Handarbeit mit Pferden, die Grundlagen

Pferd - LongeEs sieht wunderschön aus, wenn sich Mensch und Pferd im Gleichklang bewegen, das Pferd auf kleinste Signale hin weicht, antritt und stoppt, Seitengänge oder gar Schulen über der Erde zeigt. Aber auch bei der Handarbeit gilt: Vom Einfachen zum Schweren. Deshalb schafft man durch Bodenarbeit mit dem Kappzaum eine Basis. Ohne Gebiss besteht kein Einfluss auf den Unterkiefer des Pferdes, deshalb spricht man bei der Kappzaumarbeit mit Gebiss auch von Handarbeit. Bei der Handarbeit kann und soll das Pferd, wie beim Reiten, die Reiterhand, bzw. das Gebiss annehmen.

Handarbeit bietet Mensch und Pferd zahlreiche Vorteile:

  • Der Reiter gewinnt durch die Handarbeit eine genaue Vorstellung über einzelne Lektionen und deren Hilfen.
  • Das Pferd lernt diese Lektionen ohne Reitergewicht kennen und weiß, was von ihm erwartet wird.
  • Handarbeit kräftigt die Muskulatur. So werden junge Pferde auf das Tragen des Reitergewichts vorbereitet; aber auch ältere Pferde oder Pferde in Rekonvaleszenz profitieren durch Handarbeit.
  • Handarbeit kann man mit seinem Pferd auch auf schmalen Waldwegen oder Grünstreifen machen. Man braucht dazu nicht unbedingt eine Reithalle.
  • Handarbeit ist für die Lösungsphase zu Beginn jeder Reiteinheit ideal. So wird die Muskulatur von Pferd und Mensch locker und warm.
  • Handarbeit bringt Abwechslung in den Reitalltag und macht Spaß.
  • Handarbeit ist eine gute Alternative im Winter, wenn es zum Reiten zu kalt wird.

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Wie fängt man an?

Die ersten Lektionen beginnen im Stand. Als erstes lernt das Pferd auf einen Impuls aufs Nasenbein hin den Kopf zu senken. Dazu trägt das Pferd einen Kappzaum. Die Kopfsenkübung klingt einfach und banal, ist aber von großer Bedeutung. Mit gesenktem Kopf verliert das Pferd den Überblick. Es gibt seine Verantwortung an den Menschen ab und schenkt ihm sein Vertrauen. Erst wenn das Pferd dem Menschen vertraut, kann es sich entspannen und loslassen. Vor allem Pferde, die sich fest machen, müssen lernen, dass sie sich in der Tiefe entspannen können und dass ihnen das gut tut.

Haben Pferde verlässlich gelernt, auf den Impuls auf den Nasenrücken hin den Kopf zu senken, so lässt sich später auch in der Bewegung, in jeder Gangart diese Dehnungshaltung abrufen. Die Dehnungshaltung sollte jederzeit, auch wenn später an versammelnden Lektionen gearbeitet wird, abrufbar sein. Durch die Dehnung wölbt sich der Rücken nach oben auf. Das ist unbedingt notwendig, damit ein Pferd als Reitpferd gesund bleiben kann. Durch die Dehnung werden die Dornfortsätze auseinander gezogen und der lange Rückenmuskel, das Bewegungszentrum des Pferdes, bleibt locker.

Beherrscht das Pferd das Kopfsenken, lernt es nun „Stellen und Biegen“ im Stand. Dazu senkt das Pferd den Kopf und wird nun mit Hilfe des Kappzaums vorsichtig gestellt und gebogen. Wird diese Übung richtig ausgeführt, so werden Kopf- und Halsbereich mobilisiert. Richtig ausgeführt ist die Übung dann, wenn die Bewegung durch den gesamten Körper über die Wirbelsäule fließt und nicht „im Hals stecken bleibt“. Bei korrekter Ausführung kann man beobachten, dass die innere Hüfte nach vorn kommt.

Bewegung koordinieren lernen

Beherrscht das Pferd die Übungen im Stand, kann Bewegung in die Arbeit kommen. Jetzt ist vor allem der Mensch gefordert. Er muss seine Bewegungen koordinieren lernen, damit das Pferd seinerseits koordinierte Bewegungen ausführen kann. Er muss losgelassen laufen können, denn ansonsten kann sich auch das Pferd nicht losgelassen bewegen. Der Mensch sollte bei der Handarbeit aufrecht, aber locker gehen und dabei gleichmäßig und ruhig atmen.

