Die Sattel-Odyssee von Frithjof Rompf begann an dem Tag, als er seine damals sechsjährige Hannoveraner-Stute Winnie anritt. Kaum, dass sie im Widerrist- und Schulterbereich Muskeln ansetzte, passte der Lebensabschnitts-Sattel nicht mehr und ein neuer musste her. So gab er in drei Jahren rund 4000 Euro aus. Ohne Erfolg. Auch Umpolstern half nur für kurze Zeit. Die meisten Sättel rutschten auf dem langen, schwachen Rücken der Stute nach hinten oder drückten auf den steilen Widerrist. Deshalb sah sich der 40-Jährige auf der Equitana nach einem neuen System um und nahm für rund 600 Euro einen Torsion X-tra-Light mit Western-Fendern mit nach Hause. „Ich dachte mir, bei einem baumlosen Sattel gibt es grundsätzlich mal kein Anpassungsproblem. Zudem hat er mir gut gefallen und war auch preislich super.“
Mittlerweile läuft Winnie seit drei Jahren problemlos unter dem Torsion. „Damit geht es ihr so gut, wie noch mit keinem anderen Sattel zuvor“, sagt Rompf.
Er selbst musste sich an das veränderte Sitzgefühl erst einmal gewöhnen. Weil es keinen dicken Kunststoff- oder Holzbaum zwischen Pferderücken und Reiter gibt, sitzt man näher am Pferd und dadurch breiter. Frithjof Rompf fand das erst einmal „schwierig“. Nach einigen Tagen allerdings überwiegten bereits die positiven Eigenschaften des gepolsterten Sitzes: „Ich habe keinen Arsch in der Hose und deshalb in vielen Sätteln Schmerzen – trotz Gelpads und Schaffell-Auflagen. Im Torsion sitze ich viel entspannter und kann länger reiten.“
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Kurzbeinige Reiter sitzen aufgespreizt
Der Ausbilder Peter Pfister aus Eschenburg hat ähnliche Erfahrungen mit dem Sitz gemacht. Für das Jungpferd seiner Frau schaffte er einen baumlosen Barefoot Cheyenne an und reitet ihn mittlerweile auf zahlreichen seiner Berittpferde. „Die Pferde gehen darunter sehr frei, der Reiter sitzt sehr gut in der Balance und hat ein angenehmes Sitzgefühl“, sagt Pfister.
Für sein „doch eher kleines Hinterteil“ empfindet er den weichen Sitz als große Entlastung.
Nachdem Pfister den Barefoot von einigen Kunden testreiten ließ, fiel ihm auf, dass besonders schmalbeckige und kurzbeinige Reiter das Gefühl hatten, sehr „aufgespreizt“ zu sitzen.
So auch Thomas Steidl aus München. Auf der Suche nach einem passenden Sattel für seinen Andalusierwallach Cando testete er mehrere baumlose Sättel und kam zu dem Schluss, dass er damit keine gymnastizierenden Übungen reiten könne. Peter Pfister hingegen schickt seine Pferde unter dem Barefoot über Trabdiagonalen und piaffiert, dass es eine Freude ist.
Die meisten Hersteller kennen dieses Problem und raten ihren Kunden daher, die Sättel vor dem Kauf probezureiten.
Problemstelle Steigbügelaufhängung
Umstritten sind Barefoot, Torsion und Co., was ihre Auswirkungen auf den Pferderücken angeht. Die Osteopathin Susanne Wieland rät generell von baumlosen Sätteln ab. Nach ihrer Erfahrung verschaffen diese dem Pferd für kurze Zeit Erleichterung, da sie nicht an den gewohnten Stellen drücken. Nach etwa einem Jahr hätten die meisten Pferde aber Probleme im Bereich der Steigbügelaufhängung. Diese kann nicht wie bei herkömmlichen Sätteln in den Baum eingearbeitet werden und verläuft daher hinter dem Widerrist über den Pferderücken.
Die Hannoveranerstute Winnie ist allerdings nicht das einzige Pferd, das seit mehreren Jahren problemlos ohne Sattelbaum läuft. Im Internet singen zahlreiche „turnierorientierte Freizeitreiter“ Lobeshymnen auf verschiedene baumlose Sättel. Die Betreiber der Internetseite „hufkratzer.de“ erklären, weshalb das so ist: „Da die Steigbügelaufhängung relativ nah hinter dem holzverstärkten Vorderzwiesel angebracht ist, wird er von diesem quasi ‚in Form’ gehalten.“ Ein weiteres Kritiker-Argument, baumlose Sättel würden auf der Wirbelsäule aufliegen, wird ebenfalls entkräftet: „In der Regel nicht – vorausgesetzt, man wählt das richtige Polstermaterial und die richtige (druckabsorbierende) Satteldecke.“
Peter Pfister dachte über die Steigbügelaufhängung nicht lange nach. Immerhin, so der Reitausbilder, stehe er beim Reiten ja nicht in den Steigbügeln, sondern sitze auf dem Hintern. Die Tatsache, dass zahlreiche Distanzreiter ihre Araber im Entlastungssitz auf baumlosen Sätteln über hunderte von Kilometern schicken, spreche ebenfalls für das System.
