Ähnlich wie der Mensch leiden auch viele unserer Pferde heutzutage an Übergewicht, in den meisten Fällen verursacht durch gehaltvolles Futter und Bewegungsmangel. Gelenk- und Stoffwechselprobleme bis hin zur gefürchteten Hufrehe sind nur einige der schwerwiegenden Folgen. Darüber hinaus beeinträchtigt Fettleibigkeit die Leistungsfähigkeit, belastet die Organe und verkürzt die Lebensdauer. Als Pferdehalter sollte man daher sein Tier sorgfältig und kritisch begutachten.
Tatsächlich bleibt es oft unerkannt, wenn der eigene Vierbeiner Übergewicht hat. Nicht selten liegt dies daran, dass alle Pferde im Stall zu viel auf den Rippen haben. Hier gibt es zahlreiche verschiedene Meinungen wann ein Pferd zu dick ist, denn es ist nicht immer einfach den idealen Ernährungszustand zu erkennen.
Ponys neigen zu Fettleibigkeit
Eine wichtige Rolle bei der Beurteilung spielen das Alter, die Haltung und Nutzung sowie die Rasse des Pferdes. So handelt es sich beispielsweise bei den typischen Rundungen eines Kaltbluts (z.B. gespaltene Kruppe) in der Regel nicht um Fett, sondern um Muskelmasse. Beim Vollblut hingegen findet sich ein wesentlich trockeneres Erscheinungsbild, oft sind auch die Knochen unter der Haut gut erkennbar. Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass Ponys, Robustpferde und schwere Rassen, die ihr Futter sehr effizient verwerten, eher zu Fettleibigkeit neigen als höher im Blut stehende. Auch macht es natürlich einen Unterschied, ob das Pferd im Stall oder im Freien lebt.
Des Weiteren ist der Organismus eines Pferdes von Natur aus darauf eingestellt, von Frühjahr bis Herbst genügend Nahrung aufzunehmen um den entbehrungsreichen Winter gut zu überstehen. Frei lebende Pferde sind oft im Frühling recht dünn, legen aber dann mit Beginn des Graswachstums erstaunlich schnell wieder an Gewicht zu. Bis zu einem gewissen Punkt ist es daher zu tolerieren, wenn ein Pferd im Sommer etwas mehr auf den Rippen hat als im Winter. Ein Pferd ist nicht unbedingt als dick einzuordnen wenn es einen kugelförmigen Bauch hat – vielfach handelt es sich dann um einen harmlosen Gras-oder Wasserbauch, der häufig nach der Aufnahme großer Mengen feuchten Futters zu beobachten ist.
Zu dick oder zu dünn?
Um beurteilen zu können, ob ein Pferd bereits zu viel auf den Rippen hat, schauen Sie sich zunächst den Hals an: Er sollte angemessen bemuskelt sein, wobei eine gute Muskulatur nicht mit einem Speckhals verwechselt werden darf. Insbesondere Hengste haben meist einen recht gut bemuskelten Hals. Versuchen Sie ein Gefühl dafür zu bekommen, ob es sich um Fettpolster oder Muskelmasse handelt. Ersteres sieht unförmig aus und fühlt sich weich oder schwabbelig an, die Beschaffenheit von Muskeln hingegen ist relativ fest und wohl geformt. Sehr aussagekräftig ist auch der Mähnenkamm, an dem sich bei Übergewicht deutliche Fettansammlungen ablagern.
Ein mageres Pferd wird in den meisten Fällen wesentlich besser erkannt, weil die Anzeichen dafür recht deutlich sind: Rippen und Dornfortsätze stehen weit heraus, ebenso wie die Beckenknochen; der Hals ist schmal und dünn, auch die Kruppe ist stark eingefallen und knochig.
Hat Ihr Pferd Idealgewicht?
