Halsringreiten mit Alizée Froment: so funktioniert’s

Es gibt ja einige Menschen, die ihr Pferd auf Halsring reiten – aber in dieser Qualität ist es sonst nicht zu sehen. Wie macht sie das eigentlich? Und welchen Wert hat es in der dressurmäßigen Ausbildung?

Der Beginn

Mistral, Alizée Froments international startendes Dressurpferd, ist klassisch ausgebildet – also mit Trense und Kandare. Vor vier Jahren begann sie, einfach zur Abwechslung mal ohne Gebiss zu reiten. Ihr Pferd ist lektionssicher, im Training muss sie es vor allem geschmeidig halten. Das war ihr aber zu wenig. „Ich dachte was kann ich noch machen? Ohne Sattel reiten, ohne Gebiss, ohne Sporen oder Gerte – das hatten wir ja alles schon. Was kann ich sonst noch tun, welche Herausforderung gibt es noch?“ Und dann war da eines Morgens einfach ein Gefühl: „Ja, das klappt heute. Heute reite ich mein Programm nur mit einem Strick um den Hals.“ Das Ergebnis dieses allerersten Versuchs ist das bekannte Youtube-Video.

Einstellung

Das klingt so, als ob man einfach mal hoppla-hopp die Ausrüstung abbauen und eben ohne alles loslegen könnte. Nur: so funktioniert Alizée Froment überhaupt nicht. Sie ist bei aller Betonung des Gefühls und der Intuition sehr diszipliniert und sehr konsequent – wenn sie unterrichtet, achtet sie zum Beispiel penibel darauf, dass jeder Übergang absolut korrekt ist, sonst wird er wiederholt. Außerdem bleibt der Anspruch gleich, egal mit welcher Ausrüstung sie reitet: „Ich arbeite mit dem Halsring genau mit der gleichen Zielsetzung wie mit einer Zäumung mit Gebiss.“ Das Pferd soll sich auch hier selbst tragen und über den Rücken gehen. Sie arbeitet an der Gymnastizierung und an der Geschmeidigkeit.

Genau diese Konsequenz ist es, die erst die Freiheit möglich macht: wer schon kleinste Fauxpas korrigiert, verhindert größere Schwierigkeiten.

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Voraussetzungen

Bevor der Reiter daran denken kann, Lektionen auf Halsring zu reiten, sind drei Kriterien zu erfüllen, sagt Alizée Froment.

1.     Gegenseitiges Vertrauen und Respekt sind notwendig.
2.     Das Pferd muss allein durch den Sitz durchpariert oder vorangeschickt werden können.
3.     Das Pferd soll per Stimme sicher und immer anzuhalten sein.

Diese Etappenziele müssen zuvor mit Trense erreicht werden, sagt Alizée Froment, die auch Nationaltrainerin des französischen Pony-Dressurteams ist. „Wenn ich mein Pferd noch nicht über den Sitz zurücknehmen und so vollständig kontrollieren kann: dann bitte auf keinen Fall das Kopfstück abnehmen!“ Ihr Pferd Mistral achtet auf kleinste Hilfen: Nimmt sie die Schultern eine Idee vor, weiß er, er darf vorangehen. Nimmt sie die Schultern leicht zurück, wirkt das verbremsend. „Die Kontrolle über das Pferd habe ich beim Reiten ohne Kopfstück nur noch über meinen Sitz“ erklärt sie. Der Kontakt besteht nicht von Reiterhand zum Pferdemaul, sondern über Bauch- und Rückenmuskulatur des Reiters hin zum Pferd.

Zudem hat ihr Pferd gelernt, auf eine Stimmhilfe hin anzuhalten. Das ist richtig konditioniert, denn so eine Notbremse ist immens wichtig. Wenn Alizée Froment ein gedehntes, tiefes „Hoooo!“ (tatsächlich mit hörbarem H, obwohl sie Französin ist) spricht, steht ihr Pferd. In jeder Situation, auch während einer Show und auch aus dem Mitteltrab heraus.

Der Nutzen

Halsringreiten zeigt auf, an welchen Stellen in der Ausbildung noch gearbeitet werden muss. „Mistral zeigt zum Beispiel bessere Passagen mit dem Halsring. Das bedeutet für mich: Wenn er sich so bewegen kann, dann muss ich mit Gebiss anders arbeiten, damit er es mit Trense oder Kandare genauso gut zeigen kann.“ Ein anderes Beispiel: Alizée Froment erzählt, dass sie zwar schon immer wusste, dass Mistrals Galopp-Pirouette rechtsherum schwächer ist als die linksherum. „Aber ich konnte das ohne Kopfstück viel besser fühlen.“ Also überlegte sie sich, welche Übungen ihm helfen könnten, das linke Hinterbein zu stärken.

Das Halsring-Reiten ist also nicht nur ein Mittel, um die Beziehung zum Pferd zu festigen, sondern auch ein Prüfstein für die dressurmäßige Ausbildung.

Begeistert war Alizée Froment zum Beispiel davon, dass sich ihr Pferd Mistral durch das Training mit gebisslosem Kopfstück einen besseren Galopp erarbeitete. Nachdem sie häufiger gebisslos ritt, konnte sie zwei Sprünge weniger bei den fliegenden Galoppwechseln auf der Diagonale zählen. Bedeutet: Der Galoppsprung ist raumgreifender geworden.

Das Fühlen des Reiters wird also geschärft, und das Pferd gewinnt an Bewegungsqualität – warum dann überhaupt noch etwas anderes nutzen als den Halsring? Mal davon abgesehen, dass Alizée Froment konventionell auf internationalen Turnieren startet, gibt es noch einen andere Gründe dafür, das Gebiss zu nutzen. Man könne damit wesentlich akkurater einwirken, sagt Alizée Froment, ein Vorteil vor allem in der Ausbildung von Pferden. Das korrekte Gymnastizieren ist für sie immens wichtig – und deshalb beendet sie eine Halsring-Einheit auch immer damit, ihr Pferd mit Zäumung noch schön vorwärts-abwärts zu reiten.

Reiten per Halsring stärkt natürlich das Band zwischen Reiter und Pferd. Deshalb passt es auch so gut zu einer Reiterin wie Alizée Froment, die von sich sagt: „Mir geht es nicht darum, irgendwann einmal eine Goldmedaille zu gewinnen. Mir geht es darum herauszufinden, wie eng die Bindung zwischen Pferd und Reiter sein kann.“ Deshalb ist ihre Idealvorstellung auch der Zentaur: Halb Pferd, halb Mensch.

Hier ist das Video von Alizée:

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