Silver Sensations: Paradesättel und Silberbeschläge für Westernpferde

Wie viele andere war der kalifornische Rancher B.L. Lake dem Silberprunk verfallen. In einem besonders opulenten Outfit ritt Mister Lake seinen Palomino auf den großen „parade spectacles“ in den 1950er bis 1970er Jahren. Es war eine schwere Last, die das Pferd zu tragen hatte. Das gesamte Outfit wog 150 pounds, der Sattel musste von zwei Männern auf das Pferd gehoben werden, die Silber-Chaps waren so schwer, dass Mr. Lake sie erst auf dem Pferd anziehen konnte. Das komplette Silber-Outfit ist „Bohlin made“, wurde in der Werkstatt von Ed Bohlin in Hollywood gearbeitet. Heute ist es als Teil der berühmten Sammlung im Autry Museum of Western Heritage in Los Angeles zu bewundern.

Der lange Weg nach City of Mexico

In 1830 machte sich der kalifornische Ranchero Don Miguel Gutierrez auf den langen Weg nach City of Mexico, um dort die feinsten Silber- und Ledersachen für sich und seine Pferde zu kaufen: Sättel, Gebisse und Sporen und alles, was mit reichlich Silber gearbeitet war. Don Gutierrez musste diesen langen Weg auf sich nehmen, weil es damals in der Vor-Gold Rush-Ära dieses Luxusequipment für Pferd und Reiter in Kalifornien nicht gab. Erst als in den 1850er Jahren nach dem Gold Rush immer mehr Menschen an die Westküste strömten, entwickelte sich dort ein Markt für solch teures „silver work“. Auch die Vaqueros, eitel und stolz wie sie waren, schmückten sich und ihre Pferde gern mit auffälligem Silber, während ihre Frauen und Kinder barfuß liefen, wie Arnold R. Rojas es beschrieb.

In diesen Jahren kamen viele mexikanische Sattelmacher und Silberschmiede nach Kalifornien und schufen den typischen „California Style“ des verschnörkelten, mit reichlich Sterling belegten Pferdeequipments. Jetzt konnten die reichen Rancheros ihre Silbersporen und Silbersättel auch in San Francisco und Visalia kaufen.

Saturday night horse

Die Geschichte des Western-Sattels jedoch ist die des working cowboy saddle mit all seinen unterschiedlichen Ausprägungen. Der Sattel war lebenswichtiges Arbeitsgerät und wertvollster Besitz eines jeden Cowboys. Und dennoch träumte er davon, einmal mit einem auffällig glänzenden Sattel zu einem „Saturday night ride“ durchs nächste Town zu reiten. Mancher hatte auch ein besonderes „saturday night“-Kopfstück, oft aus horsehair geflochten, und ein besonderes „saturday night horse“, das er dann vor dem Saloon anband, um Aufsehen zu erregen.

Der Cowboy-Habenichts konnte sich jedoch nur Blech- oder Messing-Conchas an Chaps oder Weste leisten, ein Meanea-Sattel mit sterling corner plates war höchstens etwas für reiche Rancher, Politiker und Glücksritter. Für die Sattelmacher diesseits der Rockies von Colorado bis Montana waren solche Silberapplikationen jedoch ungewöhnlich und mentalitätsfremd.

Yankees

Im konservativen Cowboy-Land östlich der Rockies konnte sich eine „silver culture“, vergleichbar der in Kalifornien, zu keinem Zeitpunkt ausprägen. Es waren die aus dem Krieg mit Mexico zurückkehrenden Offiziere der US Army, die um 1845 außergewöhnlich verzierte Sättel in ihre Heimat mitbrachten. Für die „Easterner“ waren diese silber-gewirkten Sättel lächerlich. Sie verachteten die Handwerkskunst der kalifornischen und mexikanischen Sattelmacher. Die „Americans“, die nach dem Anschluss Kaliforniens an die Vereinigten Staaten an die Westküste drängten, hatten keinen Sinn für die kalifornische „horse culture“, weder für die verspielte, verschnörkelte Silberschmiedekunst noch für den in ihren Augen theatralischen Vaquero-Reitstil, den sie schrecklich fanden.

