Ingrid Klimke: Tipps für die Cavaletti-Arbeit

4.1 - Bildschirmfoto 2014-01-14 um 13.14.19Das Reiten über Cavaletti ist eines Ihrer Steckenpferde in der Ausbildung ihrer Pferde. Schon Ihr Vater war ein großer Freund der Arbeit über Cavaletti. Was haben Sie diesbezüglich von ihm gelernt?

Klimke: Bei meinem Vater standen immer vier Cavaletti auf dem Platz, die er regelmäßig vor allem ins Schritt- und Trabtraining einbaute. Wir Kinder sind also quasi mit Cavaletti groß geworden. Zuerst sind wir allein drüber gehüpft, dann mit den Hunden und schließlich mit den Ponys. Erst später habe ich natürlich ihren tieferen Sinn begriffen, habe verstanden, dass es eine tolle Möglichkeit ist, Pferde zu gymnastizieren.

Ein Pferd soll ja aktiv von hinten arbeiten, fleißig abfußend locker über den Rücken gehen und sich dabei vorwärts-abwärts an die Reiterhand heran dehnen. Bei der Arbeit über Cavaletti muss es mit seiner Hinterhand sogar noch mehr unter den Schwerpunkt fußen. Über die Cavaletti kann ich als Reiter sowohl die Kraft der Hinterhand fördern als auch die Vorwärts-Abwärts-Dehnung und damit die Rückenlockerung. Cavalettiarbeit hat also sowohl einen körperlichen Aspekt – Kräftigung der Muskulatur, Förderung der Kadenz, mehr Ausdruck und mehr Taktsicherheit – , als auch einen mentalen Aspekt. Das Arbeiten über Cavaletti bringt ein Pferd zum Mitdenken und zur selbstständigen Mitarbeit. Dadurch erreiche ich auch eine Stärkung der Motivation. Auch als Reiter lerne ich, mich zu konzentrieren, denn ich muss ja für das richtige Tempo und den richtigen Anreitweg sorgen.

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Setzen Sie Cavaletti – in den Richtlinien unter dem Kapitel Springen aufgeführt – nur im Rahmen der Springausbildung ein?

Klimke: Nein, denn für mich ist diese Arbeit für jede Disziplin und jedes Pferd wichtig. Gerade bei der Ausbildung junger Pferde könnte ich mir ein Training ohne Cavaletti gar nicht nicht vorstellen, da ich darüber an Muskelgruppen herankomme, die ich sonst überhaupt nicht erreichen könnte. Aber auch viel später in der höheren Dressurausbildung kann ich über die Arbeit mit Cavaletti mehr Kadenz und damit mehr Ausdruck erreichen. Im Bereich des Springreitens ist die Cavaletti-Arbeit außerdem sehr gut geeignet, das Rhythmus- und Distanzgefühl des Reiters zu schulen.

Wieso lässt sich auch die Anlehnung durch Cavaletti-Training verbessern?

Klimke: Nicht umsonst sagt man ja, der Motor eines Pferdes sei hinten. Die Hinterhand ist sowohl das schiebende als später auch das tragende Element. Bei der Arbeit über Cavalettis wird das Pferd noch mehr aufgefordert, diesen Motor zu nutzen. Dadurch entsteht korrekte Anlehnung. Mit einersehr schönen Übung lässt sich dies sogar noch verstärken: Ich reite zunächst im Trab über Cavaletti, danach wird angaloppiert, dann wieder zu den Cavaletti geritten und kurz zuvor wieder zum Trab durchpariert. Diese Übung kann ich sowohl im Leichttraben und leichten Sitz als auch im Aussitzen machen. Die Kombination von Galopp-Trab-Übergängen und Cavaletti bringt das Pferd noch mehr dazu, seinen Rücken zu nutzen.

Gibt es unterschiedliche Ziele, die durch Cavalettitraining erreicht werden können?

Klimke: Auf jeden Fall. Zum einen ist es die Kräftigung verschiedener Muskelgruppen vor allem der Hinterhand, zum anderen eine Verbesserung der Schulterfreiheit. Ich kann aber auch ganz gezielt auf bestimme Dinge hinarbeiten wie die Taktsicherung im Schritt. Ein Pferd, das über Cavaletti schreitet, kann weder zackeln noch Pass gehen noch kurz-lang fußen.

Ich kann aber auch den versammelten Schritt in Takt und Erhabenheit verbessern. In Kombination mit Schritt-Pirouetten nutze ich gern vier Cavaletti zwischen zwei Schritt-Pirouetten, zunächst auf dem Hufschlag, später auf freier Linie. Ich reite dabei im versammelten Schritt über die Cavaletti, danach Schrittpirouette, wieder über die Cavaletti, wieder Schrittpirouette. Die Pferde lernen dabei, sowohl den Takt zu halten als auch die Beine zu heben und das auch in den Pirouetten. Oder ich möchte ein Pferd dazu bringen, beim einfachen Galoppwechseln einen klaren Schritt zu gehen. Dazu reite ich Zehn-Meter-Achten im Galopp und platziere den Schrittteil über vier Cavaletti.

