bzw. „frohwüchsig“ vermarktet, was in Wahrheit lediglich als Deckmäntelchen für die Unsitte dient, diese Pferde viel zu früh anzureiten und einzusetzen. Natürlich lassen sich beim Vergleich der Rassen auch gewisse Unterschiede hinsichtlich der Wachstumsgeschwindigkeit ausmachen, doch sind diese nicht so signifikant, dass sie ein Anreiten etwa mit nicht einmal zwei Jahren rechtfertigen würden.

Jungpferde richtig füttern

Vergleicht man intensiv mit verhalten gefütterten Jungpferden hinsichtlich ihrer Entwicklung, zeigen sich folgende Zusammenhänge: Die Fütterung beeinflusst die Reifung des Gesamtorganismus nicht gleichmäßig. Während der Ansatz von Weichgewebe, also Muskulatur und Fett, durch die Fütterung direkt beeinflusst werden kann, ist die Entwicklung des Trageapparats, also des knöchernen Skeletts inklusive Bändern und Gelenken, über die Futterschüssel nicht zu beschleunigen.

Eigentlich hat die Natur es so eingerichtet, dass Knochen und Gelenke des wachsenden Pferdes in Ruhe reifen können, ohne durch das Gewicht schwellender Muskeln belastet zu werden. Größen- und Gewichtszunahme der Fohlen und Jungpferde verlaufen nicht parallel, sondern zeitversetzt. Bei der Geburt haben Fohlen aller Rassen bereits eine erhebliche Größe, ihre Widerristhöhe beträgt mehr als 50% des Endmaßes. Gleichzeitig liegt das Gewicht neugeborener Fohlen bei unter 10% der Lebendmasse erwachsener Tiere und nicht etwa ebenfalls bei 50%. Der unreife und weiche Trageapparat hat also keine Probleme, diese geringe Masse zu tragen und auszubalancieren. Die täglichen Zunahmen sind während der ersten sechs Monate hoch, so dass halbjährige Absetzer bereits 40-50% der Lebendmasse ausgewachsener Tiere erreichen, aber ihre Größenzunahme steigt zunächst überproportional an, damit der Vorsprung der Größe vor dem Gewicht gewahrt bleibt.

Dieser Trend setzt sich in den nächsten Monaten fort: Die Entwicklung der Körpergröße ist der Zunahme an Körpermasse immer einige Monate voraus. Erst im Laufe des zweiten und dritten Lebensjahres erfolgt eine allmähliche Annäherung: Mit 24 Monaten haben Jungpferde eine Widerristhöhe von fast 100% des Endmaßes erreicht, das aktuelle Gewicht liegt aber immer noch nur bei ca. 80% des Endgewichtes. Erst geraume Zeit nachdem das Jungpferd seine endgültige Widerristhöhe erreicht hat, schließt es auch seine Massenzunahme ab. So ist während der kritischen Wachstumsjahre sichergestellt, dass der unreife Trageapparat stets geschont wird.

Fett behindert die Knochenreifung

Bei durch hohe Kraftfuttergaben getriebenen Fohlen und Jungpferden dagegen sind ab dem zweiten Lebensmonat deutlich höhere tägliche Zunahmen zu beobachten, so dass der Vorsprung der Widerristhöhe in der Entwicklung kleiner wird. Erschwerend kommt hinzu, dass bei übermäßiger Fütterung der ungenutzte Anteil der Energiezufuhr in Form von Körperfett angelegt wird, das anders als eine gut entwickelte Muskulatur keine aktiv stützende Funktion übernimmt, sondern den Stützapparat lediglich passiv belastet.

