Welcher (anatomische) Sattelgurt für welches Pferd?

Lange Zeit wurden Sattelgurte sträflich vernachlässigt. Sie sollten den Sattel an Ort und Stelle halten und mehr nicht. In den letzten Jahren haben sich jedoch einige Studien und Hersteller intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und den Zusammenhang von Sattelgurten und der Anatomie des Pferdes analysiert.

Die Ergebnisse waren deutlich: Der Gurt rutscht immer an die schmalste Stelle des Pferdebauchs – je nach Wölbung des Rippenbogens also in Richtung der Vorderbeine. Schmerzhafte Scheuerstellen und Bewegungseinschränkungen im Ellbogenbereich können die Folge sein. Gleichzeitig übt der stramm gezogene Sattelgurt einen immensen Druck auf das Brustbein aus. Vor allem schmale und nicht gepolsterte Gurte führen zu punktuellen Druckstellen, behindern den tiefen Brustmuskel in der Kontraktion sowie in der Dehnung.

Das Pferd läuft verspannt, der Rücken wird fest. Im schlimmsten Fall können sogar die Organe dahinter – also Lunge und Herz – in ihrer Funktion beeinträchtigt werden.

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Die Auswahl ist groß, aber nicht so schwer

Dabei ist es eigentlich gar nicht so schwierig, das passende Modell zu finden – wenn man einige grundlegende Kriterien berücksichtigt. Oberstes Gebot: Nicht nur der Sattel, sondern auch der Sattelgurt muss zum Körperbau des Pferdes passen. Davon hängt ab, ob man einen Lang- oder Kurz-Gurt benötigt und welche Form dieser haben sollte. Das Material wählt man schließlich je nach Empfindlichkeit des Pferdes aus; so kann zum Beispiel Lammfell einen Großteil des Drucks absorbieren.

Hauptziel ist aber immer, den Druck so weit wie möglich zu verringern – oder bestenfalls ganz wegzunehmen. Die meisten Hersteller sind in den letzten Jahren dazu übergegangen, den Gurt am Brustbein zu verbreitern und zu polstern sowie den Ellbogenbereich auszusparen. Wie ausgeprägt diese beiden Faktoren sein sollten, hängt vom individuellen Körperbau des Pferdes ab.

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Welche Gurtlänge ist die richtige?

Zunächst wird die Gurtlänge festgelegt. Die Schnallen sollen bei dem Pferd in gegurtetem Zustand auf beiden Seiten in gleicher Höhe liegen. Sitzen sie in der Nähe des Ellbogenbereichs, ist der Gurt definitiv zu kurz. Viele Dressurreiter benutzen einen Kurzgurt, der ihren Beinen die bestmögliche Hilfengebung ermöglichen soll, für Pferde aber aufgrund der sehr tief liegenden Schnallenposition häufig mit schmerzhaften Druckstellen einhergeht.

Langgurte, wie sie von Spring- und Vielseitigkeitsreitern verwendet werden, dürfen wiederum nicht zu lang sein, da die Schnallen sonst unter dem Sattelblatt auf die weiter oben liegende Rückenmuskulatur drücken.

Beim Westernreiten gelten die gleichen Grundregeln, auch wenn nur eine große D-Ring Schnalle anstatt von zwei kleinen Dornschnallen Verwendung findet.

Die richtige Form finden

Bei der Wahl der Form wird es komplizierter. Es gibt verschiedene Systeme, die für bestimmte Pferdetypen konzipiert wurden.

Der gerade Gurt eignet sich für Pferde mit ebenmäßigem Körperbau, die keine Problemzonen in der Gurtlage haben. Die Wölbung hinter dem Ellbogen ist bei ihnen wenig ausgeprägt; der Widerrist ist gut ausgebildet und hindert den Sattel am Vorrutschen.

Der anatomische Gurt ist der Allrounder und eignet sich für die meisten Pferde. Er gibt vor allem schmal gebauten Pferden und Pferden mit großem Bewegungsdrang im Ellbogenbereich genau dort mehr Freiraum. Faustregel: Je enger das Pferd steht, desto schmaler sollte dieser Gurt sein.

Der asymmetrische Gurt wird für Pferde mit tiefem Bauch und breiter Rippenwölbung empfohlen, wenn die Aussparung beim anatomischen Gurt nicht ausreicht – diese ist hier extra tief angelegt.

Der Mondgurt ist eine Sonderform für rundrippige Pferde. Diese Pferde stehen typischerweise sehr eng und ihre Rippenwölbung beginnt direkt hinter dem Ellbogen. Sie sind häufig kurz im Rücken. Der Gurt ist sichelförmig genäht; der vordere Teil ist kürzer als der hintere, damit er sich perfekt an den Pferdekörper anpasst.

Eine weitere Sonderform ist der Gurt gegen das Vorrutschen – ein am Brustbein nach vorne geschnittener Gurt, während Schnallen und Strupfen des Sattels weiter hinten liegen.

Materialien – weich, atmungsaktiv, hautverträglich

Leder ist hochwertig, anschmiegsam und wird von Pferden generell gut vertragen. Eine regelmäßige Reinigung ist jedoch Pflicht, damit das Material schön geschmeidig bleibt.

Ein Lammfellüberzug bietet eine ideale Polsterung: Er fungiert als Puffer, verringert so den Druck und reduziert die Reibung auf dem Fell. Er beugt nicht nur Scheuerstellen vor, sondern ist auch ideal für Pferde mit langem Winterfell, die stark schwitzen. Allerdings ist Lammfell recht pflegeintensiv da es regelmäßig ausgebürstet und gewaschen werden muss.

Auch Neopren, das bei Westernreitern sehr verbreitet ist, oder Viscoseschaum, sind lange haltbar und polstern auf; zusätzlich ist beides erheblich günstiger als Naturmaterialien. Für stark schwitzende Pferde werden in diesem Bereich außerdem gerne gestrickte Strippengurte oder gepolsterte Stoffgurt eingesetzt.

Gurte aus Kunststoffen wie Nylon oder Neopren sind zwar robust, langlebig und pflegeleicht, sie sind jedoch nicht atmungsaktiv. Schwitzende Pferde können sich darunter schnell wund scheuern.

Fazit

Grundsätzlich sollte der Sattel dem Pferd optimal passen und die Gurtaufhängung an der richtigen Stelle sitzen. Die Wahl des Sattelgurtes kann dann in der Länge und Form der individuellen Anatomie des Pferdes und der Reitweise angepasst werden. Das Material sucht man nach den individuellen Notwendigkeiten und Präferenzen aus. Im Endergebnis sollte das Pferd frei und ohne Einschränkungen unter dem Sattel laufen können.