Der Kluge Hans – eine Intelligenzbestie

Anfang des 20. Jahrhunderts hatte der achtjährige Orlow-TraberHengst „Kluger Hans“ einen ähnlichen Bekanntheitsgrad wie heute Dieter Bohlen. Sein Besitzer, der Schullehrer Wilhelm von Osten, lehrte ihn bruchrechnen, Bilder erkennen, die Uhrzeit lesen und Leute zählen. Hans hatte seinem Lehrer zufolge das absolute Musikgehör und den Kalender des gesamten Jahres im Kopf.

Mit Hilfe eines Zählrahmens zeigte von Osten ihm das Rechnen, mit einer Buchstabentafel das Lesen und mit einer Kinderharmonika die Musik. Hans antwortete auf seine wörtlich gestellten Fragen, mit Kopfnicken, -schütteln oder Hufescharren.

Im September 1904 unterschrieben 13 begeisterte Wissenschaftler ein Gutachten, welches das Pferd als Intelligenzbestie auszeichnete. Selbst in der Abwesenheit seines Lehrers hatte der Kluge Hans nahezu alle Fragen der Kommissionsmitglieder richtig beantwortet. Es fehle dem Hengst zum Menschen eigentlich nichts als die Sprache, sagte ein begeisterter Zuschauer.

1911 allerdings bewies der Psychologe Oskar Pfungst, dass von Osten durch unwillkürliches Kopfnicken dem Pferd immer dann ein Signal gab, wenn er bei der gewünschten Zahl angekommen war. Schon eine Kopfbewegung um einen Fünftelmillimeter konnte der kluge Hans erkennen. Wenn der Fragesteller die Antwort kannte, lag Hansens Trefferquote bei 98 Prozent, wenn nicht, bei 8 Prozent. Nahm der Fragende bewusst im falschen Moment eine erleichterte Haltung ein, so hörte Hans augenblicklich mit Hufescharren auf.

Ein Ende als Armeepferd

Nach dieser „Entlarvung“ des angeblichen Wunderpferds war von Osten zunächst entzürnt und ärgerte sich sowohl über die Wissenschaftler, als auch über sein Pferd. Selbst als Pferdemann und Lehrer hatte er nicht erkannt, was die wahren Hintergründe für die Leistungen des Hengstes gewesen waren. Schließlich überwand er aber seinen Ärger und machte mit seinen Vorführungen weiter, als wäre nichts gewesen.

Nach dem Tod von Ostens ging der Kluge Hans in den Besitz eines Kaufmanns über, der ihn gemeinsam mit anderen Pferden weiter trainierte. Mit Ausbruch des ersten Weltkriegs verliert sich seine Spur. Wahrscheinlich wurde das rechnende Wunderpferd als Soldat für die Kavallerie eingezogen.

 

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