Betriebsleiter-Meeting 2014: „Jeder pferdehaltende Betrieb muss die BMEL-Leitlinien kennen“

Kein Pferdebetrieb ohne Pferdehaltung – deshalb ist Pferdehaltung auch ein Dauerthema – aber nicht nur in der Pferdeszene. Die Gesellschaft, ihre Beziehung zum Tier und damit ihre Erwartungen an den Tierschutz ändern sich und sie will mitreden. „Wir leben heute in einer Zeit, in der die Nutzung des Tieres in Frage gestellt wird“, sagt Dr. Karsten Zech, Tierarzt beim Pferdegesundheitsdienst der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Das bedeutet „ständig steigende Erwartungen an die Tierhaltung“ mit der Folge, dass „es eine diskontinuierliche Diskrepanz zwischen Mindestanforderungen in der Haltung und gesellschaftlichen Erwartungen gibt.“ Praktisch heißt das, dass bei den Veterinärämtern im Winter eine Vielzahl an Anzeigen eingeht, zum Beispiel hinsichtlich der Winteraußenhaltung von Rindern und Pferden, da der Mensch den Tieren zu frieren unterstellt. Eine tierschutzgerechte Haltung spiegelt aber die Anforderungen des Pferdes und nicht des Menschen wider.

Niedergeschrieben sind diese Haltungsanforderungen in den „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL). 1995 erstmals herausgegeben, wird die derzeit letzte Auflage von 2009 von einer Arbeitsgruppe aktualisiert, der seit Beginn an auch die FN als Fachverband angehört. Ursprünglich als empfehlende Handlungsanweisung ohne bindenden Charakter gedacht, gelten die Leitlinien heute als fachliche Grundlage und haben damit ein wesentlich größeres Gewicht. „Laden Sie sich die aktuelle Version der Leitlinien von der BMEL-Internetseite herunter. Jeder Betrieb muss die aktuelle Version haben und kennen – und bei Renovierungen, Um- und Neubauten oder sonstigen Haltungsneuerungen einbeziehen“, empfiehlt Dr. Zech und verdeutlicht seine Aussage mit zahlreichen Beispielen von Haltungsmängeln und Rechtsstreitigkeiten, bei denen der Pferdehalter – also Stallbetreiber – den Kürzeren zog. Ob mangelhafte Weideeinzäunungen oder zu kleine Pferdeboxen: Wenn der Amtsveterinär sich ankündigt, was der faire Regelfall ist, und es Beanstandungen gibt, rät Dr. Zech zu kooperativem und kommunikativem Verhalten. Damit ein solcher Besuch aber gar nicht erst verunsichert, gibt der Tierarzt, der im Auftrag des Landesverbandes Weser-Ems auch Pferdebetriebe kennzeichnet, folgenden Rat: „Lassen Sie mal jemand Fremdes Ihren Betrieb inspizieren, der Ihnen offen alle Punkte sagt, die ihm auffallen. Es ist doch so: Mit der Zeit wird man betriebsblind.“ Grundsätzlich sollte sich jeder Pferdehalter von Zeit zu Zeit mit der Frage beschäftigen: Wie zukunftsfähig ist mein Haltungssystem? Und damit die Pferdehaltung in Deutschland eine Zukunft hat, solle die Pferdeszene vorausschauend und aktiv auf die öffentliche Erwartungshaltung reagieren.