Im schlimmsten Fall kommt es durch diese verdeckte Form der Überlastung zu tief greifenden Störungen der Knochenreifung. Als Hauptursachen für Entwicklungsstörungen des Skeletts gelten heute die intensive Fütterung der Jungpferde und das dementsprechend forcierte Wachstum, daneben spielen Fehler in der Haltung und mangelhafte oder übertriebene Zufuhr von Mineralstoffen eine entscheidende Rolle. Es kommt zu nicht-entzündlichen oder entzündlichen Schäden des Knochengewebes wie auch des Knorpels, die in Einzelfällen sogar in einer Abspaltung von Knochen- oder Knorpelgewebe oder in anderen schweren Strukturschäden resultieren. Die dabei entstehenden gravierenden Lahmheiten begünstigen durch die Schonhaltung das Entstehen weiterer Veränderungen, sodass es letztendlich zu Stellungsfehlern, Sehnenverkürzungen und Knochenveränderungen kommt. Diese sind oft irreversibel. Mit anderen Worten: Ist das Pferd bereits mit acht Jahren „platt“, liegt die Ursache oft in der falschen Fütterung im Fohlenalter!

Was junge Pferde wirklich brauchen

Fohlen, Absetzer und Jungpferde brauchen nicht etwa viel Futter, sondern eine speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Fütterung. Wird Kraftfutter als Ergänzung der Raufutterration eingesetzt, ist ein entsprechendes Fohlen- oder Aufzuchtfutter in genau berechneten Mengen zuzuteilen.

Bereits im Alter von einem Monat vermag die Muttermilch alleine den hohen Bedarf des Fohlens nicht mehr zu decken, es beginnt allmählich mit der Aufnahme von Beifutter, also Weidegras, Heu und, wenn es ihm angeboten wird, auch Kraftfutter. Menge und Zusammensetzung des benötigten Beifutters hängen von vielen Faktoren ab, unter anderem von der Qualität des Weideaufwuchses und dem Lebensalter der Fohlen. Als absolute Höchstgrenze empfehlen Fachleute Werte zwischen 0,25 kg und 0,5 kg je Lebensmonat, viele Fohlen werden aber auch wärend der Säugezeit nicht beigefüttert und entwickeln sich prächtig. Hafer eignet sich aufgrund seiner unzureichenden Eiweißqualität und ungünstigen Mineralstoffzusammensetzung nicht als alleiniges Kraftfutter, sondern sollte durch ein spezielles Fohlenmischfutter ergänzt oder besser ersetzt werden. Auch auf der Weide lassen sich Fohlen problemlos beifüttern, etwa durch einen Fohlenschlupf.

Das Absetzen

Je nach Geburtstermin werden die Fohlen zwischen Spätsommer und Frühwinter, üblicherweise mit 5-6 Monaten, abgesetzt. Der Zeitpunkt des Absetzens sollte vom Entwicklungszustand des Fohlens und der Verfassung der Stute abhängig gemacht werden. Der Absetzer muss zu diesem Zeitpunkt bereits signifikante Mengen an Futter aufnehmen, damit es nicht zu Wachstumsdepressionen während des Winters kommt. Im Laufe der sich an die Säugezeit anschließenden Aufzuchtperiode nimmt der Eiweißbedarf wie auch die Notwendigkeit der Zufuhr besonders hochwertiger Eiweiße kontinuierlich und signifikant ab, der Energiebedarf dagegen leicht zu.

Auch bei jungen Pferden ist weniger meist mehr: Während der Weideperiode sollte bei gehaltvollem Aufwuchs auf Kraftfuttergaben gänzlich verzichtet werden, Mineralfutter sollte dagegen immer gereicht werden. Im Winter bildet hochwertiges Heu die Grundlage der Ration, die durch Fohlenmischfutter im Mengen von höchstens 1,0kg/100kg Körpergewicht sinnvoll aufgewertet werden kann, nicht muss. Die Heuration kann durch Silagen und Leguminosenheu ergänzt und teilweise ersetzt werden. Im zweiten Lebensjahr nimmt der Bedarf an Kraftfutter ab und sinkt auf Höchstwerte von 0,75kg/100kg Lebendmasse, im dritten Aufzuchtjahr sogar darunter.

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