Pferde-Reha: Wiederaufbau nach Krankheit oder Verletzung

Das sieht gut aus. Sie können wieder langsam anfangen, mit ihrem Pferd zu arbeiten. Vierzehn Tage Schritt und dann aufbauen.“ Julia K. war erleichtert über die Worte des Tierarztes und freute sich. Ihr Wallach Paul war bei einem Ausritt in ein Kaninchenloch getreten und hatte sich eine schwere Sehnenverletzung zugezogen. Nach über einem Jahr Behandlungsdauer und Stehzeit schien das Schlimmste überstanden.

„Doch im Grunde fing das Schlimmste jetzt erst an“, erinnert sich die Pferdebesitzerin. Paul war so Energie geladen, er sprang mehr herum als Schritt zu gehen und unter dem Sattel entwickelte er sich zum regelrechten Pulverfass. Das Ende vom Lied: Die Sehne entzündete sich erneut, wieder Behandlung mit Entzündungshemmern und Boxenruhe. Nach dem zweiten Versuch, den Wallach wieder anzutrainieren, stellten sich Rückenprobleme ein. Ein Physiotherapeut löste einige Blockaden. Nach einigen weiteren Wochen kamen Taktfehler hinzu. Der Tierarzt riet erneut zur Boxenruhe. Paul wurde immer unausstehlicher. Julia K. war mit ihrem Latein, den Nerven und auch mit ihren finanziellen Möglichkeiten fast am Ende.

Viele Pferdebesitzer kennen solche oder ähnliche Fälle aus eigener Erfahrung. Nach überstandener Krankheit oder verheilter Verletzung scheint einfach der „Wurm drinzustecken“. Ein Rückfall folgt dem nächsten, immer wieder kommen neue Symptome hinzu. „Ich fühlte mich wie ein Pechmagnet“, fasst es eine Pferdebesitzerin zusammen. Oft bewahrheitet sich: „Frage fünf Fachleute und du bekommst sieben unterschiedliche Meinungen.“ Hinzu kommen unzählig gut gemeinte Ratschläge von Stallkollegen und Reitlehrern. Das Ergebnis: Ein völlig verunsicherter Pferdebesitzer, der den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.

„Komplexe Angelegenheit“

„Helfen kann in vielen Fällen nur ein Netzwerk aus Fachleuten“, weiß Susan McDermott, die als equine Rehabilitationstrainerin ihre Dienste anbietet. „Genesung und Wiederaufbau eines Pferdes sind eine höchst komplexe Angelegenheit.“ Hier hilft die Fachfrau weiter und bringt Licht ins Dunkel.

Wird Susan McDermott das erste Mal zu einem vierbeinigen Patienten gerufen, bringt sie vor allem eins mit: Zeit. In aller Ausführlichkeit lässt sie sich die Krankheitsgeschichte des Pferdes erzählen. „Mich interessiert auch der Ausbildungsstand von Pferd und Reiter, ihre Ziele und Vorlieben, die Haltung des Pferdes, Fütterung, Ausrüstung, einfach alles. Außerdem ist es mir wichtig, mit denen, die das Pferd bisher behandelt haben, zusammen zu arbeiten. Das gilt für den Tierarzt, aber auch für Physiotherapeut, Osteopath, Heilpraktiker, Sattler, Hufschmied, Reitlehrer, halt alle, die mit dem Tier zu tun haben. Je mehr Menschen an einem Strang ziehen, desto besser für das Pferd“, so die Erfahrung der Fachfrau.

Nach dem Gespräch nimmt Susan McDermott das Pferd gründlich unter die Lupe. Die gebürtige Schottin betrachtet Hufe, Zähne, Muskulatur, untersucht mit Blick auf Verspannungen und Blockaden, betrachtet den Futterzustand, schaut nach dem Bewegungsbild – mit und ohne Reiter –, nimmt die Ausrüstung des Pferdes in Augenschein. „Ich versuche mir ein so umfassendes Bild wie möglich von dem Pferd zu machen. Rehabilitation kann nur umfassend funktionieren, das Herumdoktern an einzelnen Symptomen hilft in der Regel nicht langfristig“, weiß McDermott, die lange Zeit im DOKR (Deutsches Olympisches Komitee der Reiterei) und in der Klinik von Dr. Cronau in Bochum tätig war.

