Ja, Longieren, klar kann ich das!“
„Aha, und wie machst du das?“
„Ja, man hängt das Pferd an die Longe und lässt es dann im Kreis laufen, bis es müde wird.“
„Wieso lässt du es so lange laufen, dass es müde wird?“
„Ja, damit ich es hinterher reiten kann!“
Solche Gespräche habe ich den letzten Jahren leider viel zu oft erlebt. Und das Schockierende daran ist, dass es nicht immer Neueinsteiger und Freizeitreiter sind, die diese Sätze von sich geben. Ähnliches bekam ich sogar schon von Profitrainern und sehr erfolgreichen Turnierreitern gesagt! Longieren wird leider in den seltensten Fällen als ernstzunehmendes Pferdetraining angesehen und in den meisten Ställen lediglich zu dem Zweck genutzt, das Pferd irgendwie mal schnell zu bewegen oder es vor dem Reiten müde zu machen. Wenngleich ich mich bei Letzerem frage, wie man von einem müden Pferd dann ernsthaft erwarten kann, dass es beim Reittraining 100 Prozent gibt oder gar noch etwas lernt!
Longieren gehört bei der klassischen Ausbildung nach der FN eindeutig zu der Grundausbildung des Pferdes dazu. Und wer sich die Richtlinien Reiten & Fahren ernsthaft durchliest, der wird erkennen dass hier in Band 6 dem Longieren nicht nur ein eigenes Buch gewidmet wurde, sondern dass es ein essentieller Bestandteil der klassischen Ausbildung des Pferdes ist. Doch wie baue ich nun sinnvoll eine Longierstunde mit meinem Pferd auf? Im Prinzip gelten hier die gleichen Regeln wie auch beim Aufbau einer Reitstunde:
Das Aufwärmen
Das Longieren beginnt mit der Aufwärmphase. Diese sollte, je nach Pferdetyp und auch Jahreszeit, zwischen zehn und 15 Minuten betragen. In der kalten Jahreszeit sollte man eher 15 Minuten einplanen.
In der Aufwärmphase trägt das Pferd natürlich noch keine Hilfszügel, sondern darf und soll sich frei auf der Zirkelbahn bewegen. Die ersten zehn bis15 Runden erfolgen stets im ruhigen Schritt. Hierbei hat der Mensch dann auch die Gelegenheit, das Pferd genau in Augenschein zu nehmen und seinen Gesundheits- und Gemütszustand zu erfassen. Ist das Pferd locker oder eher angespannt? Ist es ruhig oder nervös? Dementsprechend kann er nun seinen Trainingsplan anpassen oder belassen.
Nach den Schrittrunden wird die Hand gewechselt und das Gleiche auf der anderen Hand wiederholt. Auch jetzt sollte der Longenführer sein Pferd nochmals intensiv betrachten, da sich manche Muskelverspannungen und Probleme des Bewegungsapparates nur einseitig zeigen. Macht das Pferd jedoch einen gesunden und zufriedenen Eindruck kann nun – nach etwa fünf Minuten – mit der Herz-Kreislauf-Aktivierung beim Aufwärmen begonnen werden.
Hierzu wechselt man wieder die Hand, lässt das Pferd erneut zwei bis drei Runden Schritt gehen und bittet es dann, locker anzutraben. Ein wildes Losrasen oder gar Scheuchen des Pferdes ist keine Herz-Kreislauf-Aktivierung, sondern sogar schädlich. Das Pferd sollte im lockeren Trab in eine angemessene Atem- und Herzfrequenz kommen, die seinem Körper erlaubt, im aeroben alaktaziden Bereich zu arbeiten. Dies ist der Bereich, in dem das Pferd am idealsten läuft und diese Geschwindigkeit und Manier auch locker über zehn Kilometer oder mehr durchhalten könnte. Nach maximal fünf Minuten wird die Seite wieder gewechselt und die Herz-Kreislauf-Aktivierung auf der anderen Hand fortgesetzt
Die Arbeitsphase
In der Arbeitsphase, die dem Aufwärmen folgt, können nun bei Bedarf entsprechende Hilfszügel eingeschnallt werden, die dem Pferd beim Finden der idealen Haltung an der Longe helfen. Ein vielseitig einsetzbarer Hilfszügel ist hierbei der Wiener Zügel. Dieser kann entweder wie ein Dreieckszügel für das Erarbeiten eines guten Vorwärts-Abwärts eingesetzt werden oder aber auch wie ein Lauffer Zügel dem Pferd die Grundlage für die relative Versammlung vermitteln.
Das Pferd sollte auch nun zunächst drei bis fünf Runden im Schritt auf jeder Hand Zeit bekommen, sich mit dem Hilfszügel ohne Stress zu arrangieren. Erst wenn es den Hilfszügel wirklich annimmt, kann mit der Arbeit begonnen werden. In der Arbeitsphase sollte der Longenführer sich das eine oder andere Schwerpunktthema für diese Trainingseinheit – die zwischen 10 und 20 Minuten dauern sollte – auswählen.
Zum Beispiel:
– vermehrter Untertritt
– Vorwärts-Abwärts-Dehnung erzielen
– Geraderichten durch Verlagern des Zirkelmittelpunktes
– Koordinationsverbesserung mit Bodenstangen
– etc.
Die Cool Down Phase
Nach der Arbeitsphase werden die Hilfszügel wieder ausgeschnallt und dem Pferd die Möglichkeit geboten, sich nochmals ohne irgendwelche Einschränkungen im Schritt an der Longe zu lockern. Wer das Longentraining etwas auffrischen möchte, der kann nun im direkten Anschluss auch noch einige Dehnübungen durchführen, beispielsweise ein Plie aus der Zirzensik. Mit dieser Übung wird der Rücken des Pferdes nochmals gut aufgewölbt und gedehnt.
Zum Abschluss der Cool Down Phase, die etwa zehn Minuten betragen sollte, kann man auch noch eine „Belohungslektion“ einführen. Dies sollte eine Übung sein, die Ihrem Pferd viel Spaß macht und die es sicher beherrscht. Hierbei eignen sich wieder kleine Tricklektionen wie Bein anheben, Fussball kicken, aufs Podest stehen, einen Teppich aufrollen, etc. Das sind kleine Aufgaben, die das Pferd nun auch geistig fordern. Und vor allem können sie auf diese Weise das Training mit einem positiven Erlebnis beenden und Ihr Pferd wird sich auch auf die nächste Longenstunde mit Ihnen freuen.