Die genaueste Methode zur Gewichtsbestimmung ist das Wiegen. Vieh- oder Lkw-Wagen gibt es zum Beispiel bei landwirtschaftlichen Genossenschaften oder manchen Landwirten – auf Nachfrage können Pferdebesitzer dort vielleicht mit ihrem Vierbeiner vorreiten oder -fahren. Auch gibt es „Mobile Pferdewaagen“, die direkt auf den Hof kommen. Da die Preise meist nach Anzahl der Pferde gestaffelt sind, lohnt es sich, wenn sich mehrere Pferdebesitzer zusammentun.
Eine weitere, wenn auch weniger genaue Möglichkeit ist die Schätzung des Gewichts anhand folgender Formel (MEYER/COENEN nach CARROL/HUNTINGTON bzw. FRAPE: Brustumfang2x Körperlänge in cm geteilt durch 11.877 ergibt das Gewicht des Pferdes (kg). Im Reitsporthandel gibt es zudem spezielle Maßbänder, bei denen das Gewicht basierend auf dem Bauchumfang abgelesen werden kann. Diese Gewichtsbestimmung dient aber nur einer groben Schätzung. Ebenfalls sehr ungenau sind reine Tabellenwerte, da es innerhalb der Pferderassen große Unterschiede im Exterieur und damit im tatsächlichen Gewicht gibt.
Idealgewicht, was bedeutet das?
Eine Möglichkeit den Ernährungszustand mit Hilfe objektiver Merkmale zu überprüfen ist die Ermittlung des Body Condition Scores (kurz BCS). Tierärztin Stephanie Schramme entwickelte im Rahmen ihrer Doktorarbeit bei Prof. Dr. Ellen Kienzle ein bereits 1983 entstandenes BCS-System weiter. Dazu werden sechs Körperregionen – Hals, Schulter, Rücken, Brustwand, Hüfte und Schweifansatz – einzeln auf spezielle Merkmale untersucht. Von diesen Einzelmessungen wird der Mittelwert berechnet. Die Einteilung reicht von BCS 1 (sehr mager) bis BCS 9 (sehr dick). Ein BCS von 5 gilt als ideal, ab einem BCS von 7 oder mehr muss das Pferd abnehmen. Der verbesserte BCS von Frau Schramme hat zum Beispiel den Vorteil, dass ein üppiger Bauchumfang das Ergebnis nicht verzerrt. Denn auch Pferde mit Idealgewicht können einen dicken Bauch haben – beispielsweise weil sie viel Heu oder Gras gefressen haben oder verwurmt sind.
Grundlage für die Rationsberechnung
Nur wenn Gewicht und Ernährungszustand des Pferdes bekannt sind, kann die Futterration optimal auf das Pferd abgestimmt werden. Für Heu werden grundsätzlich täglich etwa 1,5 Kilogramm pro 100 Kilogramm Körpergewicht des Pferdes empfohlen. Bei Kraft-, Mineral- und Zusatzfuttermitteln ist auf die Herstellerangaben zu achten. Meist beziehen sich diese auch auf je 100 Kilogramm Körpergewicht. Für die Rationsberechnung sollte immer das Idealgewicht des Pferdes herangezogen werden. Ein Beispiel: Wiegt ein Haflinger aktuell 550 Kilogramm, hat aber etwa 50 Kilogramm Übergewicht, so werden die Heuration sowie eventuelle Kraft- und Mineralfuttergaben nach dem Idealgewicht, also 500 Kilogramm, berechnet. Wichtig: Einer Radikaldiät sollten Pferde nicht unterzogen werden – es sei denn, sie ist tierärztlich verordnet. Die Futterumstellung muss in jedem Fall langsam erfolgen.
Während ausreichend Heu für eine optimale Pferdefütterung unumgänglich ist, ist Kraftfutter meist entbehrlich. Daher sollte zunächst die Kraftfutterration gekürzt oder gestrichen werden – dabei wegfallende Mineralstoffe und Vitamine sind unbedingt durch eine bedarfsgerechte Fütterung von Mineralfutter auszugleichen.
Das Gewicht und den Ernährungszustand seines Pferdes sollte jeder Pferdebesitzer regelmäßig überprüfen. Nur so kann eine ungewöhnliche Zu- oder Abnahme und damit ein eventuell vorhandenes gesundheitliches Problem rasch erkannt werden.