Im Wesentlichen unterscheiden wir folgende Haltungsformen: Anbindehaltung, saisonale Weidehaltung oder Robusthaltung, Gruppenhaltung in Lauf- oder Offenställen sowie Einzelboxenhaltung (ggf. kombiniert mit zeitweise Weide/Paddock).
Dauerhafte Anbinde- bzw. Ständerhaltung ist tierschutzwidrig!
Nicht zuletzt nach den im Juni 2009 aktualisierten Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten (Leitlinien 2009) ist die dauerhafte Anbindehaltung von Pferden, das heißt eine Haltungsform, bei der die Pferde in engen Ständern angebunden sind und sich neben dem Ablegen und Aufstehen weder frei bewegen oder wälzen, noch ausgestreckt liegen können, zunächst als generell tierschutzwidrig anzusehen. Mehr als nachvollziehbar, wenn man bedenkt, in welchem Ausmaß hier wesentliche Funktionskreise, d.h. Verhaltensbedürfnisse des Pferdes, eingeschränkt oder gar blockiert werden. Weder kann das Grundbedürfnis nach Bewegung, Körperpflege und Sozialkontakt gestillt werden, noch können sich die Pferde in die für den Tiefschlaf unerlässliche Seitenlage begeben. Es verwundert kaum, dass Verhaltensstörungen bei diesem Haltungssystem quasi vorprogrammiert sind. Folgerichtig wird mit Bayern im nächsten Jahr das letzte Bundesland diese tierschutzwidrige Haltungsform gänzlich unter ein gesetzliches Verbot stellen.
Bricht man nun die verbleibenden Haltungssysteme auf ihre Grundform herunter, so stehen sich zwei konträre Modelle gegenüber: die Einzelboxenhaltung und die Gruppenhaltung.
Jeder, der ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, ist laut Tierschutzgesetz zum Schutze dessen Lebens und Wohlbefindens verpflichtet, das Tier in einer seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechenden Weise angemessen zu ernähren, zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen. Außerdem darf er die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.
Was bedeutet nun „angemessene verhaltensgerechte Unterbringung“?
Trotz Domestizierung über Jahrtausende, dem Wandel vom Nutz- zum Begleittier, sowie aller züchterischer Bemühungen gilt nach wie vor: Das Pferd ist natur- und wesensgemäß ein Steppen-, Lauf-, Flucht- und Herdentier mit unverändertem stetigen Bedürfnis nach Bewegung, Luft, Licht und Kontakt zu Artgenossen. Die wesentlichen Funktionskreise des Pferdes sind neben dem Erkundungs-, Nahrungserwerbs-, Ausscheidungs-, Fortpflanzungs-, Mutter-Kind- und Spielverhalten im Besonderen das Sozialverhalten in Form von Kontakt zu Artgenossen, das sich vornehmlich in arteigener Körperpflege entfaltende Komfortverhalten, das arttypische Ruheverhalten in Gestalt des stehend sowie in Bauch- und Seitenlage stattfindenden Dösens, Schlummerns und Schlafens, sowie „last but not least“, das Bewegungsverhalten. Da Wildpferde sich zur Futter- und Wasseraufnahme bis zu 16 Stunden täglich im Sozialverband bewegen, dürfte rasch klar werden, dass wir Menschen einige zusätzliche Aufgaben zu erledigen haben, wenn wir unsere Pferde in kleineren (Lauf-)Ställen oder Einzelboxen halten.
Was nun das Tierschutzgesetz in Bezug auf Haltungsform, Unterbringung und Bewegung eines Pferdes konkret fordert, lässt sich aus seinem Wortlaut allein nicht abschließend herleiten. Die Norm enthält unbestimmte Rechtsbegriffe, die wir für unseren Fall zunächst mit Leben füllen müssen. Als maßgebliche Quellen, d.h. letztlich als Auslegungswerkzeuge, stehen uns für die Bestimmung von tierschutzgemäßen Haltungs-, Nutzungs- und Umgangsformen neben der tiermedizinischen und verhaltenswissenschaftlichen Literatur (etwa die Merkblätter und Checklisten der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT)) im Besonderen die allgemeinen sachverständigen Äußerungen in Gestalt sog. „antizipierter Sachverständigengutachten“ zur Verfügung, zu denen auch unsere BMELV-Leitlinien aus 2009 gehören. Sie geben in ausführlicher Form Informationen und Anweisungen zur Ausgestaltung tierschutz-, weil art- und verhaltensrechter Haltungsbedingungen und können unmittelbar als Urkundsbeweis in einen Prozess einbezogen werden. Zusammengefasst: sie sind Pflichtlektüre für jeden Pferdehalter.
Leitlinien, S.17: „Grundsätzlich sind alle Pferde, unabhängig von Alter, Rasse, Geschlecht und Nutzungsart für die Gruppenhaltung geeignet. Wo immer möglich, sollen Pferde in Gruppen gehalten werden“. Das praktische Ideal des TierSchG ist also die mit ausreichend Bewegung und Sozialkontakten einhergehende Gruppenhaltung. Untermauert durch die „Leitlinien für den Tierschutz im Pferdesport“ (BMELV, 1992) ist nämlich davon auszugehen, dass Pferde ihre angeborenen Anlagen nur bei einem an die artgemäßen Anforderungen angepassten Haltungsumfeld voll entfalten können. Berücksichtigung findet somit die unstreitige Tatsache, dass die Einzelboxenhaltung wesentliche Funktionskreise wie das Sozial-, Erkundungs- und Bewegungsverhalten eines Pferdes einschränkt.
