Malaria beim Pferd? Babesiose, die Gefahr aus dem Süden

Gabi Weigl kaufte ihren Andalusier-Wallach El Pilluelo nach einem Urlaub in Spanien. Zwei Jahre lang erfreute er sich in seinem neuen deutschen Zuhause bester Gesundheit. Dann stand er plötzlich ohne erkennbaren Grund lahm in der Box. Das hintere Fesselgelenk war bis zum Sprunggelenk dick angeschwollen. Der Wallach hatte 38,5 Grad Fieber und bewegte sich schmerzerfüllt und steif. Kreuzverschlag, vermutete der Tierarzt zunächst. Oder irgendein Infekt. Um eine endgültige Diagnose stellen zu können, entnahm er dem Pferd eine Blutprobe und behandelte es mit fiebersenkenden Mitteln.

Die gespenstische Krankheit verschwand so schnell wie sie gekommen war. Schon zwei Tage nach dem Anfall war Pillu wieder ganz der Alte. Ein Infekt schied daher als Ursache schon mal aus. Auch Kreuzverschlag kam laut Labor nicht in Frage. „Aufgrund von Pillus Herkunft tippte mein Tierarzt dann auf Babesiose“, erinnert sich Gabi Weigl.

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Übertragung durch Zecken

Mittlerweile ist klar: Der Spanier hat sich bereits in seiner Heimat mit den mikroskopisch kleinen Parasiten angesteckt. Babesien werden nicht durch Stechmücken sondern durch Zecken übertragen. „Es ist wichtig hier festzuhalten, dass nicht alle Zecken Babesien übertragen können“, sagt Dr. Heinz Sager vom Institut für Parasitologie in Bern. „Beim Pferd spielen in Mitteleuropa hauptsächlich Dermacentor- und Rhipicephalus-Arten als Vektoren eine Rolle, während der weit verbreitete Holzbock (Ixodes ricinus) keine Babesien auf das Pferd übertragen kann.“

Die Übeltäter selbst sind einzellige Parasiten, so genannte Protozoen. Sie befallen die roten Blutkörperchen und zerstören sie. Dadurch wird der rote Blutfarbstoff, das Hämoglobin, frei und der Urin des betroffenen Pferdes färbt sich dunkel. Ein Symptom, das zunächst viele Tierärzte an Kreuzverschlag denken lässt. Durch den zunehmenden Zerfall der Erythrozyten bekommt das Pferd eine leichte bis schwere Blutarmut (Anämie). „Die Krankheit kann sehr unterschiedlich verlaufen“ weiß Dr. Sager, der schon mehrere Fälle diagnostiziert hat. „Während einige Pferde massive Symptome mit hochgradigem Fieber, allgemeiner Schwäche und diversen Organproblemen, wie Atembeschwerden und Koliken, zeigen, kann die Krankheit bei anderen Tieren relativ harmlos verlaufen.“ Manchmal fällt sie dem Besitzer nicht einmal auf. Schwerwiegende Verläufe können aber bis zum Tod des Pferdes führen.

Hat sich einmal eine Dermacentor- oder Rhipicephalus-Zecke auf einem infizierten Pferd festgebissen, so nimmt sie mit ihrer Blutmahlzeit auch die Babesien auf. Diese entwickeln und vermehren sich in der Zecke weiter. Am Ende warten sie in der Speicheldrüse der Zecke auf ihren neuen Wirt – das nächste gestochene Pferd. Zecken beissen übrigens nicht, sie haben Stechwerkzeuge.

Lebenslanger Träger und Ansteckungsquelle

Bei Pferden werden zwei Arten von Babesiose unterschieden: Babesia caballi und Babesia equi. Letztere wird seit einigen Jahren zu den „Theilerien“ gerechnet. Bei einer Theileriose nisten sich die Protozoen nicht nur in den Erythrozyten sondern auch in den Lymphozyten ein, die eigentlich zur Abwehr gedacht wären. Deshalb ist der korrekte Name für diese Art „Theileria equi“. Beide Formen treten etwa gleich häufig auf. Theileria equi ist nach Einschätzung von Dr. Sager jedoch das größere Übel, da sie einen fataleren Verlauf nehmen kann und zudem zu Latenz neigt. Nach überstandener Krankheit bleibt das befallene Pferd oftmals lebenslanger Träger der Parasiten und damit auch nach Jahren noch eine Ansteckungsquelle für die Zecken.

