Pferde gymnastizieren im Gelände – Teil 1: Bergauf- und Bergabreiten

Warum Bergauf- und Bergabreiten? Das Überwinden von Hügeln und Bergen trainiert die Muskulatur des Pferdes, stärkt Sehnen und Gelenke und fördert seine Trittsicherheit. Um eine Steigung zu bewältigen, muss es sich viel mehr anstrengen und koordinieren als auf der Ebene. Beim Bergaufreiten muss die Hinterhand kräftig schieben. Das verbessert die so genannte Schubkraft. Beim Bergabreiten tritt die Hinterhand grundsätzlich mehr unter den Körper, um das Gewicht des Pferdes abzufangen. Das hat einen versammelnden Effekt.

Wer einen Hans-guck-in-die-Luft reitet, sollte besonders oft bergauf gehen. Denn durch die schiebende Hinterhand und die physikalischen Kräfte am Hang nehmen die meisten Pferde ganz automatisch Kopf und Hals nach unten und begeben sich fast zwangsweise in die Dehnungshaltung. Selbst verspannte Pferde wölben so den Rücken auf und werden plötzlich viel lockerer.

Doch nicht nur das Pferd, auch der Reiter schult seine Balance. Da sich der Schwerpunkt des Pferdes auf unebenem Boden ständig verlagert, müssen Sie Ihren eigenen Schwerpunkt ebenfalls anpassen. Aber Achtung: Es geht dabei nicht um ständiges Vor- und Zurückschaufeln mit dem Oberkörper. Schwerpunktverlagerungen eines aufrecht sitzenden Reiters sind minimale, kaum sichtbare Ausgleichsbewegungen, die in anspruchsvollem Gelände nach allen Richtungen passieren, indem man sich einfach von den Bewegungen des Pferdes mitnehmen lässt.

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Sinnvoll ist unter Umständen die Anschaffung von Vorderzeug und Schweifriemen. Gerade bei Pferden mit schwammiger Sattellage und wenig Widerrist verhindert ein Vorderzeug, dass der Sattel beim Bergaufreiten nach hinten rutscht. Ein Schweifriemen hält den Sattel beim Bergabreiten in seiner Position.

Wie Bergauf- und Bergabreiten?

Beim Bergaufreiten neigen Sie Ihren Oberkörper nach vorn, um das Pferd im Rücken zu entlasten. Je stärker die Steigung, desto mehr lehnen Sie sich nach vorn. Die Zügel dürfen Sie beim Klettern nicht zu kurz fassen, sonst behindern Sie das Pferd in seiner Bewegung. Eine leichte, federnde Anlehnung sollte für den gymnastizierenden Effekt jedoch bestehen.

Noch wichtiger ist der vernünftig lange Zügel beim Bergabreiten. Das Pferd muss die Möglichkeit haben, sich mit seinem Hals auszubalancieren. Im Takt seiner Schritte wird der Weg nach unten immer mehr oder weniger nach rechts und links baumeln. Das bedeutet nicht, dass Sie beim Anblick eines Hügels die Zügel wegschmeißen sollen. Die leichte Anlehnung erinnert das Pferd daran, dass der Reiter auch noch etwas zu sagen hat und hindert es am Kopflosen Nach-unten-Stürmen. Besonders bei leichtem Gefälle macht es sogar Sinn, das Pferd an den Zügel zu stellen und möglichst langsam gehen zu lassen. So wird es genötigt, seine Hinterhand weit unterzuschieben, gleichzeitig wölbt sich der Rücken hoch. das ist eine optimale Gymnastik für die gesamte Oberlinie, besonders aber für den Bereich der Lendenwirbelsäule und der Hinterhand.

Grundsätzlich gilt: Je steiler der Hang, desto länger die Zügel. Steiles Klettern bergab hat nichts mehr mit Vorwärts-Abwärts im klassischen Sinn zu tun. Dabei geht es vorwiegend um Gehorsam und Koordination. Deshalb gelten hier auch andere Regeln für den Sitz: Vergessen Sie in Extremsituationen alles was Sie über »im Schwerpunkt sitzen bleiben« gehört haben, lehnen Sie sich im Sattel zurück und stützen Sie sich mit einer Hand am Horn ab oder fassen in den Maria-Hilf-Riemen. Reiten Sie dabei grundsätzlich im Schritt und auf direkter Linie senkrecht bergab. Auf schrägen Linien könnte Ihr Pferd den Halt verlieren und ins Rutschen geraten.

Fürs Bergaufreiten gilt: Flache Hänge bergauf sollten im Schritt, leicht ansteigende im Trab und steilere im schwungvollen Galopp geritten werden – auch hier stets gerade und niemals schräg zur Steigung. Quälen Sie Ihr Pferd nicht im langsamen Schritt unter Taktverlust einen Steilhang hinauf. Ein bisschen Schwung als Hilfe darf schon sein!

Mögliche Probleme:

  • »Bergab wird mein Pferd zu schnell«:
    Vermeiden Sie, jetzt einfach am Zügel zu ziehen. Sonst stützt es sich nur auf der Vorhand ab und stakst mit blockierten Bewegungen nach unten. Verändern Sie stattdessen Ihren Schwerpunkt oder die Position ihres Oberkörpers. Die meisten Pferde kommen nur ins Rennen, weil sie unsicher werden, wenn es bergab geht – wie viele Reiter ihnen übrigens suggerieren. Fühlen Sie sich selbst also nicht wohl, so führen Sie Ihr Pferd zunächst lieber an der Hand bergab. Vom Sattel aus ist folgende Übung hilfreich: Sobald das Pferd zu schnell wird, lassen Sie es auf ein klares Kommando anhalten. Das Pferd wird dabei sein Gewicht auf die Hinterhand verlagern (siehe nächste Übung). Hat es dadurch erst einmal verstanden, wo das Gewicht hin muss, so kann es auch gesetzter bergab gehen.
  • »Mein Pferd will einen Hang nicht hinunter gehen«:
    Höchstwahrscheinlich hat es einfach Angst davor und glaubt Ihnen kein Wort, wenn Sie ihm sagen: »Wir schaffen das!«. So eine Situation sollte im besten Fall gar nicht passieren, denn sie ist schlecht für das Vertrauensverhältnis zwischen Pferd und Reiter. Fangen Sie deshalb immer mit leichten Hügeln an und steigern die Anforderungen mit der Zeit. Hilfreich ist natürlich auch ein ruhiges, erfahrenes Führpferd, das in schwierigerem Gelände vorne weg geht. Absolutes Gift ist (genau wie beim Wasserdurchritt oder beim Springen), ein verängstigtes Pferd mit Sporen und Gerte in die Gefahrenquelle hinein zu prügeln. Dranbleiben und nicht ablenken lassen heißt stattdessen die Devise. Und niemals zur Beruhigung streicheln, wenn das Pferd sich aufregt! Damit sagen Sie ihm nämlich: »Gut, dass du aufgepasst hast und nicht den bösen Hang runtergegangen bist!«

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