Voltigiertagung: Höher, schneller, risikobereiter – Wo will der Voltigiersport hin?

Die Grundlagen zur Auseinandersetzung mit diesem Thema legte der österreichische Bundesreferent Manfred Rebel in seinem Eröffnungsvortrag. Er sah auf der einen Seite eine positive Entwicklung des Voltigierens, da es sich um eine noch junge Techniksportart handelt, deren Bekanntheit, Akzeptanz und Attraktivität für die Zuschauer sowie Veranstalter steigt. So verwies Rebel auf die positiven Aspekte des Weltcups, nämlich die Werbung für den Sport, die verbesserte Akzeptanz zwischen den Pferdesportdisziplinen sowie die ausgeschütteten Preisgelder und Kostenübernahmen. Auf der anderen Seite warnte der Bundesreferent vor den steigenden finanziellen Belastungen unter anderem für die Anschaffung und den Unterhalt der Pferde, die immer besser ausgebildet sein müssen, und – bedingt durch die erhöhte Anzahl an internationalen Turnieren – den steigenden Reisekosten. Er stellte zur Debatte, ob man sich durch die Anschaffung eines sehr gut ausgebildeten Pferdes gute Noten kaufen könne. Mit Blick auf den Weltcup warnte er außerdem vor der fehlenden Regenerationszeit im Winter.

Ausbilder höher qualifizieren

Auf den Thesen des Eröffnungsvortrags basierte eine Diskussionsreihe, geleitet von Voltigier-Richter und -Funktionär Leo Laschet. Die Ergebnisse bildeten zum Teil die Grundlage für die Podiumsdiskussion zum Tagungsabschluss. Dr. Dennis Peiler, Geschäftsführer Sport bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, gab hierbei wichtige Hinweise aus Funktionärssicht und riet den Aktiven und Trainern, Geduld zu bewahren, wenn es um weitere Veränderungen im Sport geht: „Manche Dinge müssen reifen.“ Sorge mache ihm, dass das Voltigieren stagniert. Um dies zu beheben, müsse man die Ausbilder höher qualifizieren.

Devon Maitozo, ehemaliger Weltmeister im Einzel- und Gruppenvoltigieren aus den USA, bewunderte, wie bekannt Voltigieren in Deutschland ist und wünschte sich, dass der Sport auch in anderen Ländern Teil der Kultur wird. Ihn faszinierte an der Sportart, dass es eine Hochleistungs-disziplin ist, die dennoch Raum bietet, sich zu entwickeln, insbesondere künstlerisch. Seine enge Verbundenheit mit dem Sport brachte er mit der Aussage: „Ich atme Voltigieren“, auf den Punkt.

Warum muss das Richtverfahren immer komplizierter werden?

Die Voltigierrichterin Alessia Vannini aus der Schweiz berichtete, wie wenig anerkannt das Voltigieren in ihrer Heimat sei und griff eine Idee von Manfred Rebel auf, die Disziplin mit Auftritten auf Pferdemessen bekannter zu machen. In diesem Rahmen böte sich die Möglichkeit, das Richtverfahren transparenter zu machen, denn bei Turnieren „versteht die Rangliste niemand“, so ihr Fazit. Sie stellte die Frage: „Warum muss das Richtverfahren immer komplizierter werden?“

Dr. Ellen Zöllner legte als Humanmedizinerin ihren Fokus in der Diskussion auf die Gesundheit der Voltigierer, aber auch der Pferde. So sprach sie sich dafür aus, dass Voltigieren zwar künstlerisch grenzenlos sein, sich aber mit Blick auf das Pferd in Geduld üben sollte. Außerdem plädierte sie für eine verbesserte Trainerausbildung, um den Sport verletzungsärmer zu gestalten. Dazu passte ihre Forderung, die Flanke in der Pflicht abzuschaffen.

Ausbilder nachdenklich und ratlos

Nicht nur während der Podiumsdiskussion wurde deutlich, wie wichtig Traineraus- und –fortbildungen sind, auch Sportwissenschaftler Professor Dr. Ansgar Thiel legte dar, wie hoch die Anforderungen an Trainer im Leistungssport sind und über welches Wissen diese verfügen müssen, um nicht – im schlimmsten Fall – zu Risikofaktoren für ihre Athleten zu werden. Als Beispiele hierfür nannte er einen autokratischen Führungsstil oder Laissez-faire, keine individualisierte Trainingssteuerung und -kommunikation oder Unsicherheit im Umgang mit Verletzungen, Krankheitssymptomen und körperlichen Wachstumsprozessen. Thiels Vortrag machte die anwesenden Ausbilder sichtbar nachdenklich und zum Teil ratlos, wie sie den genannten Anforderungen in einem Amateursport wie dem Voltigieren gerecht werden können.

30 Workshops

Neben den hochkarätigen Vorträgen konnten die über 100 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ihre persönliche Auswahl aus 30 Workshops besuchen. Spitzenvoltigierer Daniel Kaiser widmete sich anhand von Fotos Technikunterschieden bei Aufsprung sowie Schwungübungen und deren Optimierung im Training. Dazu nahm er Voltigierer auf dem elektrischen Übungspferd Movie auf Video auf und analysierte die Fehler unmittelbar im Anschluss. Teilnehmer hatten in einem anderen Workshop die Möglichkeit, unter seiner Anleitung und begleitet von den Tipps des Konstrukteurs Peter Höppner Movie selber auszuprobieren. Auch Barbara Hirsch, unter anderem Inhaberin einer Trainer-B-Lizenz für Sport in der Prävention, zeigte alternative Trainingsmöglichkeiten im Voltigiersport: Sie demonstrierte Übungen mit luftgefüllten Airtrackmatten, AirHorsegym und dem Equi Egg. Devon Maitozo legte in seinen Workshops den Fokus auf den künstlerischen Aspekt im Voltigieren. Er stellte die Grund-voraussetzungen dar, um Voltigieren von einer rein sportlichen Ebene auf eine höhere Kunstebene zu heben und dadurch die Zuschauer in den Bann zu ziehen. Der Referent erläuterte, worauf Aktive und Trainer bei der Kürgestaltung achten sollten, z. B. Übungen zu größeren Einheiten zu kombinieren. Maitozo warb für mehr Mut und Kreativität bei der Musikauswahl und demonstrierte mit einer einfachen Methode aus dem Improvisationstanz die verschiedensten Gestaltungsmöglichkeiten, mit denen man den eigenen Körper zum Vermitteln von Botschaften und Emotionen nutzen kann.

