Betrachten wir einmal die klassische Konstellation eines im Pensionsbetrieb mit organisiertem Weidegang eingestallten Pferdes. Da kommt im Schadensfall die Frage auf, an wen sich der Pferdebesitzer zu halten hat, wenn sein Pferd im Stall oder auf der Weide „giftiges Futter“ (Jakobskreuzkraut, verschimmeltes Heu, dioxinbelastete Futtermittel, etc.) zu sich nimmt.
Selbstverständlich sollten im Falle einer „Lebensmittelvergiftung“ das Wohl Ihres Tieres und damit eine sofortige tierärztliche Behandlung an oberster Stelle stehen. Doch spätestens nach Abschluss der kostenintensiven Behandlung des Pferdes – ob mit erfolgreichem Heilungsprozess (best-case) oder einer unvermeidlichen Einschläferung (worst-case) – werden sich die meisten Pferdebesitzer die Frage stellen, wer denn letztlich für den entstandenen Schaden einzustehen hat.
Die Haftung des Anlagenbetreibers
Als möglicher Adressat eines Schadensersatzanspruches kommen je nach Fallkonstellation, d.h. vor allem Art und Herkunft des jeweiligen Futtermittels, der Anlagenbetreiber, der Hersteller und der Futtermittelverkäufer in Betracht.
Haftungsfragen rund um das Thema Giftstoffe im Pferdefutter lassen sich aber nicht schablonenartig beantworten, da es gerade wegen der teils komplexen Beweisfragen stets einer Einzelfallbetrachtung bedarf. Einige wesentliche Grundsätze lassen sich aber dennoch herausarbeiten und so eine systematische Annäherung an die Haftungsfrage erreichen.
Völlig klar ist zunächst, dass derjenige, der sein Pferd in einem Pensionsbetrieb mit Weideservice einstallt, ein Vertragsverhältnis begründet. Aufgrund dessen sind beide Parteien verpflichtet, sich bei dessen praktischer Umsetzung so zu verhalten, dass „Leben, körperliche Integrität, Eigentum oder sonstige Güter“ des anderen Teils nicht verletzt werden. Sollte der Anlagenbetreiber also seiner ihm obliegenden Verpflichtung, achtsam mit den Rechtsgütern des Einstellers (z.B. seinem Eigentum Pferd) umzugehen, nicht nachkommen und ihm diesbezüglich ein Verschulden zur Last gelegt werden können, macht er sich zwangsläufig schadensersatzpflichtig.
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Andererseits muss auch dem Laien klar sein, dass es schlicht nicht möglich ist, jeder denkbaren Gefahr vorzubeugen. Dem Anlagenbetreiber obliegen daher zwar neben seinen spezifischen vertraglichen Pflichten durchaus weitreichende sog. „allgemeine Schutz- und Verkehrssicherungspflichten“. Eine Sicherheitsgarantie schuldet dieser aber richtigerweise nicht.
Muss er also täglich alle Weiden auf Giftpflanzen ablaufen und seine Raufutterballen oder Kraft- und Zusatzfuttersäcke einzeln kontrollieren und dies protokollieren? Klar sollte sein, dass es (auch haftungsrechtlich) einen Unterschied machen muss, ob es darum geht, auf einer Weide eine leuchtend gelbe Pflanze zu erkennen und diese zu vernichten, oder ob ein in verschlossenen Säcken zugekauftes Futtermittel (Kraftfutter, Müsli & Co.) rechtzeitig vor seiner Verfütterung als kontaminiert, d.h. verdorben oder mit Giftstoffen belastet, erkannt wird.
Ist für den Anlagenbetreiber die Gefahr erkennbar
Eine erste Eingrenzung des Pflichtenkatalogs wird durch die Rechtsprechung durch das Merkmal der „Vorhersehbarkeit“ vorgenommen. In einfachen Worten bedeutet dies, dass sobald die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung einer Gefahr (z.B. das Fressen von kontaminiertem Futter) als fernliegend einzustufen ist, der Anlagenbetreiber wegen fehlender Sicherungsmaßnahmen auch nicht zur Haftung gezogen werden kann.