Mit Bodenarbeit Unfälle im Umgang mit Pferden vermeiden

Bodenarbeit für mehr Sicherheit im Pferdesport – so hätte man den Vortrag von Martin Heiland auch überschreiben können. Der Mitarbeiter der land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sprach über „Unfallverhütung im Pferdesport“. Ereignet sich ein Arbeitsunfall mit dem Pferd, so landet man in der Statistik der SVLFG – der Sozialversicherung der BG. Im letzten Jahr waren das 3.800 Arbeitsunfälle in den versicherten Betrieben. Zwar sei diese Zahl seit Jahren etwa gleichbleibend, der Anteil an allen Arbeitsunfällen in der BG aber steigend. Auch wenn die meisten Unfälle beim Reiten oder Longieren passieren (30 Prozent), so bildet das Führen von Pferden mit 23 Prozent doch einen weiteren Unfallschwerpunkt. Löst man sich von den Zahlen und geht in die Unfallberichte, tauchen Begriffe auf wie „plötzlich“, „unerwartet“ und „erschrocken“. Martin Heiland, selbst im Pferdesport zuhause, stellt die Frage, ob das Verhalten der Pferde tatsächlich immer so unvorhersehbar war oder ob auch Unachtsamkeit des Menschen zu dem einen oder anderen Unfall führte. Man müsse sich Gefahrenquellen bewusst machen und fachlich fortbilden, um Unfälle zu vermeiden. Fachliche Kompetenz bedeute dabei vor allem, die Pferde und ihre Natur besser zu verstehen. Genau dann könnten auch Reaktionen vorausgesehen und entsprechend sicher und richtig gehandelt werden.

Fütterung ist auch Beschäftigung für Pferde

Wie eine pferdegerechte und betriebswirtschaftliche Pferdefütterung aussieht, erfuhren die Pferdebetriebsinhaber von Jens Lyke, Pferdewirtschaftsmeister und Berater des Futtermittelherstellers Agravis. So wie sich die Haltung der Pferde in den letzten Jahrzehnten verändert hat, so muss auch die Fütterung angepasst werden. Weniger Arbeit bedeutet weniger Energie. Weniger Arbeit bedeutet aber auch weniger Beschäftigung für die Pferde. Diese Konsequenzen gilt es in der heutigen Fütterung zu berücksichtigen. „Wir wissen heute, dass der Schlüssel zu einer verbesserten Pferdefütterung heute in einem verbesserten Grundfuttermanagement liegt.“ Ein Großteil des Energie- und Eiweißbedarfs sei über Grundfutter darstellbar, wenn Qualität und Quantität stimmen. Deshalb bedarf es eines sorgfältigen Grundfuttermanagements: Grünlandpflege, Düngung und die Wahl des richtigen Zeitpunktes für den ersten Schnitt. „Durch den vermehrten Einsatz von Grundfutter erreichen wir ein Mehr an Beschäftigung der Pferde“, erklärt Lyke. In Freiheit wäre ein Pferd 12 bis 18 Stunden beschäftigt. Solange zöge es grasend und fressend durch die Steppe. Die heutige Fütterung sorgt aber nur für maximal sechs Stunden Beschäftigung: Sechs Kilo Heu sind in vier Stunden, zwei Kilo Stroh in eineinhalb und drei Kilo Kraftfutter in 0,3 Stunden verputzt. Eine gute Fütterung im Sinne der Pferde versorgt sie zum einen mit Energie und Nährstoffen, zum anderen sorgt sie für Beschäftigung. Das Pferd nutzt seinen Kauapparat und auch die physiologische Voraussetzung für die Verdauungsorgane wird aufrechterhalten. Damit eine solche Fütterung auch betriebswirtschaftlich ist, plädiert Lyke für eine durchdachte Futterlagerung. „Futtermittelhygiene ist das A und O der Kostenoptimierung. Mangelhafte Hygiene führt zu Verlusten. Mäuse und Schädlinge verderben Futter und können krank machen. Bei Draußen-Lagerung des Futters entstehen oft 20 bis 30 Prozent Verluste.“ Abstriche bei der Futterqualität wirkten überhaupt nicht kostensparend. Schlechtes Futter hat weniger Nährstoffe und Energie, so dass von schlechtem Futter mehr gefüttert werden muss als von Gutem. Am Ende können fütterungsbedingte Folgekosten entstehen: Geringe Fruchtbarkeit, schlechtere Muskelbildung, Zahn- und Magenprobleme oder Wertminderungen durch Verhaltensauffälligkeiten können die Folgen schlechter Fütterung sein.