Nur die Billigmodelle verursachen Druck
Um sämtliche Zweifel zu beseitigen, hat die Firma Deuber & Partner gemeinsam mit der Universität Zürich Satteldruckmessungen durchgeführt. Dabei wurden die Druckspitzen von Sätteln mit und ohne Baum getestet, auch der baumlose „Startrekk“ wurde untersucht. Dabei kam heraus, dass der Startrekk keine erhöhten Druckwerte im Bereich der Steigbügelaughängung hatte – und auch an keiner anderen Stelle. Stephan Günther, der den Sattel für Deuber & Partner entwickelt hat, ist selbst Pferdephysiopraktiker. „Richtig angepasst hat der Sattel absolut homogene Druckverhältnisse.“
Dieses Prädikat stellt er jedoch nicht allen baumlosen Sätteln aus: „Das Vorurteil bezüglich des Drucks gibt es tatsächlich bei einfachen Reitkissen“, sagt er und meint damit „alle Sättel, wo günstige Massenproduktion im Vordergrund steht und nicht das Wohlbefinden der Pferde. Solche Sättel sind ausreichend, wenn man damit nur am Sonntagnachmittag auf dem Haflinger Fritz herumjuckeln will. Es ist wichtig, auf ein Markenprodukt mit guter Qualität zu achten.“ Jede größere Belastung, sei es im Dressur- oder Distanzsport oder beim täglichen Training, erfordere jedoch eine gewisse Stabilität und Steifheit des Sattels. Nur so sei eine Wirbelsäulenfreiheit gewährleistet, durch die man auch dann noch eine Gerte schieben kann, wenn der Reiter im Sattel sitzt.
Der Startrekk hat deshalb klettbare Polsterkissen an der Unterseite. Diese müssen auf das jeweilige Pferd angepasst werden. Daher sollte man diesen Sattel nicht gedankenlos auf unterschiedliche Pferde legen, sondern vom Fachmann anpassen lassen.
Fünf Zentimeter Höhenunterschied
Bei seinem Streifzug durch die Welt der baumlosen Sättel hat der Münchner Dressurreiter Thomas Steidl auch einen Startrekk ausprobiert. „Das war der einzige Sattel, auf dem ich nicht aufgespreizt saß“, sagt er. Stephan Günther erklärt, weshalb das so ist: „Bei einem billigen baumlosen Sattel erfolgt die Druckdämpfung über eine Verstärkung des Materials. Dadurch sitzt der Reiter breiter. Der Startrekk besteht nur aus wenigen Lederschichten. Darauf modelliert der Sattler dann den Sitz, der sich nach oben verjüngt.“
Noch ein Argument für die Baumlosen: Sabine Ullmann, Pferdephysiotherapeutin und Mutter des Barefoot-Systems empfiehlt den Sattel unter anderem für Reiter mit Rückenproblemen. Wem die Bewegungen seines Pferdes in einem Baumsattel wie heftige Stöße in die Bandscheiben vorkommen, der ist unter Umständen mit einem Baumlosen besser bedient. „Im Barefoot können diese Reiter wieder schmerzfrei reiten, weil die Bewegungen des Pferdes viel weicher übertragen werden. Zudem wird die Rückenmuskulatur gestärkt“, so Ullmann.
Ganz ähnlich ergehe es dem Pferd. Je nachdem, ob es beim Reiten seinen Kopf nach oben reißt, sich hinter die Senkrechte verkriecht oder losgelassen vorwärts-abwärts geht, nimmt sein Rücken eine komplett andere Form ein. Ein verspanntes Pferd drückt den Rücken durch, ein Pferd in Dehnungshaltung wölbt ihn auf. „Der dadurch hervorgerufene Höhenunterschied des Pferderückens ist deutlich sichtbar und liegt je nach Pferd oft bei mehr als 5 Zentimetern“, sagt Ullmann. „Ein Sattel mit Baum ist zu unflexibel, um diesen Unterschied ausgleichen zu können.
Mittlerweile gibt es baumlose Sättel von verschiedenen Herstellern und in zahlreichen Varianten. Von Trekking-, Spanisch- und Westernausführungen bis hin zu Dressursätteln ist alles im Programm, was das Herz begehrt. Das Gros der Sättel besteht aus weichem, pflegeleichtem Nubuk-Leder und kann ganz nach Geschmack mit Western-Fendern oder spanischen Steigbügeln ausgestattet werden.
Frithjof Rompf hat bei aller Liebe zu seinem Torsion-Sattel am Ende doch noch einen Nachteil gefunden, den die meisten baumlosen Sättel teilen: „Im Regen saugt sich das Nubuk-Leder extrem mit Wasser voll“, hat er erfahren müssen. „Der Sattel war nach einem entsprechend feuchten Ausritt zwei Tage lang nicht reitbar.“ Die Lösung des Problems war nahe liegend: Ein Regenponcho gehört seither zum Standartgepäck.