Pferde mit spinaler Ataxie benehmen sich völlig normal, aber der Bewegungsablauf sieht unkontrolliert aus. Manchmal, in ernsteren Fällen, ist es sofort deutlich sichtbar. In den leichteren Fällen kann man es aber auch leicht übersehen. Was verbirgt sich hinter diesem medizinischen Begriff der Spinalen Ataxie? „Spinal“ bedeutet, dass etwas im Zusammenhang mit dem Rückenmark steht, „Ataxie“ kommt aus dem Griechischen und bezeichnet eine Störung des Bewegungsablaufes.
Spinale Ataxie bedeutet also, dass der Bewegungsablauf aufgrund einer Unregelmäßigkeit am Rückenmark gestört ist. Die betroffenen Pferde schwanken und stolpern häufig. In den meisten Fällen berichten die Pferdebesitzer, dass die Probleme plötzlich aufgetreten sind. In der Mehrzahl werden die Symptome jedoch erst entdeckt, wenn sie deutlich ausgeprägt sind. Dabei sind die ersten Anzeichen in der Form von ungeschickten, unbeholfenen Bewegungen schon viel früher bemerkbar.
Aber im Stall fällt das Problem nicht so schnell auf wie auf der Weide. Auch bleiben die Veränderungen lange unentdeckt, weil gerade der Bewegungsablauf von wachsenden Pferden häufig nicht so kritisch beobachtet wird. Bei dieser Pferdegruppe tritt die Spinale Ataxie jedoch am häufigsten auf. Auffällig ist, dass diese Pferde beim plötzlichen Halten leicht ihr Gleichgewicht verlieren. Manchmal zeigen sie spastischen Gang: bei deutlicher Erscheinung langsame, kurze Schritte mit steifem Bein, die Hufe werden kaum gehoben. Oft beobachtet man auch Stolpern in Wendungen.
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Im Allgemeinen kann man festhalten, dass die Bewegungen nicht so aufeinander abgestimmt sind wie bei gesunden Altersgenossen. Ein aussagekräftiger Test ist, das Pferd während des Laufens am Schweif zur Seite zu ziehen: bei einem gesunden Pferd geht dies normalerweise nicht so leicht, bei Ataxie-Patienten ist es jedoch gut möglich. Zusammengefasst gibt es damit zwei Krankheitssymptome:
1. Ataxie (Störung des Bewegungsablaufes)
2. Schwäche (Rückenmarks-Stauchung)
Was verursacht dieses Symptom?
Zu diesem zweiten Krankheitsbild kommt es, wenn das Rückenmark im Wirbelkanal an bestimmten Stellen zusammengedrückt wird und dadurch Nervenzellen verkümmern. Das Nervensystem ist nicht mehr in der Lage, die Signale und Reflexe auf die gewohnte Art zu verarbeiten. Der oben beschriebene unnormale Bewegungsablauf ist die Folge.
Hauptsächlich sind junge Tiere im Alter von zwei Monaten bis zwei Jahren betroffen. Im Verlauf ihres Wachstums kann sich der Halswirbelkanal stellenweise verengen. Die Ursache dafür ist, dass sich die Knochen und Knorpel der Wirbelkörper und der Gelenke zwischen den Wirbeln nicht normal entwickeln. Es kann auch sein, dass an den Gelenkflächen der Rückenwirbel Zellen degenerieren, das heißt zerfallen. Bei einigen Pferden tritt außerdem eine Subluxation auf: eine teilweise Verrenkung der Wirbelgelenke.
Die Ataxie kann sich unterschiedlich äußern: manchmal sieht man kaum Veränderungen im Bewegungsablauf und dann wieder sind die unbeholfenen, ungeschickten Bewegungen vermehrt da. Das hängt davon ab, in welchem Maß und an welchen Stellen das Rückenmark zusammengedrückt wird. Andererseits spielt auch eine Rolle, ob die fehlgewachsenen Wirbel ständig oder nur bei bestimmten Bewegungen die Nervenbahnen zusammendrücken.
Junge Pferde beobachten
Die Symptome können sich plötzlich verschlimmern, wenn durch ein teilweises Verrenken der Wirbelgelenke der Druck auf das Rückenmark stärker wird. Das kann der Fall sein, wenn die Pferde auf der Weide gekämpft haben oder viel gerannt sind. Die deutlichen Symptome treten meistens ein oder zwei Tage später auf und werden in erster Linie der Toberei auf der Weide zugeschrieben. In den meisten Fällen handelt es sich um eine Verschlechterung bereits vorhandener Symptome.
Es gibt jedoch auch Fälle, in denen ein Trauma (Gewalteinwirkung, Verletzung) der auslösende Faktor ist und vorher noch keine Symptome sichtbar waren. Um Veränderungen möglichst früh festzustellen, ist es besonders wichtig, die jungen, wachsenden Pferde zu beobachten, ihren Bewegungsablauf und ihre Wachstumsgeschwindigkeit genau zu kontrollieren.