Daher dominierten spätestens mit dem Niedergang der alten kalifornischen Feudalstruktur Mitte der 1860er Jahre die Yankees die „cattle industry“ und die Gesellschaft in Kalifornien, was auch den Niedergang der alten spanisch-kalifornischen „horse culture“ zur Folge hatte. Es musste einige Jahrzehnte dauern, bis der „silver saddle“ sein Comeback feiern konnte.

Rodeos und Hollywood

Prescott, Arizona, 1888 – mit diesem ersten professionell organisierten Rodeo beginnt die Geschichte dieses uramerikanischen Volkssports, der heute zu den höchstdotierten Showevents zwischen Los Angeles und New York mit den alljährlichen Finals in Las Vegas zählt. Viele Städte im Westen folgten um die Jahrhundertwende dem Beispiel Prescotts und veranstalteten Rodeos als Touristenattraktion. Vor jedem dieser Events fanden Paraden statt, bei denen Cowgirls und die lokale Prominenz sich und ihre Pferde mit glänzendem Outfit schmückten. Eine der ersten (1890) und bis heute glanzvollsten Paraden ist die Pasadena Rose Parade, zu der sich damals die reichen Rancher und Geschäftsleute eigens ihre silbernen Luxussättel von Main and Winchester oder S. Loomis anfertigen ließen.

Als ab 1910 in Hollywood die ersten „Western“ gedreht wurden und Movie-Cowboys wie Tom Mix und Buck Jones auf solchen Silbersätteln über die Leinwand ritten, war der Markt für die „silver sensations“ endgültig vorbereitet. Die meisten der „silver saddle makers“ etablierten sich natürlich in und um Los Angeles. Unter den zehn wichtigsten Sattelmachern gibt es einen, der alle überstrahlte. Er fertigte zwischen 1920 und 1974 über 12.000 Sättel, seine silver saddles kosteten damals schon mehr als ein Cadillac:

Edward H. Bohlin – the saddlemaker to the stars

Auf allen Old West-Auktionen sind die „Bohlins” die Highlights. Aus den Nachlässen einst prominenter Rancher, Politiker, Schauspieler und Ölbarone kommen die Silber-Prunkstücke auf den Sammlermarkt. Ed Bohlin hatte sehr früh erkannt, dass sich im Hollywood der 1920er Jahre ein prosperierender Markt für „silver work“ entwickeln und Hollywood der Platz der Reichen und Schönen werden wird. Ed Bohlin durfte in diesen Jahren auf keiner Rose Parade in Pasadena fehlen. Er trug meist ein silberdurchwirktes mexikanisches Charro-Kostüm und ritt in einem seiner Silbersättel mit der typischen schwarz-weißen Bohlin-Corona und den langen eaglebill Tapaderos.

In 1920 eröffnete er in Cody, Wyoming, seinen ersten Ledershop. Einem Rat von Tom Mix folgend, der damals schon einer seiner berühmten Kunden war, zog es ihn zwei Jahre später nach Hollywood. Hier wurde er zum „Saddlemaker to the Stars“. Fast alle Filmhelden aus den frühen Hollywood-Jahren hatten einen Bohlin-Sattel auf ihrem Filmpferd: Tom Mix mit seinem Pferd Tony, Hopalong Cassidy mit Topper, Roy Rogers mit Trigger, The Lone Ranger mit Silver oder Cisco Kid mit Diablo. In den folgenden 20 Jahren hatte jeder, der in der oberen Gesellschaft Kaliforniens einen Namen hatte, einen „Bohlin“, einen mit Silber und oft auch mit Gold bestückten Showsattel.