Ausführlicher Plan

Nun entwirft die Fachfrau einen Rehaplan. „Mit einem sinnvollen, durchdachten Rehaplan kann ein Pferdebesitzer nicht nur viel Zeit, sondern auch Geld sparen“, so ihre Erfahrung. Ein Beispiel: Lässt der Besitzer sein Pferd erst physiotherapeutisch behandeln und dann Zahnkorrekturen durchführen, so kann es sein, dass die physiotherapeutische Behandlung wiederholt werden muss, da sich das Pferd durch die Haltung des Kopfes während der Zahnbehandlung wieder kleine Blockaden zugezogen hat. „Andersherum ist es einfach sinnvoller“, so Susan McDermott. Ihr Rehaplan enthält aber nicht nur eine sinnvolle Reihenfolge, sondern auch konkrete Vorstellungen über die Art der Behandlung. Dazu gehört beim Wallach Paul beispielsweise auch ein spezieller Hufbeschlag, der zu einer Entlastung der verletzten Sehne beiträgt.

Hier legt die Rehabilitationsmanagerin nicht unbedingt selbst Hand an. „Meine größte Kompetenz besteht darin zu erkennen, wo meine Kompetenz endet“, betont sie. So hat Susan McDermott zwar konkrete Vorstellungen über die Art der Hufbearbeitung, aber: „Es wäre vermessen, einem Hufschmied vorschreiben zu wollen, wie er zu arbeiten hat. Wir schauen das Pferd gemeinsam an, ich erkläre mein Anliegen und er bringt seine Erfahrung und sein Können ein – zum Wohle des Pferdes“, so Susan McDermott. „Genauso arbeite ich auch mit anderen Fachleuten zusammen, wenn es beispielsweise um Akupunktur oder Thermografie geht.

Die 51-Jährige kennt eine Menge Pferdefachleute mit denen sie gerne zusammenarbeitet. „Ich bestehe aber nicht auf mein Team“, stellt sie klar. „Wenn ein Pferdebesitzer schon lange Zeit mit seinem Tierarzt, Hufschmied oder Sattler zufrieden ist, dann arbeite ich auch gerne und gut mit diesen Leuten zusammen. Wichtig ist mir nur, dass zusammen im Team gearbeitet wird und nicht jeder als Einzelkämpfer vor sich hin werkelt. Das Zauberwort für die erfolgreiche Reha heißt „Vernetzung“!“

Spezialbeschlag und Putzmassage

Paul bekam bereits einen Spezialbeschlag, seine Zähne wurden kontrolliert und anschließend wurde er physiotherapeutisch und ostheopatisch behandelt. Nun zeigt Susan McDermott der Besitzerin Massagegriffe, die helfen, die Muskulatur des Wallachs zu lockern, sowie die Putzmassage nach Penzel. „Durch das energetische Putzen kommen durchbrochene Energieströme wieder in Fluss. Bei Paul war auffällig, dass Flächen auf seiner Kruppe deutlich kälter waren als der Rest. Die energetische Putztechnik ließ die Energie besser fließen, die kalten Stellen sind nahezu verschwunden.“

Als nächste „Baustelle“ steht für Paul der Sattel auf dem Programm. Durch die lange Stehpause ist die Muskulatur verschwunden. Der Sattel passt folglich nicht mehr. Das hatte seine Besitzerin auch direkt beim ersten Versuch gesehen, den Wallach anzutrainieren und sofort den Sattler gerufen. Dieser passte den Sattel neu an. Allerdings so, dass er zwar auf dem unbemuskelten Rücken gut passte, dafür aber verhinderte, dass sich neue Muskulatur bilden konnte. Die auftretenden Rückenbeschwerden stammten zum Teil aus dieser Problematik. Susan McDermott lässt Julia K. für eine gewisse Zeit ein Korrekturpad unterlegen. „Das ist keine Dauerlösung“, so die Fachfrau. „Aber es macht bei diesem Wallach, auf diesen unbemuskelten Rücken, wenig Sinn einen Sattel anzupassen. Ein Spezialpad lässt Muskelaufbau zu und so kann man nach einiger Zeit einen Sattel sinnvoll anpassen.“ Auch solche Maßnahmen helfen Pferdebesitzern, Geld und Ärger zu sparen.

