Reitunterricht Unterrichtsstile: Was macht guten Reitunterricht aus?

Wer in deutschen Reitschulen Unterricht nimmt, begegnet nicht nur verschiedenen Reitweisen und verschiedenen Reitlehrern, sondern auch verschiedenen Unterrichtsstilen – von autoritär bis laissez-faire. Wie so oft ist die Mitte auch hier golden.

„Eine zu offene Haltung eines Ausbilders kann genau so wenig akzeptiert werden, wie ein starres, autoritäres Konzept“, heißt es dazu unmissverständlich in der Sportlehre der FN. Angestrebt wird ein Unterricht, in dem den individuellen Fähigkeiten des Einzelnen Rechnung getragen wird.

Die drei wichtigsten Unterrichtsstile

  • Autoritär: Der Unterricht ist stark lenkend. Fast alle Schritte werden durch den Reitlehrer vorgegeben. Dieser befiehlt hauptsächlich, statt zu erklären. Meist werden nur Fehler angesprochen, anstatt helfende, unterstützende Hinweise zu geben. In einem solchen Unterricht können Reizbarkeit, Aggressionen und Ängste entstehen. Selbstvertrauen lässt sich schwer aufbauen, wenn nur Fehler kritisiert werden. Frustration ist die Folge.
  • Demokratisch: Der Ausbilder gibt zu Beginn der Stunde einen Überblick, was in der Reitstunde angestrebt wird. Er vermeidet befehlende Maßnahmen weitestgehend und bietet den Reitern die Möglichkeit zum Mitdenken und Mitentscheiden. Lektionen werden gemeinsam erarbeitet, durch Lob und Anerkennung, aber auch durch das Erfahrbarwerden eigener Fähigkeiten und Grenzen, soll Vertrauen geweckt werden.
  • Laissez-Faire: Die Reiter erhalten keine Anweisungen – damit aber auch keine Anregungen und Korrekturen. Im Grunde könnten sie auch alleine reiten, und sich das Geld für den „Unterricht“ sparen.

In der Praxis zeigt sich, dass es neben diesen drei Führungsstilen eine Unmenge von Zwischen- und Mischformen gibt. Auch wird ein guter Reitlehrer mal die eine, mal die andere Form mit in seinen Unterricht einbauen. Auf einem demokratischen Unterrichtsstil aufbauend, schadet es nicht, wenn er seine Reiter für kürzere Zeit sich selbst überlässt, damit sie Dinge ausprobieren können. Aus den Augen lassen darf er sie aber auch dann nicht. In einer akuten Krisensituation hingegen wird auch ein demokratischer Reitlehrer auf ein autoritäres Kommando zurückgreifen – für ausführliche Erläuterungen oder gar Diskussionen ist dann keine Zeit.

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Faktoren, die das Gelingen des Reitunterrichts beeinflussen

Ob der Reitunterricht einen einzelnen Reiter weiterbringt, hängt aber nicht nur vom Unterrichtsstil ab. Es genügt nicht, wenn ein Reitlehrer in der Lage ist, komplexe Inhalte gut verständlich zu vermitteln – der Reiter muss auch imstande sein, diese zu verstehen. Ob er das kann, hängt unter anderem von folgenden Faktoren ab.

  • Alter: Ein 6-jähriges Kind benötigt eine andere Erklärung als ein Erwachsener. Was einleuchtend klingt, wird oft übersehen. Gerade bei Kindern muss im Vorfeld geklärt werden, ob sie eine Erklärung überhaupt verstehen können. Wissen sie, wo rechts und links ist und was ein „Unterschenkel“ ist? Kann ein Kind noch nicht lesen, kann es auch mit dem Kommando „anhalten bei E“ wenig anfangen. Hinzu kommt, dass sich gerade Kinder oft nicht trauen, nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstehen. Zudem ist ihre Konzentrationsspanne meist erheblich kürzer als bei einem Erwachsenen. Andererseits gehen Kinder oft angstfreier an Pferde heran, auch sind sie in den meisten Fällen gelenkiger als Erwachsene.
  • Tagesform: Es gibt Tage, da geht alles schief und man weiß nicht, welche Alltagskatastrophe man zuerst in Angriff nehmen soll. Am Ende eines solchen Tages ist auch der interessierteste und motivierteste Reiter kaum mehr in der Lage, lange Erklärungen über komplizierte Lerninhalte zu behalten und umzusetzen. Dann ist es mitunter besser, Ansprüche und auch Erklärungen herunterzuschrauben und mehr Wert auf Entspannung zu legen.
  • Ausbildungsstand: Wer seit zehn Jahren reitet, dem mag ein Kommando und eine Korrektur bei Fehlern genügen. Der Reitlehrer wird hier mehr und mehr zum kompetenten Berater. Neulinge zu Pferd benötigen ausführlichere Erklärungen. „Angaloppieren“ reicht einem Anfänger nicht; dem Schüler muss auch erklärt werden, was er dabei zu tun hat, warum und wann er es tut.
  • Ausbildungsziel/Wünsche: Geschätzte neunzig Prozent der Reiter sind Breitensportler. Wer nur gemütlich ausreiten und sich entspannen will, braucht nicht die gleiche Ausbildung, wie ein Turnierreiter. Ihm genügt eine vernünftige Grundausbildung, damit er seinem Pferd nicht schadet und er weder sich noch seine Umgebung gefährdet. Entsprechend wird er auch andere Interessensschwerpunkte haben. Wo es dem einen darum geht, Übungen möglichst korrekt zu reiten, legt der andere möglicherweise mehr Wert darauf, einfach seinen Spaß zu haben.
  • Lerntyp: Jeder lernt anders am leichtesten – der akustische Typ durch Zuhören, der Visuelle durch Zusehen und Nachahmen. Der Autodidakt wird die Methode „Ausprobieren, Fehler machen, korrigieren“ bevorzugen.

Der demokratische Unterricht fördert Freude und Selbstwert

Ein guter Reitlehrer wird sich stets bemühen, seinen Unterricht an diese Faktoren anzupassen und die Reitgruppen so zusammenzustellen, dass es ihm auch im Gruppenunterricht möglich ist, auf die individuellen Bedürfnisse und den Kenntnisstand des Einzelnen einzugehen. Darauf aufbauend sollte er sich für einen demokratischen Unterrichtsstil entscheiden.

Untersuchungen von Arbeits- und Sozialpsychologen haben ergeben, dass eine demokratisch geführte Gruppe zwar nicht die gleiche Arbeitsmenge, dafür aber qualitativ hochwertigere Arbeit leistet. Auch ist die Motivation einer Gruppe größer, wenn sie an Entscheidungen teilhaben können. Beim Reiten fördert der demokratische Unterrichtsstil neben Selbstwert und Freude auch Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit. Dinge also, die jeder Reiter braucht, und die jeder gute Reitlehrer zu fördern versuchen wird. Weitere Eigenschaften eines guten Reitlehrers finden Sie auf unserer Reitlehrer-Checkliste.

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