Die Reiter Position und Bewegung sind entscheidend

Alle Lektionen werden bei der Hand von beiden Seiten, also von rechts und links geführt. Denn Handarbeit dient dem Geraderichten eines Pferdes. Zum Angehen steht der Mensch leicht hinter dem Kopf des Pferdes. Geschaut wird stets in Bewegungsrichtung. Zur Arbeit auf der linken Hand fasst die linke Hand dicht hinter dem Trensenring in die Zügel – direkt in den Trensenring ist auch möglich. Die rechte Hand hält die Gerte und fasst den anderen Zügel, der über dem Hals des Pferdes liegt. Bei der Handarbeit wird das Pferd sozusagen „zwischen den Schultern“ geführt. Auf der linken Hand ist die linke Schulter die verhaltende, die rechte die treibende. Anfangs kann es sein, dass die Gerte zum Treiben als Unterstützung hinzugenommen werden muss.
Zum Anhalten wird ein Stimmkommando – beispielsweise „Halt“ – gegeben, ausgeatmet und die verhaltende Schulter Richtung Pferd gedreht. Das Pferd sollte stets möglichst geschlossen stehen. Beim Führen von Wendungen verhält es sich wie beim Reiten: Den Blick stets dorthin, wohin man möchte.

Gymnastizierung durch Seitengänge

Besonders gymnastizierende Wirkung haben Seitengänge. Sobald sich ein Pferd im Schritt in der gewünschten Kopf-/Halsposition anführen und anhalten lässt und die Dehnungshaltung abrufbar ist, kann mit Seitengängen begonnen werden. Als Einstiegslektionen eignen sich hier Schultervor und Schulterherein. „Beim Schultervor (…) tritt das Pferd mit dem inneren Hinterbein in Richtung zwischen die beiden Vorderbeine, mit dem äußeren Hinterbein aber auf der Spur des gleichseitigen Vorderbeins. Durch ein solches Einrichten der Vorhand auf die Hinterhand ergibt sich eine leichte Rippenwölbung“, so die FN Richtlinien (Band 2, Seite 47). Zum Schultervor führt man das Pferd leicht in die Bahn bis die gewünschte Abstellung erreicht ist. Dann wird am äußeren Zügel abgefangen und das Pferd vorwärts-seitwärts getrieben. Für die Hilfen gilt: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Das Pferd sollte beim Schultervor nach innen gestellt und gebogen sein.

Das Schulterherein wird aus dem Schultervor entwickelt. Die Hilfengebung ist gleich, jedoch ist das Pferd beim Schulterherein stärker abgestellt. Die gewünschte Abstellung beträgt 30 Grad (FN) oder 45 Grad (Barock). Bei geringerer Abstellung wirkt die Lektion eher lösend, bei stärkerer Abstellung eher versammelnd.

Genau genommen ist das Schenkelweichen kein Seitengang, bietet aber Vorteile zur Gymnastizierung des Pferdes. Schenkelweichen kann wie folgt erarbeitet werden: Das Pferd wird mit dem Kopf zur Bande geführt, da es so eine optische Begrenzung hat. Der Mensch geht außen und führt das Pferd leicht schräg auf die lange Seite zu. Mit der Gerte erhält das Pferd impulsartig leichte, seitwärtstreibende Hilfen. Die Pferde bleiben beim Schenkelweichen in sich grade, sie haben lediglich eine leichte Kopf-/Halsabstellung entgegen der Bewegungsrichtung.

Generelles Ziel: Die Versammlung

Bevor sich Pferd und Mensch an Lektionen wagen, die vom Pferd mehr Versammlung fordern, gilt es, Folgendes zu bedenken: Versammlung bedeutet, dass die Hinterhand eines Pferdes vermehrt Last aufnimmt. Es kommt zur so genannten Hankenbeugung; das Pferd beugt dabei vermehrt Hüft-, Knie und Sprunggelenke. Dies ist für das Pferd anstrengend und erfordert eine Menge Kraft. Kleine Übung: Versuchen Sie einmal, dass das Pferd aus einem korrekten Stand durch einen leichten Impuls am Kappzaum sein Gewicht deutlich auf die Hinterhand verlagert ohne dass das Pferd die Hinterhand nach hinten rausstellt.

„Beherrschen Pferde die Lektionen an der Hand, so bekommt man sie unter dem Sattel geschenkt“, so die Erfahrung von Reiterinnen und Reitern, die am Ende der Ausbildung auch Lektionen wie Piaffe, Passage und Lektionen über der Erde zuerst an der Hand erarbeiten.

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