Das praktische Ideal des Tierschutzgesetzes ist oft nicht realisierbar
Kein Grundsatz ohne Ausnahme: Wie bereits angedeutet, enthält das Tierschutzrecht selbst Öffnungsklauseln. So normiert § 2 TierSchG „nicht so einschränken, dass“, sprechen die Leitlinien 2009 von „Wo immer möglich, sollen“ und kodifizieren die „Ethischen Grundsätze des Pferdefreundes“ der FN den Ausnahmefall des „unausweichlichen Zwangs“. Zudem fordert auch die faktische Handhabbarkeit der Pferdehaltung, d.h. nicht zuletzt die Tatsache, dass das praktische Ideal in vielen Fällen aus hippologischen, rechtlichen, wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen schlicht nicht realisierbar ist, dass eine Einzelboxenhaltung zuzulassen ist, WENN dies der konkrete Einzelfall (ob wegen Krankheit oder mangelnder Integrierbarkeit des Pferdes mit Schadensrisiko) gebietet und allgemein die Haltung so gestaltet wird, dass es dem Pferd die größtmögliche Entfaltung seines arttypischen Verhaltens ermöglicht, es vor Schäden bewahrt und in seiner Entwicklung nicht behindert („das Mindeste, aber auch Ausreichende“; vgl. Leitlinien 2009, S.15).
Mindestanforderungen an eine Einzelboxenhaltung sind neben einem stetigen Sicht-, Hör-, Geruchs- und Körperkontakt zu Artgenossen (Leitlinien 2009, S.4) und einer ausreichenden Beschäftigung („Artgerechte Pferdehaltung“ des Deutschen Tierschutzbundes e.V. (2004), S.6f.) im Besonderen eine den physiologischen Anforderungen entsprechende Bewegung des Pferdes. Diesem ist täglich eine mehrstündige, freie Bewegung zu ermöglichen. Das VG Düsseldorf spricht hierbei in seiner Entscheidung vom 04.12.2006 (Az.: 23 K 4059/05) explizit von einer „drei- bis vierstündigen Bewegungsmöglichkeit im Freien, die sowohl die verhaltensgerechte Unterbringung wie auch die Möglichkeit zu artgemäßer Bewegung betrifft und für die Erfüllung der in § 2 Nr.1 und 2 TierSchG genannten Anforderungen erforderlich ist“. Kann diese nicht dauerhaft gewährleistet und dem Pferd etwa lediglich eine regelmäßige kontrollierte Arbeit angeboten werden, so scheidet die Einzelboxenhaltung nach Maßgabe des Tierschutzgesetzes und gestützt auf die Leitlinien 2009 sowie den „Nationalen Bewertungsrahmen Tierhaltungsverfahren“ des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL- Schrift Nr.446, S.721) aus. Der Wert eines Pferdes allein kann die Einzelboxenhaltung tierschutzrechtlich übrigens nicht rechtfertigen.
Fazit:
Es ist im Grundsatz ein Verstoß gegen das TierSchG anzunehmen, wenn einem Pferd in Einzelboxenhaltung nicht täglich eine drei- bis vierstündige, freie Bewegung angeboten wird. Sofern es hierbei bei einem Unterschreiten der Minimum-Standards oder generell ohne vernünftigen Grund zu Schmerzen, Leiden oder Schäden eines Pferdes kommt, ist sogar per se von einer Tierschutzwidrigkeit auszugehen. Ein Beispiel für ein verhaltensbedingtes Leiden nach Einschränkung der Funktionskreise des Pferdes sind zum Beispiel Abwehrreaktionen aufgrund von Rückenschmerzen wegen Bewegungsarmut. Erforderlich für einen Gesetzesverstoß ist mit dem AG Starnberg vom 06.02.2012 an dieser Stelle jedoch keineswegs, dass bereits tatsächlich ein negativer Erfolg eingetreten ist. Vielmehr genügt zur Bejahung eines Leidens und damit der Tatbestandsmäßigkeit, dass entweder mehrere Grundbedürfnisse in nicht unerheblichem Ausmaß oder ein bestimmtes Grundbedürfnis in ganz erheblichem Ausmaß unterdrückt werden bzw. wird.
Einerseits: Artgerecht heißt nicht „wie in freier Wildbahn“.
Andererseits: 23-stündige Boxenhaltung ist gesetz-, weil tierschutzwidrig.
Die Gruppenhaltung stellt ohne Zweifel das naturähnlichere Haltungssystem dar. Sofern Sie jedoch – wie aufgezeigt – die natürlichen Verhaltensbedürfnisse Ihres Pferdes erkennen (lernen) und durch Erfüllung der Minimum-Standards deren Ausleben soweit wie rechtlich und tatsächlich (nicht ökonomisch!) praktikabel ermöglichen, ist die Einzelhaltung in Boxen am Maßstab des Tierschutzgesetzes als art- und verhaltensgerechte Pferdehaltung anzusehen.