Silver sensations – die Meisterstücke

Einer der ersten spektakulären Gold- und Silber-Showsättel aus der Vor-Bohlin-Ära ist aus der Werkstatt von G.S. Garcia (1864-1939) aus Elko, Nevada. Zwei Jahre hat Garcia daran gearbeitet, das Stück kostete damals schon unglaubliche 5.000 Dollar. Auf der Saint Louis World’s Fair 1904 gewann dieser Sattel die höchste Auszeichnung, die Gold Medal. Dann war dieses Meisterstück für viele Jahre in einem Keller verschollen, bis es 1975 von Garcias Nachkommen für 275.000 Dollar an einen Sammler verkauft wurde.

Noch spektakulärer der „101 Ranch Saddle“ von Sam Tio Myres (1871-1939) aus Sweetwater, Texas, der weltweites Aufsehen erregt hatte. Sam Tio hatte dieses Edelstück 1913 für damalige astronomische 10.000 Dollar für Joe C. Miller, einen der Miller Brothers der legendären 101 Ranch, gefertigt, ein Kunstwerk im Texas style, belegt mit 15 pounds Silber und Gold und über 300 Diamanten, Saphiren und Rubinen. Joe Miller hatte Sam Tio den Auftrag gegeben, den feinsten und teuersten Sattel der Welt zu bauen. Damals war S.D. Myres einer der Großen im „saddle business“, neben Meanea im Norden und Frazier im Westen, war er im Süden marktbeherrschend, insbesondere nachdem er seinen Sitz nach El Paso, Texas, verlegt hatte.

In 1931 hatte der Silberschmied und Sheriff von Los Angeles, John McCabe, die Vision, den feinsten Gold- und Silbersattel zu kreieren, der je gebaut wurde. Er engagierte sechzehn der besten Sattel-, Silber- und Design-Spezialisten für dieses Projekt. Nach sechs Monaten war das Meisterstück fertig, und die Kosten waren auf 20.000 Dollar gestiegen – ein Sattel im modernen California style, besetzt mit 136 ounces Gold, 1.400 ounces Silber und 500 Rubinen. Die fender und skirts haben Cowboy-Motiv-Punzierungen, ebenso die corner plates mit den goldenen steer roping-Szenen.
1950 erwarb „The King of the Cowboys“ Roy Rogers dieses Meisterstück für 50.000 Dollar von einer vermögenden Pferdelady aus Los Angeles, in 2002 wurde der Sattel mit Accessoires auf der Auktion in Phoenix zu dem Rekordpreis von rd. einer Million Dollar ersteigert. Stets bewacht stand er dann einige Jahre in einer Vitrine in einem großen Hotel in Las Vegas.

Das ultimative „masterpiece“ gab es dann in 1947, Edward H. Bohlin’s persönlicher Sattel „The Big Saddle“. Es ist Bohlins Meisterstück, 14 Jahre hat er an diesem 70 pounds schweren Sattel gearbeitet. Auf den großen Paraden in Santa Barbara und Pasadena hat Bohlin ihn geritten. Dieser Sattel ist ein Wunderwerk aus Gold und Silber. Das Horn – ein Indianerkopf aus massivem Sterling und goldenem Federschmuck. Kopfstück, Brustgurt, fork und bit – Indianerprofile aus schwerem Gold auf sterling plates, goldgetriebene Western- und Tiermotive am gesamten Outfit in einer Detailverliebtheit und Perfektion, dass es einem den Atem nimmt.
„The Big Saddle“ ist in seiner gigantischen Maßlosigkeit aber auch Sinnbild einer Gesellschaft, eines Amerika, das keine Grenzen zu kennen scheint. Die „Silver Sensations“ haben mit Bohlin’s persönlichem masterpiece ihre Geschichte zu Ende geschrieben, weil „The Big Saddle“ für immer ein Wunder in Gold und Silber bleiben wird. Heute steht „The Big“ im Gene Autry Museum of Western Heritage in Los Angeles.

 

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