Ein solcher Fall lag auch bei El Pilluelo vor, der ganze zwei Jahre latenter Träger der Krankheit war. Ein erneuter Anfall kann zum Beispiel durch Stress ausgelöst werden. Ein Befall mit der Babesia caballi-Art kann dagegen geheilt werden. Dr. Kai-Wigand von Salmuth hat in den letzten fünf bis sechs Jahren in seiner Iffezheimer Tierklinik an der Rennbahn etwa zehn Babesiose-Patienten behandelt. Ihnen half das Mittel Cabesia aus der Hundemedizin. Dasselbe Mittel wird bei beiden Arten eingesetzt, allerdings bei Theileria equi in wesentlich höherer Konzentration über längere Zeit. Das kann zu Nebenwirkungen wie Unruhe, Schwitzen, Bauchschmerzen und Atembeschwerden führen.

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Babesia caballi und Theileria equi ist die Entwicklung der Protozoen in der Zecke. „Babesia caballi findet sich nicht nur in der Speicheldrüse, sondern auch in den Geschlechtsorganen“, so der Schweizer Parasitologe Dr. Sager. „Das hat zur Folge, dass neugeborene Zecken bereits bei Geburt mit Babesien infiziert sein können. Somit kann sich Babesia caballi über viele Jahre in der Zeckenpopulation einer Region aufhalten und stellt für die Pferde auch dann eine Ansteckungsgefahr dar, wenn in der Zwischenzeit das Gebiet von Pferden vermieden wurde.“

Dermacentor-Zecke im Kommen!

Da Babesien nur über bestimmte Zecken übertragen werden können, sei die Chance, vom erkrankten Boxennachbarn angesteckt zu werden, gleich Null, sagt Dr. von Salmuth. Dennoch hatte er vor kurzem den ersten Fall eines in Deutschland erkrankten Pferdes. Das könnte an der immer größeren Verbreitung der Dermacentor-Zecke nach Norden liegen. Im vergangenen Jahr warnten Parasitologen von der Freien Universität Berlin Hundebesitzer vor dem Dermacentor, der immer häufiger in Berlin, Brandenburg, im Saarland und Rheinland-Pfalz auftritt.

Zu einer genauen Prognose, was die weitere Ausbreitung der Babesiose angeht, will sich Dr. Sager nicht hinreißen lassen. Allerdings sagt er klar: „Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass die Überträgerzecken auf dem Vormarsch sind. Dazu kommt auch die vermehrte Transporttätigkeit mit Pferden. Betrachtet man die Verbreitung der Babesien beim Hund, so fällt auf, dass sich Berichte über neue Endemiegebiete wie zum Beispiel in Berlin oder Den Haag häufen. Natürlich können nur bedingt Rückschlüsse auf das Pferd gezogen werden, aber die Überträgerzecken sind sehr eng verwandt und die klimatischen Voraussetzungen für die vollständige Entwicklung der Babesien in diesen Regionen scheinen gegeben zu sein.“

Wie kann ich als Käufer eines spanischen Pferdes erkennen, ob das Tier infiziert ist?

Dr. Heinz Sager: Es gibt verschiedene Möglichkeiten eine Babesiose zu diagnostizieren. In der akuten Phase der Infektion können die Erreger direkt im Blut nachgewiesen werden. Man macht dazu Blutausstriche und färbt diese, um die Erreger sichtbar zu machen. Das Problem ist, dass es nicht immer einfach ist, diese Blutparasiten zu finden, vor allem wenn das Pferd nur sehr wenige im Blut hat. Dazu kommt, dass die Anzahl der befallenen Zellen im zirkulierenden Blut relativ schnell abnimmt und ein solcher Direktnachweis mit der Dauer der Erkrankung immer schwieriger wird. Immer mehr Labors haben eine sogenannte PCR eingeführt. Mit dieser Methode wird nicht der Parasit selbst, sondern ein Stück seiner DNA nachgewiesen. Die Technik ist sehr empfindlich, allerdings existiert eine Vielzahl an Tests deren Qualität enorm variiert.

Im Verlauf der Ansteckung bildet das Pferd Abwehrkörper gegen die Parasiten, die im Blutserum nachgewiesen werden können. Ein solcher serologischer Test wäre auch meine Empfehlung für einen potenziellen Käufer eines Pferdes aus einem Babesien-Endemiegebiet. Die Qualität der Tests kann ebenfalls stark variieren. Es lohnt sich daher, die Untersuchung von einem erfahrenen und akkreditierten Labor durchführen zu lassen.

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