Als nächstes nimmt die Fachfrau Pferd und Reiter in den Blick. Schnell ist Susan McDermott das Problem von Julia und ihrem Paul klar. Mit der Absicht, das Pferd nicht zu überfordern, lässt die Besitzerin den Wallach am langen Zügel dahin trotten. Dabei „schlurft“ der Wallach im wahrsten Sinne des Wortes vor sich hin. „Dieses Schlurfen ist für die Sehne absolut Gift“, erklärt die Ausbilderin. „Wenn er das Bein so nachzieht, kommt jedes Mal zu viel Zug auf die Sehne. Es ist besser, du reitest kürzere Zeit, aber fleißig. Fleißig meint nicht eine höhere Gangart, aber schnelles, energisches Abfußen.“

Wie sie dies erreichen kann, zeigt Susan McDermott Julia auf der Einfahrt des Stalls. „Pferde mit Sehnenschäden sollte man nicht im tiefen Hallensand arbeiten“, so McDermott. „Deshalb findet Rehareitunterricht manchmal auf der Straße statt.“ Im Rehatraining geht es nicht um das Erlernen bestimmter Lektionen. Im Vordergrund steht einzig und allein, die Rehabilitation, die Gesundheit des Pferdes. Julia K. ist zufrieden: „Ich fühle mich jetzt sicherer. Ich weiß, wie ich Paul arbeiten muss. Ich weiß, dass ich ihm mit Massagen und beim Putzen Gutes tun kann und außerdem kommt Sue in regelmäßigen Abständen vorbei.“

Vielfältige Einsatzbereiche

Der Alltag von Susan McDermott ist so vielfältig wie die Pferdewelt selbst. Zu ihren Patienten zählen Sportpferde, Freizeitpferde, Rentner und Youngster. Die Gründe, Susan McDermotts Rat zu suchen sind ebenso vielfältig: Überstandene Operationen, diffuse Lahmheiten, abfallende Leistungen, Gebäudemängel des Pferdes, ein Check-up, Beratung beim Pferdekauf; nach Möglichkeit erfüllt die Fachfrau alle Wünsche ihrer Kunden. Sie betont noch einmal: „Ich kann all diese Wünsche nicht allein erfüllen. Es gibt vieles, was ich allein mache, aber sobald ich sehe, meine Kompetenz reicht nicht aus, dann arbeite ich mit einem Fachmann zusammen. Equine Rehabilitation ist Teamwork. Ich halte dabei die Fäden in der Hand.“

Diese Fäden legt Susan McDermott nur aus der Hand, wenn sie spürt, dass dem Besitzer nicht am Wohl der Pferdes, sondern an eigenen Interessen gelegen ist. „Das habe ich zum Glück sehr selten“, ist sie froh. „Aber wenn ich sehe, dass es dem Besitzer nur darum geht, das Pferd schnell wieder in den Sport zu bringen und dies auch auf Kosten der Gesundheit des Pferdes, dann mache ich nicht mit und lehne die weitere Behandlung des Tieres ab.“ Equine Rehabilitation ist schließlich zum Wohle aller: Zum Wohl der Pferde und ihrer Besitzer.

Julia und Paul sind mittlerweile dabei, kurze Phasen zu traben. „Ich darf Sue jeder Zeit anrufen“, ist die Pferdebesitzerin froh. „Wenn ich mir irgendwie unsicher bin, dann telefonieren wir und bei Bedarf kommt sie vorbei.“ Die Besuchsabstände werden immer größer. Aber, so Julia K: „Ich werde Paul weiterhin regelmäßig von Sue durchchecken lassen. Das tut ihm gut und ich kann mir sicher sein, auftretende Probleme frühzeitig zu erkennen.“

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