Ausbrecher: Pferde auf der Flucht, wie kann man vorbeugen?

Paso Peruano Herde in BerlinIm Frühjahr, wenn die Pferde genussvoll ins satte Gras beißen und sich voll und ganz auf die üppige Pflanzenwelt konzentrieren, sind Koppelausbrüche eine Seltenheit und bleiben die absolute Ausnahme ohne weitreichende Folgen. Wenn im Sommer allerdings die Gräser abgenagt sind, die Hitze brennt, eventuell sauberes Trinkwasser fehlt oder ein Hengst Lust auf eine rossige Stute hat, halten Zäune ambitionierte Vierbeiner nicht mehr auf. Noch schlimmer wird es im Herbst, wenn die Lust auf frisches Gras die Pferde in die Freiheit treibt. Shetlandponys krabbeln unter Elektrozaunlitzen hindurch, Haflinger durchbrechen sogar stark abgesicherte Zaunanlagen und Warmblüter springen einfach ohne Berührung darüber – Springpferde haben damit absolut kein Problem und machen sich teilweise fast einen Spaß daraus, die Weiden zu wechseln.

Die Anzahl der Unfälle, die ausgebüchste Pferde verursachen, scheinen von Jahr zu Jahr anzusteigen. Immer mehr Halter rüsten auf Offenstall um und vergessen dabei Grundregeln, die ein geborener Landwirt noch aus dem Effeff beherrschte. Fehlendes Kapital oder einfach Faulheit verursachen oft schwere Unfälle, wenn ein einfacher Wanderreiterzaun ohne Aufsicht die Pferde beherbergt oder morsche Pfosten den Tieren keinen Widerstand bieten.

[relatedposts type=’manu‘ ids=’5792,5836′]

Risiko Fluchttier

Wenn die notwendige Sachkunde beim Besitzer fehlt, regieren der Instinkt und die angeborenen Verhaltensweisen der Pferde. Fährt ein überdimensional großer Traktor mit bunt lackiertem Anhänger zügig an den Pferden vorbei – und diese gibt es dank begeisterter Landwirte immer mehr –, dann kann es rasch zu einer Fluchtreaktion der  zuvor friedlich grasenden Pferde kommen. Sie wollen nur noch weg, flüchten vor dem lauten Geräusch, dem optischen Eindruck, dem Windgeräusch. Es kann an vielem liegen, wenn ein Pferd scheut und das Weite sucht. Setzt dann gezielt der Takt des E-Zaungerätes nach, erhält das Pferd einen weiteren Fluchtimpuls von außen und weg ist der edle Vierbeiner, gefolgt von seinen Artgenossen, die einfach dem Herdentrieb nachgeben. Wer dann auch noch seine Litze regelmäßig zusammenknotet, verrottete und nicht eingelassene Zaunpfosten im Boden versenkte und im Frühjahr die nötige Wartung vergaß, hat oft auch eine zu geringe Spannung (unter 2000 Volt) auf seiner Anlage.

Risikogruppen

Am besten kontrollierbar und mit geringem Risiko behaftet, sind Wiesen und Koppeln an ruhig gelegenen Zonen mit wenig befahrenen Straßen und direkt in Nähe des Anwesens bzw. der Reitanlage. Die Einzäunung mit Elektroband ist ausreichend. Kurzfristig darf es hier auch flexibel gelöst sein, wenn während des Tages eine Aufsichtsperson regelmäßig Kontrollen durchführt.

Das Risiko steigt, wenn die Weideflächen sich in befahrenen Straßen befinden und nicht unter Kontrolle bzw. Sichtweite befinden. Hier ist auf jedem Fall anzuraten, eine feste Umzäunung zu errichten und diese mit Elektroband zu unterstützen, damit die Pferde diese auch ernst nehmen.

Das größte Risiko trägt der Pferdehalter, der sich direkt an Autobahnen, regelmäßig befahrenen Bahnstrecken oder nahe Flugplätzen befindet. Auch Starkstrommasten auf der Koppel können bei Gewitter gefährlich werden und besonders den Hengsthaltern obliegt eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Die feste Umzäunung ist hier obligatorisch und sollte mindestens Widerristhöhe aufweisen. Ein nach innen abgesicherter Elektrozaun gehört hier ebenso dazu, der auch von oben abhängend sein kann.

Sicher, sichtbar, stabil!

Drei Worte mit dem Buchstaben „s“ stehen rundherum für Sicherheit. Die Zaunhöhe sollte 0,75 x Widerristhöhe betragen, das Material, aus dem der Zaun errichtet wurde, aus Holz, stabilen Metallrohren oder Elektrozaun erstellt sein, und die Strom-Impuls-Geräte in einer Ausstattung von 2.000 bis maximal 10.000 Volt ausgeführt sein. Größtmögliche Sicherheit für das Tier und in Folge den Menschen ist das oberste Ziel bei der Ausarbeitung und Planung im Vorfeld. Die Verhaltensweisen als Fluchttier und das besondere Sichtfeld des Pferdes ist hier ebenfalls zu berücksichtigen. Die Spannung auf den Elektrozäunen muss dauerhaft sichergestellt sein und darf nicht durch herein hängende Äste etc. unterbrochen werden können. Der Bewuchs in Zaunnähe ist stets zu entfernen oder kurz zu halten, damit die Sicherheit erhalten bleibt.

Statistik

Trotz aller Empfehlungen: Rechtliche Verbindlichkeit besitzen sie nach wie vor nicht. Wenn etwas passiert, gibt es die Haftung des Tierhalters und die Haftung des Tieraufsehers. Die rechtliche Situation gilt in den Augen der Juristen mehr als „diffus“. Verwendbare Zahlen oder Statistiken über die Gesamtzahl der Unfälle gibt es nicht, da die Versicherungsfälle und die damit verbundenen Zahlungen zu gering für eine Auflistung sind und nach wie vor die Ausnahme bilden.

Resümee

Ruhen Sie sich bitte nicht auf einer Rechtsunsicherheit aus. Nicht nur die Zahl der gerichtlichen Auseinandersetzungen im Pferdebereich nimmt immer mehr zu. Einfach nur auf die Koppel entlassen ist grob fahrlässig und birgt massive Risiken. Ein spezielles Auslaufmanagement, wer wann die Pferde raus und wieder reinbringt, die gezielte Zusammenstellung der Gruppen, das angepasste Futterangebot und die optimale Einzäunung erfordern großen Sachverstand und langjährige Erfahrung, die auch das Verständnis der Verhaltensweisen der Pferde mit einbezieht.

Wenn ihre Pferde in einer Gewitternacht durch einen umstürzenden Baum aufgescheucht die Flucht ergreifen und ein übermüdeter Autofahrer die Gefahr unterschätzt und viel zu spät bremst, nützt ihnen auch die beste Pferdelebensversicherung nichts mehr. Unsere geliebten Tiere sollte uns wert sein, dass wir nicht nur die beste Ausrüstung, sondern auch einen sicheren und stabilen Zaun investieren, damit sie uns recht lange erhalten bleiben.

Kommentar verfassen