Wie gehen Sie beim Aufbau von Cavaletti-Reihen vor?

Klimke: Grundsätzlich muss man vom Leichten zum Schweren vorgehen. Dazu gehört zunächst auch die Anzahl der Cavaletti. Um die Pferde nach und nach an diese Arbeit zu gewöhnen, reitet man erst über ein einzelnes, dann über zwei, später dann drei und schließlich vier.
Mehr als vier Cavaletti würde ich nicht empfehlen, denn hier hat das Pferd, sollte es einmal Schwierigkeiten bekommen, noch die Möglichkeit, sich mit einem Sprung aus der Situation zu retten. Bei mehr als vier Cavaletti wäre dies kaum noch möglich und würde das Vertrauen des Pferdes zerstören.
Auch die Art der Linienführung macht einen Unterschied. Am Anfang baue ich die Cavaletti auf gerader Linie auf, später dann im Trab und im Galopp auch auf gebogener Linie, da dies einen noch größeren gymnastischen Effekt hat.

Inwieweit lässt sich mit den Abständen ’spielen‘ und was bringt welche Variation?

Klimke: Die Abstände für den Schritt liegen ja etwa bei 80 bis 90 Zentimeter, im Trab bei 1,20 bis 1,30 und im Galopp bei rund 3 Metern. Baue ich im Schritt die Cavaletti ein wenig enger, muss das Pferd kürzer und erhabener, also versammelter fußen. Lege ich sei einen Hauch weiter, muss es mehr aus der Schulter vorschreiten.

Ähnliches gilt für Trab und Galopp. Hierbei ist es hilfreich, die Cavaletti fächerartig auf gebogener Linie aufzustellen, im Trab auf der Zirkellinie in der Mitte mit einem Abstand von 1,20, im Galopp innen zwei, außen drei Meter. Sie liegen damit sowohl für unterschiedliche Pferde mit unterschiedlicher Gangmechanik individuell passend, aber auch mit ein und demselben Pferd kann ich je nach Ziel eher weiter innen oder weiter außen reiten. Bleibe ich mehr innen, muss das Pferd sich mehr aufnehmen und seine Tritte und Sprünge mehr nach aufwärts verändern, reite ich mehr außen, fördere ich das schwungvollere Vorfußen. Ich kann also an zwei Zielen mit einem Aufbau arbeiten, ohne die Cavaletti dauernd umstellen zu müssen.

Natürlich kann ich nicht Runde für Runde über die Cavaletti reiten, sondern muss dem Pferd dazwischen die Möglichkeit geben, auch einen ’normalen‘ Zirkel zu gehen. Eine andere, sehr schöne Übung, setze ich oft bei jungen Pferden ein. Dabei stehen vier Cavaletti in der Reihe, aber folgendermaßen: Cavaletto, Cavaletto, Leerraum, Cavaletto, Cavaletto. Dadurch, dass zwischen dem zweiten und dem dritten Cavaletto keines liegt muss sich das Pferd bei diesem cavaletto-losen Zwischenritt besonders konzentrieren. Es ist immer interessant zu sehen, wie pfiffig und schlau manche Pferde das ausgleichen. Ich erfahre so sehr viel über das individuelle Lernvermögen meines Pferdes und seine Grundvorsichtigkeit.

Worauf muss der Reiter/Trainer beim Einsatz von Cavaletti besonders achten, was sollte er vermeiden?

Klimke: Zunächst einmal sollte das Material stimmen. Ich rate immer zu splitterfreien Holzstangen, da sie das richtige Gewicht mitbringen und beim Anschlagen nicht klappern oder laut scheppern. Die Stangen sollten wegen der Verletzungsgefahr nicht in Kreuzen befestigt sein, sondern in abgerundeten Plastikblöcken oder festen Schaumstoffplatten. Mehrere Stangen hintereinander einfach auf den Boden zu legen sollte man ebenfalls vermeiden. Bodenstangen können weg- und dem Pferd vor die Füße rollen. Es hat dann keine Chance, aus einem Anschlagen zu lernen. Anders ist dies, wenn die Stangen leicht erhöht sind. Neben dem richtigen Material ist auch die Regelmäßigkeit der Cavalettiarbeit wichtig, um einen entsprechenden Trainingseffekt erzielen zu können.

Wer nur einmal im Monat das volle Programm über Cavaletti fordert, riskiert außerdem Muskelkater bei seinem Pferd. Ich selbst baue zwei bis vier Mal pro Woche Cavaletti in meine Arbeit mit den Pferden ein, einmal davon an der Longe. Wichtig sind auch die passenden Abstände, um dem Pferd überhaupt die Chance zu geben, es richtig zu machen. Wer die Abstände nicht im Gefühl hat, sollte zur Sicherheit ein Maßband zur Hilfe nehmen. Und wie bei jeder Trainingsmaßnahme sollte eine Überforderung des Pferdes natürlich auf jeden Fall vermieden werden.

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