Warum Kooperationen mit Vereinen oder gar eine Vereinsgründung sowohl für Pferdebetriebe als auch den organisierten Gesamtsport Vorteile bieten, legte Martin Otto, bei der FN zuständig für die Mitgliedspferdebetriebe, dar. „Trotz aller bekannten Unterschiede zwischen Vereinen und Betrieben gibt es auch durchaus gegenseitigen strukturellen Mehrwert zwischen Vereinen und Betrieben, den Sie nutzen sollten.“ Die aktuellen Herausforderungen wie zum Beispiel die demografische Entwicklung sind für Vereine wie für Betriebe gleich. „Hier gilt es mehr denn je Synergien zu nutzen, von denen möglichst alle profitieren.“

Kleine Kinder – der unterschätzte Markt

Weniger um Kosten sparen, als um neue Einnahmequellen und Zielgruppen ging es in dem anderen großen Themenblock des Betriebsleiter-Meetings. Ein unterschätzter Markt sind die ganz kleinen Kinder – Kinder im Vorschul- und unterem Grundschulalter, Kinder von drei bis acht Jahren. Die Nachfrage ist groß, was den Pferdesport eigentlich freuen müsste, ist hier doch Potenzial, das es nur zu heben gilt. Leider aber fehlt das Angebot. „Das ist schade. Die Entscheidung für einen Sport und ein Hobby fallen in dieser Zeit. Wenn wir da nichts anbieten können, sind diese Kinder für uns verloren“, bedauert Maria Schierhölter-Otte, Leiterin der FN-Abteilung Jugend. Ein Weg zu dieser Zielgruppe sind Kooperationen von Vereinen und Betrieben mit Kindergärten und Grundschulen. Ob Maßnahme zur Gewinnung neuer Mitglieder bzw. Kunden oder zur besseren Auslastung der Anlage am Vormittag – Maria Schierhölter-Otte gab einen Überblick, wie man eine solche Kooperation auf den Weg bekommt: Die Argumente, mit denen man das Pferd in den Bildungsauftrag der Einrichtung integriert, Möglichkeiten und Formen der Zusammenarbeit, Voraussetzungen, Finanzierungsbeispiele, Unterstützungsleistungen, Checklisten, Literaturtipps sowie weiteres Unterrichts- und Info-Material ist auf der Internetseite der FN unter www.vorreiter-deutschland.de/verein/kooperationen/kooperationen zu finden. 

Da aber insgesamt die Nachfrage nach Kinderreitschulen das Angebot übersteigt, braucht es Vereine und Betriebe, die ihre Reitschule um diesen Betriebszweig erweitern. Oder mutige Existenzgründer wie Melanie Strack, die ihre PonyBewegung Spabrücken vorstellte. Weil es kein adäquates Reitangebot für ihren kleinen Sohn in der Nähe gab, tauschte die passionierte Reiterin ihr Personalreferentenkostüm gegen Reithose und Stiefel. Fast zwei Jahre liegt die Gründung ihrer Reitschule zurück. Noch ist es kein Vollerwerb. Melanie Stracks Mann, ein ehemaliger Börsianer, arbeitet von Zuhause. Den Schritt bereut die Familie aber nicht. Die Arbeit mit den Kindern empfindet die Reitschulinhaberin als sehr befriedigend. Die eigentlichen Hindernisse galt es vor der Gründung zu überwinden. Die Planung dauerte über ein Jahr. Wer kann uns beraten? Wie finanzieren wir das Ganze bzw. welche Bank ist bereit, die Geschäftsidee zu verstehen? Wo finden wir eine passende Anlage? Woher bekommen wir geeignete, d.h. kleine, kinderfreundliche Ponys? Wie bilden wir diese aus? Wo gibt es die passende Ausrüstung? Als diese Fragen beantwortet waren, konnte es losgehen. Kunden waren schnell da. Infoabende in Kitas und Schulen erreichten eine 75-prozentige Anmeldequote. Die Nachfrage ist da. „Sie brauchen eine sichere Umgebung für die Kinder. Sie sollten sich auf jeden Fall qualifizieren. Ich habe die neue FN-Ergänzungsqualifikation Kinderreitunterricht gemacht. Kleine Kinder erfordern doch noch mal ein ganz anderes Wissen und bei den Eltern und den Bildungseinrichtungen ist das ein wichtiges Argument. Sie sollten eigene finanzielle Möglichkeiten haben, um auch mögliche Durststrecken zu überstehen. Ihr Unterricht sollte an einem wetterunabhängigen Ort stattfinden. Sonst kommen die Kinder nicht. Es muss keine große Halle sein“, fasste Melanie Strack aus ihrer Sicht wichtige Voraussetzungen zusammen. Weitere Erfolgskriterien seien eine gute Analyse des Einzugsgebietes und der dortigen Mitbewerber: „Wir kennen unsere Mitbewerber, machen denen aber keine Konkurrenz. Unser Angebot ergänzt einerseits das Pferdesportangebot in der Region, so dass wir gut mit unseren Mitbewerbern klar kommen, zum anderen haben wir als Reitschule ein Alleinstellungsmerkmal.“ Die wichtigsten Fähigkeiten als Reitlehrerin für Kinder ab drei Jahre kann man allerdings nicht lernen: „Geduld, Konsequenz, gute Nerven, Ausdauer, Fantasie, Liebe – das braucht es für Ponykinder.“

