Herzversagen: Jean-Claude Dysli ist tot

Jean-Claude sei seinem Hengst Okie Isma Dad gefolgt, der nur eine Woche vorher eingeschläfert werden musste, ist auf der Homepage von Dysli zu lesen. Und weiter: „Es tut einfach weh.“ Die vor zwei Jahren gegründete JCD Riding Academy schrieb in einem Nachruf: „Die Seelen von Jean-Claude Dysli und Okie Isma Dad waren auf Erden miteinander verbunden und sind es nun in der Ewigkeit. Unerwartet und mitten im Leben ging er plötzlich. Noch zwei Tage vorher saß er auf dem Pferd und gab Unterricht und erfreute sich bester Gesundheit.“

Pionier des Westernreitens in Europa

Vor rund 50 Jahren brauchte Dysli die ersten Quarterhorses nach Europa und damit auch die Idee des Westernreitens. Eigentlich war er damals in die USA gereist, um dort, nach seinem Bauingenieurs-Studium und dem Dienst bei der Schweizer Kavallerie, seine Doktorarbeit zu schreiben. Stattdessen kam er mehr und mehr mit der Westernreitszene in Kontakt und bekam schließlich von den Trainern George und Harry Rose einen Job als Ranchhelfer angeboten, den er vier Jahre lang behielt. Dysli, der eigentlich dressurmäßiges Reiten gelernt hatte, verschrieb sich zu diesem Zeitpunkt voll und ganz der Westernreiterei, insbesondere der traditionellen altkalifornischen Reitweise.

Im Laufe der nächsten 21 Jahre ritt er hunderte von Pferden an, arbeitete als Cowboy und wurde zu einem begehrten Trainer und Turnierreiter. Er beschäftigte sich auch mit der Zucht von Quarter Horses, mit den verschiedenen Blutlinien und Einsatzzwecken. Besonders prägend war für ihn dabei seine Freundschaft mit den Western-Legenden Tom Dorrance und Ray Hunt.

Als er sich nach rund zehn Jahren in Amerika eine kleine Ranch in Hollister kaufte, hätte man annehmen können, dass Jean-Claude Dysli nun endgültig zum Amerikaner geworden war. Doch 1981 zog er aus familiären Gründen zurück in die Schweiz. Mit sich brachte er die Idee, das traditionelle Westernreiten mit all seiner Leichtigkeit und Eleganz in Europa zu etablieren. Kein einfaches Projekt, denn inzwischen hatten zahlreiche Hobbyisten ohne nennenswertes Hintergrundwissen dafür gesorgt, dass Westernreiter eher den Ruf der schlecht sitzenden Pseudocowboys hatten. Bei einer Veranstaltung in Basel zeigte er erstmals vor großem Publikum, wie ein und derselbe Hengst zunächst die traditionelle kalifornische Dressur auf blanker Kandare lief, anschließend eine M-Dressur im Bosal, und schließlich eine Working Cowhorse-Prüfung völlig ohne Zäumung. Diese Vorstelllung war im Prinzip der Auftakt des Westernreitens in Europa.

Voller Erfolg für die Quarter Horses

Kurz darauf, auf der Equitana 1973 stellte Dysli dann dem staunenden Publikum einige erstklassige Quarter Horses vor und erntete donnernden Applaus. So nahm auch der Siegeszug der Rasse durch Europa seinen Lauf. In seinem Weihnachts-Newsletter, den Dysli nur wenige Tage vor seinem Tod schrieb, erinnerte er sich an die damalige Zeit: „Der Erfolg war umwerfend, da man zum ersten Mal gerittene Pferde ohne Gebiss im Maul sehen konnte und die dazu noch relativ hohe Manöver (Zweierwechsel, direkte und inverse Pirouetten, hohe Tempoveränderungen und elegante Sliding Stopps) zeigen konnten.“

Doch ganz glücklich war der Altmeister mit der Entwicklung des Westernreitens seither nicht: „Aber was ist nun inzwischen seit 1972, also seit 40 Jahren, mit dieser herrlichen und schonenden Art Pferde zu reiten passiert? Das Gegenteil von dem, was ich damals versucht habe, als Botschaft mit in die Reiterei zu bringen, nämlich schonende Ausbildung und keine Abrichtung, dem Pferd seine Individualität zu lassen und es nicht zu versklaven, die Anlehnung auf ein Minimum zu beschränken mit dem Ziel zum losen Zügel hin und nicht zur Rollkur.“

Zuletzt lebte Jean-Claude Dysli mit seiner Familie auf der andalusischen Hacienda Buena Suerte, wo er Horsemanship-Kurse und Seminare anbot. Im Sommer kam er häufig nach Deutschland und gab sein Wissen und seine jahrelange Erfahrung an Interessierte weiter. Seine Philosophie gründete auf den Schlagworten „Balance, Feeling und Timing“. Er war stets darum bemüht, allen Pferdemenschen den stressfreien, natürlichen Umgang mit dem Pferd zu vermitteln. In einem Statement zu seiner Art des Reitens fasste er es so zusammen: „Was man als Dysli-Methode bezeichnet, ist eine ans Pferd angepasste Grundlage der Kommunikation, die jeder Reitweise dienlich ist und dem Wesen des Pferdes entgegenkommt.“

„Unvergessen für immer!“

Die JCD Riding Academy schreibt in ihrem Nachruf: „Unermüdlich arbeitete er mit seinen Pferden und seinen Schülern und bemühte sich, sein Wissen weiterzugeben in der Hoffnung, den einen oder anderen Pferdefreund ein Stück weiter zu bringen. Und rief man ihn ‚Cowboy’, ging ihm ein leichtes Lächeln übers Gesicht. Jean-Claude Dysli war ein Pferdemann durch und durch und wird es in unseren Herzen immer bleiben!“

Einen besonders ergreifenden Anschiedbrief veröffentlichte Dyslis Tochter Kenzie auf seiner Facebook-Seite: „Jean-Claude Dysli, Mein Papa!! Ich werde dich immer im meinem Herzen behalten und immer an Dich denken. So wie du zu deinen besten Zeiten warst. Du hast mir sehr viel für mein Leben mitgegeben um meinen eigenen Weg gehen zu können, ich weiß du hast immer nur das Beste für mich gewollt und mich auf deine Art und Weise auch immer unterstützt. Auch wenn die Zeiten manchmal sehr schwer und kompliziert waren… Dafür danke ich dir aus tiefstem Herzen.“

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