Einer speziellen Zielgruppe, die in unserer Gesellschaft mittlerweile einen großen Anteil ausmacht, widmete sich Nicola Mündemann: Die Diplom-Psychologin und Reittherapeutin stellte die Frage, inwieweit Übergewichtige im Pferdesport – wie dem Voltigieren – trainieren und Teil einer Gruppe sein können. Die Teilnehmer konnten dabei selbst erfahren, wie es sich anfühlt, mit erhöhtem Gewicht einen Parcours zu durchqueren. Die Referentin lud die Teilnehmer zu einer Reflexion über körperliche und seelische Belastungen übergewichtiger Kinder ein und stellte ein interessantes Konzept zum Umgang mit Übergewicht im Pferdesport vor. Das Pferd als Motivator einzusetzen, um die Kinder in Bewegung zu bringen, ist mit einfachen Übungen und Aufgaben möglich.

Inge Lohr und Felix Bender referierten über die Korrektursprache. Schließlich kommt es nicht nur darauf an, was Voltigiertrainer korrigieren, sondern auch, wie sie es vermitteln. Die Workshop-teilnehmer diskutierten dabei rege und probierten die neu erlernten Tipps unmittelbar aus. Mit Rat und Tat standen die Pädagoginnen Bärbel Pietsch und Anna Dax den Trainern zur Seite, die Probleme mit verschiedenen Verhaltensweisen ihrer Kinder haben. In ihrem Workshop „Voltigierkinder in ihrer Vielfalt“ präsentierten sie altersentsprechende Stundengestaltungen für Nachwuchsgruppen. Abschließend gab es wertvolle Literaturempfehlungen und eine kleine Zusammenstellung besonders gut geeigneter Spiele für das Voltigieren.

Dr. Ellen Zöllner sprach als Ärztin über medizinische Aspekte des Voltigiersports. Sie analysierte den Zusammenhang von Reglement und Verletzungsstatistiken sowie die Einflussmöglichkeiten der Richter auf die Gesundheit der Voltigierer. Ihre Ergebnisse diskutierte sie im Anschluss mit den Zuhörern ihres Vortrags. Außerdem widmete sie sich in einem Vortrag der Schattenseite des Sportes: Doping.

Mit der klanglichen Unterlegung von Pflicht und Kür beschäftigte sich Brigitte Seidler. Ihr Ziel war es, Aktiven, Trainern und Richtern Musik als künstlerisches Element im Voltigiersport zu erläu-tern und eine Definition von Basiskriterien als Leitfaden an die Hand zu geben. In ihrem Work-shop zeigte sie verschiedene Videobeispiele, in denen sie die jeweilige Kür einmal mit der Originalmusik und einmal mit einer neu unterlegten Musik laufen ließ. Dabei änderte sich die Wirkung stets sehr stark.

Haltung und Training der Voltigierpferde artgerecht gestalten

Der Voltigiersport könne sich nicht weiterentwickeln, „wenn wir die Pferde aus den Augen verlieren.“ Aliana Müller widmete sich in ihrem Workshop deshalb der Frage, wie man den Pferden gerecht werden könne. Die Referentin erläuterte die Grundverhaltensweisen und Bedürfnisse von Pferden sowie deren Ursprung in der tierischen Entwicklungsgeschichte. Diese Kenntnisse wurden anschließend auf die eigene Arbeit und persönlichen Erfahrungen im Umgang mit Pferden übertragen und gemeinsam diskutiert. Zudem gab Müller einige nützliche Hinweise zur Verbesserung der Haltebedingungen der sensiblen Vierbeiner, wie beispielsweise Futtertonnen am Boden statt Heuraufen oder Laufstall-Labyrinthe zur Bewegungsförderung. Kersten Klophaus und Regina Schiemann erläuterten in Theorie und Praxis in der Reithalle, wie man ein Verladetraining für sein Pferd aufbauen kann und demonstrierten verschiedene Bodenarbeit-Übungen.

In Zusammenarbeit mit der Deutschen Richtervereinigung für Pferdeleistungsprüfungen (DRV) wurden in Altleiningen verschiedene Workshops für Voltigierrichter angeboten. Mit Leo Laschet, dem Leiter des Fachausschusses Voltigieren der DRV, gab ein „alter Hase“ sein Wissen weiter, aber auch drei Jungrichterinnen, Heidi Auerhammer, Verena Kühnapfel und Johanna Löhnert waren als Referentinnen tätig. Sie erläuterten interessierten Tagungsteilnehmern, wie der Weg zum Jungrichter aussehen kann.

Die vielen positiven Rückmeldungen der Tagungsteilnehmer und -referenten bewogen den Vorstand von „Der Voltigierzirkel e. V.“, schon jetzt für das Frühjahr 2016 die Jugendherberge Burg Altleiningen für die nächste Veranstaltung zu buchen: Vom 12. bis 14. Februar 2016 wird sich die Voltigierwelt erneut in Altleiningen treffen und ihr Wissen austauschen.

 

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