Ernährung
Gerade bei jungen Pferden kommt die Spinale Ataxie vor, weil sich während des Wachstums die Wirbelkörper und die anliegenden Strukturen verändern können. Allerdings müssen solche Veränderungen nicht immer schon in der Jugend Probleme verursachen, sondern bereiten erst später Schwierigkeiten. Auch wenn auf dem Röntgenbild Veränderungen am Wirbelkörper zu erkennen sind, kommt es nur dann zum Krankheitsbild der Ataxie, wenn auch das Rückenmark gestaucht wird. Und das kann erst im fortgeschrittenen Alter der Fall sein.
Die Spinale Ataxie hat viele verschiedene Ursachen. Eine Rolle spielt dabei sicher die Ernährung der Pferde. Einige Mineralien sind für das Knochenwachstum sehr wichtig, insbesondere sind das Kupfer, Zink, Mangan, Magnesium, Selen, Kalzium und Phosphor.
Achten Sie auch darauf, dass die Fohlen nicht zu schnell wachsen und zu fett werden. Nicht nur das Fohlen muss bedarfsgerecht gefüttert werden, auch die tragende Stute muss ausreichend mit Nähr- und Mineralstoffen sowie Spurenelementen versorgt werden. Das gilt besonders für das letzte Drittel der Trächtigkeit, da nun der Fötus am stärksten wächst.
Diskutiert wird auch, ob die Anlage zur Spinalen Ataxie erblich ist. Genaue Daten liegen nicht vor, hier besteht noch Forschungsbedarf.
Andere Ursachen
Nicht immer, wenn ein Fohlen, ein Jährling oder ein Zweijähriger Bewegungsstörungen zeigt, muss es eine wachstumsbedingte Spinale Ataxie sein. Zwar sind Veränderungen am Wirbelkörper und den umliegenden Strukturen während des Wachstums die häufigste Ursache für das beschriebene Krankheitsbild, aber es gibt noch andere Krankheiten, die die gleichen Symptome verursachen.
Die am häufigsten vorkommenden anderen Ursachen sind:
- angeborene Fehlentwicklungen der Halswirbelsäule
- Verletzungen an Halswirbeln und Rückenmark
- Entzündung des Rückenmarks, u.a. ausgelöst durch den Equinen Herpesvirus
Wie stellt man nun eine Diagnose, da die Symptome von fast all diesen Krankheiten gleich sind? Neben der klinischen Untersuchung sind Röntgenaufnahmen diagnostisch sehr hilfreich. Es gibt aber immer wieder Fälle, in denen auch mit Aufnahmen die Diagnose nicht mit Sicherheit gestellt werden kann. In solchen Fällen kann man sich zu einer komplizierten Untersuchung entschließen, der Myelographie.
Diese Untersuchung wird in Vollnarkose durchgeführt. Kontrastmittel werden in den Rückenmarkskanal injiziert und anschließend geröntgt. Auf diese Weise kann man erkennen, wo das Rückenmark gestaucht wurde. Verletzungen und angeborene Abweichungen werden meistens mit Hilfe von Röntgenbildern diagnostiziert.
Herpesinfektion
Eine Infektion mit dem Herpervirus ist nicht so einfach zu diagnostizieren. Die Verdachtsdiagnose ist oft da, weil meistens mehrere Pferde zu gleicher Zeit betroffen sind und Fieber gehabt haben. Pferde aller Altersgruppen können infiziert sein. Oft sind bei den infizierten Pferden auch die Atemorgane betroffen, aber es kommt auch vor, das die Patienten nur Ataxie und Schwäche zeigen. Allein die Isolation des Virus bringt die sichere Diagnose. Auch bei der Herpesvirusinfektion sind die Symptome sehr unterschiedlich.
In diesem Fall ist es entscheidend, welches Ausmaß die entzündlichen Veränderungen der Blutgefäße haben, die das Rückenmark und nahe gelegene Gewebe versorgen.
Wachstumsstörung
Wenn die Spinale Ataxie durch Wachstumsstörungen verursacht wurde, versucht man, durch eine bestimmte Fütterung weitere Veränderungen zu verhindern. Die Ration soll dann energie- und eiweißarm sein und ausreichend Mineralstoffe und Spurenelemente enthalten.
Ob diese Therapie Erfolg hat, hängt vom Alter des Patienten, dem Ausmaß der Schädigung des Rückenmarks und dem Zeitraum, über den die Symptome bereits bestehen, ab. Allgemein kann man festhalten, dass die Chancen einer Besserung umso größer sind, je jünger das Fohlen und je leichter die Symptome sind.
Die Heilungsaussicht ist aber auch bei strikter Einhaltung des Futterplans und der medikamentösen Behandlung sehr ungünstig. Bei angeborenen oder unfallbedingten neurologischen Problemen fällt die Therapie sehr unterschiedlich aus. In manchen Fällen können osteopathische Behandlungen zumindest lindernd wirken.
Über die Erfolgsaussichten kann man nichts verallgemeinern. Dagegen ist die Prognose bei den Herpesviren-Erkrankungen recht gut. Nur in Einzelfällen kommt es zu Lähmungen der Hinterhand und die Pferde müssen eingeschläfert werden. Es kann jedoch sehr lange, manchmal bis zu einem Jahr dauern, bis die neurologischen Symptome völlig verschwunden sind.