Praxis: Von Ausbildern für Ausbilder

Das findet sich auch in dem reitpädagogischen Lehrkonzept Hippolini wieder. Wie die Arbeit mit Kindern im Vorschul- und Grundschulalter praktisch aussieht, welche pädagogischen Anforderungen gestellt werden, das zeigte die Reitschule Engelernerhof aus Merzen. Im Praxisteil des Betriebsleiter-Meetings stellten die Hippolini-Ausbilder Stefanie Tennigkeit und Thomas Lörsch vor, wie Kindern spielerisch und altersgerecht die Grundlagen für einen ausbalancierten Sitz und den Umgang mit dem Pony vermittelt werden. Sobald die Kinder die Ausbildungsstufen durchlaufen haben, wechseln sie in Reitschulen, die auch größere Kinder unterrichten und die nächsten Ausbildungsziele anstreben. Zum Beispiel ein Reitabzeichen. Wie man mit älteren Ponykindern solchen Ziele anstrebt und erarbeitet, zeigte Pferdewirtschaftsmeisterin Ina Tapken. Auch wenn kleine Kinder eine nach wie vor zentrale Zielgruppe mit besonderen pädagogischen Anforderungen sind. Nicht minder anspruchsvoll sind erwachsene Reitschüler. Worauf erwachsene Reiteinsteiger und –wiedereinsteiger Wert legen und wie Ausbilder und Reitschule darauf eingehen können, erläuterte Pferdewirtschaftsmeisterin Lina Otto von der Reitschule Altrogge-Terbrack aus Nottuln-Darup. Tipps für die Winterarbeit mit Stangen und Cavaletti von Bettina Hoy, Mannschafts-Weltmeisterin Vielseitigkeit, rundeten den praktischen Teil in der Reithalle ab. Sie demonstrierte eindrucksvoll mit einer Schülerin, dass ein Ausbilder nicht nur vom Boden aus unterrichten, sondern seinen Schülern auch mal vorreiten oder sich gar selbst auf deren Pferde setzen sollte. Dass ihre Schülerin das jüngere und noch nicht so weit ausgebildete Pferd hatte, das hatte sie als Ausbilderin natürlich sofort erkannt. „Dennoch kann man vieles genauer einschätzen und präzisere Ausbildungstipps geben, wenn man auf dem Pferd gesessen und es erfühlt hat.“ So verließen die Betriebsinhaber, von denen die meisten auch Ausbilder sind, das Betriebsleiter-Meeting 2014 mit einem ganzen Strauß Inspirationen und Tipps.

Auch die Organisatoren Eva Lempa-Röller, Referentin der FN-Abteilung Ausbildung und Wissenschaft, und Martin Otto zeigten sich über die positive Resonanz zu den vielfältigen Themenbereichen hochzufrieden und riefen die Teilnehmer auf, ihre Wünsche für die theoretischen und praktischen Inhalte des kommenden Betriebsleiter-Meetings 2015 mitzuteilen.

 

 

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