Pferdestollen verhindern ein Ausrutschen im Winter und bei Nässe

Fußballer, Leichtathleten und Springpferde haben eines gemeinsam: Sie alle tragen Spikes. Denn wer auf rutschigem Gras, glatten Hartplätzen oder tiefem Matsch einen Sprint hinlegen muss, braucht zusätzlichen Halt unterm Schuh.
Schon in der Antike, kurz nach der Entstehung des Hufeisens, bogen einige Schmiede die Schenkelenden der Eisen rechtwinklig nach unten, um Kutsch- und Armeepferde auf der Spur zu halten. Das war die Geburtsstunde des Stollens. Heutzutage gibt es Pferde-Spikes in allen Formen und Ausführungen. Je nach Wetter und Bodenbeschaffenheit drehen manche Reiter kurze oder lange, spitze oder flache Stahlstifte ein. Auf die Art kann zum Beispiel ein Vielseitigkeitspferd für die Dauer eines Rittes sogar 20- bis 30-mm-High-Heels tragen und hat damit einen um 30 Grad veränderten Hufwinkel. Nach dem Ritt kommen die Stollen raus, das Pferd steht wieder plan und demoliert beim Einsteigen in den Hänger auch nicht dessen Bodenbelag.

Zwei Stollen sind besser als drei

Nichtsdestotrotz werden Stollen von vielen Reitern als „Schreckschrauben“ bezeichnet. Denn die Huf-Haltestellen haben auch Nachteile: „Das eigentliche Problem ist nicht der Schiefstand, sondern das abrupte Stoppen, das durch die Stollen passiert“, sagt der staatlich geprüfte Hufschmied Klaus Grimm aus Aindling. Während ein Pferd mit normalen Eisen nach jeder Landung oder Wendung leicht ausgleiten kann, bremsen Stollen es blitzschnell ab. Auch das geht auf Kosten des Bewegungsapparats.

Wer also einen dritten oder gar vierten Stollen anbringt, um die Pferdebeine zu entlasten, erreicht genau das Gegenteil, weil er den Huf mitten in der Belastungsphase „festbetoniert“. Befindet sich einer der Zusatz-Stollen an der Hufspitze, so kann das Pferd anschließend nicht einmal mehr korrekt abrollen. Einige Schmiede behelfen sich daher mit einem Vidiastift (siehe unten) in der Mitte. Dieser kleine Hartmetallstift hindert das Pferd nicht am Abrollen, und stoppt aufgrund seiner geringen Größe weniger hart als ein Stollen.

„Ich empfehle meinen Kunden, vorne nur kleine Stollen zu benutzen und hinten lange“, sagt Sergio Baruffolo, Hersteller der neuartigen Klick and Ride®-Stollen. „Damit kann das Pferd vorne kontrolliert rutschen, die Gelenke werden geschont und der Reiter wird nicht im Sattel nach vorn katapultiert.“

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Stollbeulen und Kronentritte

Grundsätzlich können durch Stollen noch andere Probleme entstehen: Beim Liegen ziehen manche Pferde sich Stollbeulen oder Kronentritte zu. Andere treten sich beim Schlagen nach Fliegen mit den Stahlstiften in den Bauch und reißen die Haut auf – gleiches gilt für Springpferde über dem Sprung. Diese tragen deshalb meist einen Stollen-Schutzgurt. Hin und wieder kommt es auch zu Hufabszessen, Hufdeformationen und Druckstellen. Durch das Einwachsen von Horn in die leeren Stollenlöcher wird der Hufmechanismus eingeschränkt. Im schlimmsten Fall kann sogar Trachtenzwang entstehen. „Ob so etwas passiert, lässt sich vorab nicht sagen, das ist von Pferd zu Pferd verschieden“, sagt Klaus Grimm. „Wie bei Frauen: Die einen kommen gut mit Stöckelschuhen zurecht, die anderen nicht.“

Manche Reiter verzichten deshalb auf Stollen. Und damit auch auf ihre Sicherheit in Kurven, Wegbiegungen und über Sprüngen. Die perfekte Lösung gibt es nicht. Grimm: „Man muss sich immer überlegen, was schlimmer ist: Eine kurzfristige Überbelastung durch Stollen oder ein Sturz im Gelände, weil das Pferd ausgerutscht ist. Stollen haben schon ihre Berechtigung. Meiner Meinung nach sind sie einfach ein notwendiges Übel.“

Welcher Stollen für welchen Boden?

„Das Auge kauft mit“, sagt Stollenhersteller Reinhold Hepp. „Heutzutage will doch niemand mehr einen Vierkantstollen.“ Deshalb arbeitet der Präzisionsdrehmechaniker an immer neuen Formen, die allesamt den Anspruch haben, sowohl optisch als auch qualitativ etwas her zu machen. Auf gefestigtem und harten Untergründen werden meist sehr spitze und scharfe Stollen eingesetzt. Für harte Böden können auch Spezialformen verwendet werden. Bei weichen und matschigen Böden empfiehlt Hepp breite und kantige Stollenformen, am Hinterhuf werden oft größere Stollen eingesetzt. Die Größe ist vor allem von der Tiefe des Geläufs abhängig. Hufschmied Klaus Grimm gibt als Faustregel: „Je härter der Boden, desto flacher die Stollen.“

Allround: Vierkant- und Sechskantstollen mit mittlerer Länge sind für Gras, Sand und Schlamm geeignet.

Harter Boden: Kurze spitze, scharfe Stollen wirken wie Spikes-Nägel auf einem Hartplatz. Beliebt sind Sonderformen wie die H-Stollen. Die Aussparungen der Form schneiden besonders effektiv in trockene Wiesen und harte Reitplätze.

Weicher Boden: Lange, breite Stollen bekommen auch tief im Matsch noch Griff. Für matschigen Rasen gibt es spezielle Grasstollen.

 

Vidiastifte…

…sind konisch geformte Hartmetallstifte, die in ein Loch im Hufeisen geschlagen werden und nur wenige Millimeter darüber hinausragen. Sie können auch in einem Stollen oder direkt im Hufnagel sitzen. Letzteres ist aber umstritten, da das Eisen sich schneller abläuft als das Hartmetall. Somit werden mit der Zeit die Nägel vermehrt belastet und die Stöße werden direkt ins Hufinnere gelenkt. Das ist schädlich für die Gelenke. Kritisiert werden Vidiastifte auch wegen der erhöhten Verletzungsgefahr, die von ihnen ausgehen soll. Gegenseitiges „Aufschlitzen“ auf der Koppel gehört bei niedrig sitzenden Stiften aber eher zur Ausnahme. Eher kommen Schnitte im Kronrand vor. Ähnlich wie bei Stollen besteht bei mehreren Stiften die Gefahr des abrupten Stoppens. Wegen des geringen Durchmessers greifen sie aber nur auf befestigten Böden und Eisflächen.

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