Ist die Sicherung zumutbar?
Als zweites eingrenzendes Merkmal wird schließlich die „Zumutbarkeit“ von Sicherungsmaßnahmen herangezogen. So entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass „derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen, ihm zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Schädigungen anderer möglichst zu verhindern“ (vgl. BGH, Urt. v. 06.02.2007 – VI ZR 274/05). Dabei umfasst die rechtlich gebotene Verkehrssicherung all jene Maßnahmen, die ein „umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren“. Und zwar unabhängig davon, ob die Gefahr durch den Betreiber selbst (z.B. bei gefährlicher Gestaltung einer Reithallenbande) geschaffen wird oder erst durch unerlaubten, schuldhaften Eingriff eines Dritten entsteht.
Wie oft allerdings Weiden (z.B. auf Jakobskreuzkraut) zu kontrollieren sind, wird mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung im Ergebnis maßgeblich von der Größe der zu sichernden Anlage bzw. Weideflächen abhängen. Im direkten Vergleich zum Fall eines Nageltritts in der Reitbahn dürfte aber zu Lasten des Anlagenbetreibers zu berücksichtigen sein, dass es sich beim Jakobskreuzkraut zumindest in seiner Blütezeit um eine auch auf größeren Flächen nur schwer zu übersehende Pflanze handelt.
Verantwortlichkeit bleibt Einzelfallentscheidung
Auch bei der Verfütterung von eingekauften Futtermitteln – so etwa beispielhaft bei Heu und Silage – hat der Anlagenbetreiber grundsätzlich darauf zu achten, dass dieses nicht kontaminiert ist. So sollte es regelmäßig möglich sein, darauf zu achten, keinen mit Schimmel befallenen Heuballen oder sonstiges „in Farbe, Konsistenz oder Duft auffälliges“ Futter zu verfüttern. Wie weit die Kontrollpflicht und damit die Verantwortlichkeit des Betreibers letztendlich allerdings gehen, wird im Endeffekt wieder von den beiden auf den jeweiligen Einzelfall anzuwendenden Kriterien der Vorhersehbarkeit und Zumutbarkeit abhängen.
Im Rahmen eines auf den Einstallungsvertrag gestützten Schadensersatzanspruchs ist es stets Sache des Einstellers, zu beweisen, dass der Anlagenbetreiber objektiv eine ihm obliegende Pflicht (Verfütterung von einwandfreiem, d.h. nicht verunreinigtem Futter, und/oder Kontrolle seiner Wei-den) verletzt hat und dass zwischen dieser Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden ein sog. Ursächlichkeitszusammenhang bestand, also dass das kontaminierte Futter die Erkrankung bzw. den Tod des Pferdes verursacht hat.
Der Anlagenbetreiber hingegen hat schlüssig und zur Überzeugung des Gerichts vorzubringen, dass er die Pflichtverletzung wider die gesetzliche Vermutung (vgl. § 280 Abs.1, S.2 BGB) nicht zu vertreten hat. Erschwert wird dies hierbei allerdings durch den Umstand, dass sich sein zu führender Entlastungsbeweis auch auf ein etwaiges Verschulden eines sog. Erfüllungsgehilfen (z. B. eines Mitarbeiters) erstrecken muss. Gelingt ihm diese Entlastung nicht, so haftet er dem Pferdebesitzer grundsätzlich in vollem Umfang auf Schadensersatz.
Fazit
Jedes Schadensereignis bedarf einer intensiven Einzelfallbetrachtung, die zusätzlich noch mit erheblichen Beweisschwierigkeiten behaftet sein kann. Die Beratung mit einem Rechtsanwalt ist hier angeraten. Ungeachtet dessen dürfen jedoch stets auch „Umstände jenseits des Juristischen“ nicht unberücksichtigt bleiben: sobald nämlich der Einsteller mit seiner Tierarztrechnung auf den Anlagenbetreiber zugeht und damit dessen Verantwortlichkeit für die Vergiftung des Pferdes zum Ausdruck bringen wird, dürfte die „gute Laune im Stall“ dahin sein.